Vereinbarung bei Staatsbesuch - Kasachstan liefert PCK Schwedt monatlich 100.000 Tonnen Rohöl

Di 20.06.23 | 19:03 Uhr
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Archivbild: Ein Turm mit einem PCK-Logo ist auf dem Gelände der PCK-Raffinerie zu sehen. (Quelle: dpa/J. Carstensen)
Audio: Antenne Brandenburg | 20.06.2023 | Martina Rolke | Bild: dpa/J. Carstensen

Seit Monaten sind zusätzliche Lieferungen von Rohöl aus Kasachstan an die Raffinerie in Schwedt im Gespräch. Am Rande eines Besuches des Bundespräsidenten in dem zentralasiatischen Land ist nun eine Vereinbarung bekanntgegeben worden.

Die Raffinerie PCK im uckermärkischen Schwedt soll bis Ende 2024 jeden Monat 100.000 Tonnen Rohöl aus Kasachstan geliefert bekommen. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen der deutschen und der kasachischen Seite wurde am Dienstag am Rande des Staatsbesuchs von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in dem zentralasiatischen Staat getroffen. Mit der langfristigen Lieferung wird sich die Auslastung der Raffinerie den Angaben zufolge um etwa zehn Prozentpunkte erhöhen.

Steinmeier: "Das ist eine gute Nachricht für Schwedt"

Steinmeier begrüßte in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew die zusätzlichen Lieferungen. Das sichere die Zukunft des Standortes Schwedt und damit auch der Treibstoffversorgung in Ostdeutschland. "Das ist eine gute Nachricht für Schwedt und eine gute Nachricht für die Energiesicherheit in Deutschland."

Die Raffinerie PCK versorgt Berlin und große Teile des Nordostens Deutschlands mit Treibstoff. Bis Ende 2022 verarbeitete sie hauptsächlich Rohöl aus Russland. Im Zuge der Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine beschloss die Bundesregierung, auf russisches Öl zu verzichten. Seitdem werden andere Bezugsquellen und neue Lieferwege gesucht. Schon in den vergangenen Monaten war Kasachstan mehrfach mit Lieferungen eingesprungen.

Reaktionen aus der Politik fallen positiv aus

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte erfreut auf