Kommune am Limit - Neuhardenberg weiterhin mit Geflüchteten überfordert

Fr 13.10.23 | 13:57 Uhr
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Die Gemeinschaftseinrichtung für Geflüchtete in Neuhardenberg.(Quelle: rbb/Robert Schwaß)
Audio: rbb24 Brandenburg Aktuell | 12.10.2023 | Sabine Tzitschke | Bild: rbb/Robert Schwaß

In Neuhardenberg leben 2.700 Einwohner, 500 davon sind Geflüchtete. Im Frühjahr eskalierte die Lage und es gab Fälle von Jugendgewalt. Monate später beklagen Gemeindevertreter fehlende Mittel und fordern Unterstützung von Land und Bund.

Mitten in Neuhardenberg (Märkisch-Oderland) stehen fünf große unsanierte Häuserblocks. Sie beherbergen die Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Geflüchtete. Die Neuhardenberger nennen die Gebäude "das Pentagon". In den ehemaligen Armeeunterkünften leben nun hunderte Geflüchtete. Angefangen hat es 2013 mit 120 Menschen in der GU. "Da hatten wir einen sehr guten Kontakt", sagt Neuhardenbergs ehrenamtlicher Bürgermeister, Mario Eska (Linke) am Donnerstag.

In Neuhardenberg leben inzwischen etwa 500 Geflüchtete bei einer Bevölkerungszahl von etwa 2.700 Menschen. Anfang des Jahres geriet die Gemeinde in die Schlagzeilen, weil Vandalismus und Schlägereien zunahmen. Tatverdächtig waren laut Polizei unter anderem auch minderjährige Migranten. Doch davon ist seit Monaten nichts mehr zu hören.

Willkommenskreis hat sich aufgelöst

Bürgermeister Eska kritisiert die hohe Anzahl der Geflüchteten. "Durch die Vielzahl haben die Flüchtlinge für mich kein Gesicht mehr, sondern sind nur noch eine Masse", sagt der Bürgermeister. Die GU sei eine Art Ghetto, Integration nicht möglich. Viele Flüchtlinge leben schon seit zehn Jahren im Heim. Arbeit gebe es keine. "Man müsste die Flüchtlinge besser auf dem Land verteilen."

Das macht auch die Helfer hilflos, der Willkommenskreis in Neuhardenberg hat sich aufgelöst, wie Horst Nachtheim sagt. Der Schwabe hat sich für Sprachkurse für Geflüchtete engagiert und beklagt ihre Perspektivlosigkeit: "Das sind zum Teil Leute, die mit sechs oder sieben Jahren als Kinder hierhergekommen sind. Sie sind zum Teil jetzt 16 oder 17 Jahre alt und haben eine klassische Heimsozialisation durchgemacht."

Der rbb hat versucht, mit Geflüchteten zu sprechen, doch keiner der Angefragten wollte sich öffentlich äußern.

"Hier ist nichts angekommen"

Im Mai dieses Jahres beschließt der Bund in einem Flüchtlingsgipfel, den Kommunen mit einer Milliarde Euro zur Seite zu springen. Die Verantwortlichen in Neuhardenberg stehen aber fünf Monate später immer noch mit leeren Händen da, sagt Bürgermeister Eska: "Wir als Kommune hätten tatsächlich den Bedarf an finanziellen Mitteln, um hier bestimmte Sachen zu gewährleisten. Aber hier ist nichts angekommen."

Nötig sei etwa der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Die Gemeinde habe inzwischen Mühe, ihre rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen – auch bei den Kindern. Ihre ausreichende Versorgung sei kritisch, sagt Dieter Arndt, Neuhardenbergs stellvertretender Bürgermeister (parteilos): "Schule, Kita: Da sind wir an der Kapazitätsgrenze." Als Kommune könne man sich weder den Anbau noch den Neubau von Bildungsstätten leisten, so Arndt.

Geflüchtete sollen nach sechs Monaten arbeiten dürfen

Den erwachsenen Geflüchteten in Neuhardenberg fehlt es an einer Perspektive: Viele wollen arbeiten, dürfen aber nicht. "Wenn ich hier eine Duldung habe und nicht arbeiten darf, meine Berufsabschlüsse nicht anerkannt werden oder ich die Sprache nicht kann, dann müssen Lösungen her", sagt Arndt. Das könne die Gemeinde vor Ort nicht lösen. "Es ist ein rechtliches Problem, das auf Bundesebene geklärt werden muss."

In Sachen Arbeitsverbot gibt es nun Bewegung: Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, wonach Geflüchteten schon nach sechs statt bisher neun Monaten arbeiten dürfen. Zudem sollen Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern einfacher werden. Laut Tagesschau soll der Beschluss noch vor der Ministerpräsidentkonferenz im November im Kabinett verabschiedet werden.

Die Landkreise gehen dabei einen Schritt weiter: Vor Beginn des Migrationsgipfels von Bund, Ländern und CDU am Freitag forderte der Deutsche Landkreistag eine Arbeitspflicht für alle Migranten in Deutschland. "Wer gesund ist und nicht gehandicapt ist, muss arbeiten. Eine Arbeitspflicht muss her", sagte Verbandspräsident Reinhard Sager der "Bild"-Zeitung. Dabei sei es egal, ob es sich beispielsweise um gemeinnützige Arbeit oder eine Arbeit in der Gastronomie handele.

Inzwischen hat sich die Gemeinde Neuhardenberg etwas ausgedacht, um sich mehr Gehör bei der Landes- und Bundespolitik zu verschaffen: Einen Integrationsausschuss, geleitet von Dieter Arndt. Damit wolle man Forderungen stellen – beispielsweise mehr Geld für die Ausbildung der geflüchteten Kinder. "Wir können und wollen nicht davonlaufen. Wir leben alle hier und müssen miteinander klarkommen, möglichst im Guten", sagt Arndt.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 12.10.2023, 19:45 Uhr

Mit Material von Maximilian v. Mauch

23 Kommentare

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  1. 23.

    Wo mit über 30 % rechtsextrem gewählt wird bedeutet ja auch dass ~ 70 % keine Rechtsextremisten wählen. Aber 30 % sind ein sehr deutliches Alarmzeichen für die Demokratie.

    Aber dort wo Lehrer flüchten müssen weil sie sich gegen den ausufernden Rechtsextremismus in der Region engagieren und es bricht kein Sturm der Entrüstung aus läuft was gewaltig aus dem Ruder, das hat was von einem Failed State. Soviel zu 1.

    Zu 2. Der Verfassungsschutz in Brandenburg AfD-Jugend als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft.

    Zu 3. Laut einem Politikwissenschaftler aus Trier: "Vielen AfD-Wählern ist die rechtsextremistische Prägung der Partei egal".

    Oder wenn eine Umfrage von Infratest dimap nach der Bayernwahl zum Schluss kommt, dass es 85 Prozent der AfD-Wähler in Bayern „egal“ ist, dass die AfD „in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht“. Ich gehe davon aus, dass Brandenburger die rechtsextrem wählen das ähnlich sehen.

  2. 22.

    Was heißt getroffene Hunde bellen? Ich komme aus Südbrandenburg, hab dort 26 Jahre gelebt und bin noch oft dort. Ich kenne dort nicht Einen(!) Rechtsextremen, allerdings einige AFD-Wähler. Ihnen zu erklären, das die Gleichung AFD-WÄHLER = Rechtsextrem ein nicht bewiesener Blödsinn ist, hat wohl wenig Sinn?

  3. 21.

    Wo mit über 30 % rechtsextrem gewählt wird bedeutet ja auch dass ~ 70 % keine Rechtsextremisten wählen. Aber 30 % sind ein sehr deutliches Alarmzeichen für die Demokratie.

    Aber dort wo Lehrer flüchten müssen weil sie sich gegen den ausufernden Rechtsextremismus in der Region engagieren und es bricht kein Sturm der Entrüstung aus läuft was gewaltig aus dem Ruder, das hat was von einem Failed State. Soviel zu 1.

    Zu 2. Der Verfassungsschutz in Brandenburg AfD-Jugend als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft.

    Zu 3. Laut einem Politikwissenschaftler aus Trier: "Vielen AfD-Wählern ist die rechtsextremistische Prägung der Partei egal".

    Oder wenn eine Umfrage von Infratest dimap nach der Bayernwahl zum Schluss kommt, dass es 85 Prozent der AfD-Wähler in Bayern „egal“ ist, dass die AfD „in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht“. Ich gehe davon aus, dass Brandenburger die rechtsextrem wählen das ähnlich sehen.

  4. 20.

    Ich wiederhole mich: "Ihre "failed-state" Meinung ist halt Ihre Meinung, die aber bzgl. dem Demokratiebegriff des Grundgesetzes falsch ist. "
    1. 30% auch 49% bilden keine Demokratisch notwendige "Mehrheit", die eine Regierung/Staat leiten kann.
    2. Die AfD Brandenburg steht als VERDACHTSFALL einer rechtsextremen Bestrebung seit Mitte Juni 2020 unter der Beobachtung des Brandenburger Verfassungsschutzes. (ohne dass ich die AfD "gutheiße")
    3. Ich maße mir nicht an die Motive der Wählerschaft als durchweg verfassungswidrig zu bezeichnen - glaube es auch nicht.
    FAZIT - "Failed State" ist in diesem Fall eine unzutreffende Phrase.

  5. 19.

    Ich wiederhole mich: "Ihre "failed-state" Meinung ist halt Ihre Meinung, die aber bzgl. dem Demokratiebegriff des Grundgesetzes falsch ist. "
    1. 30% auch 49% bilden keine Demokratisch notwendige "Mehrheit", die eine Regierung/Staat leiten kann.
    2. Die AfD Brandenburg steht als VERDACHTSFALL einer rechtsextremen Bestrebung seit Mitte Juni 2020 unter der Beobachtung des Brandenburger Verfassungsschutzes. (ohne dass ich die AfD "gutheiße")
    3. Ich maße mir nicht an die Motive der Wählerschaft als durchweg verfassungswidrig zu bezeichnen - glaube es auch nicht.
    FAZIT - "Failed State" ist in diesem Fall eine unzutreffende Phrase.

  6. 18.

    Getroffene Hunde bellen, sagt das Sprichwort. Scheint zuzutreffen. Sie fragen mich was bei mir schiefgelaufen sei und nicht die die Rechtsextremisten der AfD wählen? Oder einen Kotré der Mitarbeiter mit eindeutig rechtsextremen Hintergrund beschäftigt, einen Solidaritätsaufruf für den Holocaustleugner Horst Mahler unterzeichnet hatte und gerne rechtsextreme Gedichte veröffentlicht, die in ihrem Stil an Blut-und-Boden-Gedichte der völkischen Bewegung erinnern?

    Echt jetzt?

    Wenn man von einem Failed State spricht dann urteilt man nicht über alle Menschen die in einem Failed State leben müssen, im Gegenteil.

  7. 17.

    Ganz und gar nicht "generalisierend und wage" ist es wenn in Gegenden in Brandenburg mit über 30 % Rechtsextremisten gewählt werden. Dort ist die Demokratie gescheitert.

    Das hat btw. der VS festgestellt, Berndt ist Rechtsextremist. Ein Rechtsextremist als Nachfolger des Neonazis Kalbitz.

  8. 16.

    Sie suchen mit Gewalt das Haar in der Suppe um Stimmung machen zu können. Entscheidend ist der letzte Absatz im Artikel:

    "In Hebertshausen, wo die AfD bei den Landtagswahlen mit 10,4 Prozentpunkten deutlich unter dem Durchschnitt in Bayern blieb, würden Geflüchtete nicht als Bedrohung des inneren Friedens, sondern als Chance gesehen. Wahrscheinlich, bilanziert der Bürgermeister, zeichne das diese Gemeinde aus: der Pragmatismus, die Unaufgeregtheit. Hier lasse man sich nicht von Angstmacherei leiten. "Wir machen unsere eigenen Erfahrungen", so der CSU-Politiker."

    Da wo man nicht rechtsextrem wählt sucht man Lösungen statt zu hetzen.

  9. 15.

    Ich nehme mir nicht heraus "Rechtsextremismus" in Brandenburg zu bestreiten.
    Das konkret festzustellen ist Aufgabe des Landesverfassungsschutzes - wo ich nicht arbeite.
    Und Ihre "failed-state" Meinung ist halt Ihre Meinung, die aber bzgl. dem Demokratiebegriff des Grundgesetzes falsch ist.
    Jedenfalls wenn Sie bei Ihren Vorwürfen so generalisierend und wage bleiben.

  10. 14.

    Ich nehme mir nicht heraus "Rechtsextremismus" in Brandenburg zu bestreiten.
    Das konkret festzustellen ist Aufgabe des Landesverfassungsschutzes - wo ich nicht arbeite.
    Und Ihre "failed-state" Meinung ist halt Ihre Meinung, die aber bzgl. dem Demokratiebegriff des Grundgesetzes falsch ist.
    Jedenfalls wenn Sie bei Ihren Vorwürfen so generalisierend und wage bleiben.

  11. 13.

    Südbrandenburg "Failed State"? Sie sitzen in Ihrer Berliner Blase und Diffamieren und Beleidigen eine ganze Region obwohl Sie keinen blassen Schimmer haben, wie die Menschen dort ticken. Aber so ist das, da liest man irgendwelche Wahlumfragen und beurteilt dann ALLE Menschen die in dieser Region leben. Mein Gott, was ist bei Ihnen nur schiefgelaufen?

  12. 12.

    Ich klicke keine YT Videos an. Sie wollen doch nicht etwa den offenkundigen Rechtsextremismus in Brandenburg bestreiten?

    Zumindest den Süden Brandenburgs würde ich persönlich als "failed state" bezeichnen wo die Demokratie 34 Jahre nach der Wende gescheitert ist.

  13. 11.

    Ich klicke keine YT Videos an. Sie wollen doch nicht etwa den offenkundigen Rechtsextremismus in Brandenburg bestreiten?

    Zumindest den Süden Brandenburgs würde ich persönlich als "failed state" bezeichnen wo die Demokratie 34 Jahre nach der Wende gescheitert ist.

  14. 10.

    Leider fehlen dem Beitrag der Tagesschau die substanziellen technischen Daten, etwa vieviele Migranten nach welcher Zeit immer noch von der Öffentlichen Sozialfürsorge leben. Denn es wäre ja merkwürdig, warum hier die Zahlen so anders ausfallen würden, als die sonst zum Thema publizierten Zahlen.

  15. 9.

    Das mit: "Also mal den Populismus bei Seite lassen..." haben Sie offenkundig nicht verstanden oder wollen nicht....

  16. 7.

    Ja, der Rechtsextremismus in Brandenburg ist ein Problem. Das schwappt sogar nach Bayern und Hessen rüber.

  17. 6.

    So viel zum nicht rechtsextremen Brandenburg - Neuhardenberg 2015:
    https://www.youtube.com/watch?v=lb68Vt0RJCg
    Also mal den Populismus bei Seite lassen...

  18. 5.

    Hebertshausen ist ein (nicht von allen gemochtes) Gegenbeispiel https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/hebertshausen-gefluechtete-100.html

    außerdem gilt das hier nach wie vor:
    https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/die-nationalhymne-der-bundesrepublik-deutschland-461412
    https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_1.html
    https://www.menschenrechtserklaerung.de/die-allgemeine-erklaerung-der-menschenrechte-3157/
    https://www.echr.coe.int/documents/d/echr/convention_deu
    https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/03/Genfer_Fluechtlingskonvention_und_New_Yorker_Protokoll.pdf

  19. 4.

    Wo lesen Sie etwas von Sklavenarbeit? Das würde mich mal interessieren.
    Weiterhin - was wollen Sie anerkennen, was ggf. nicht hiesigen Standards entspricht?
    Wenn ich z.B. nur an manche hier "qualifizierten" Ärzte denke graust es mir schon.
    Und "Das sind alles junge, dynamische Leute" ist ebenso ein Pauschalisierung und Generalisierung wie die ggf. andersherum vorkommen.
    "Das Geld liegt sprichwörtlich auf der Straße" ist angesichts der Realität von Jugendarbeitslosigkeit in der EU Humbug:
    https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/EUArbeitsmarktMonat.html

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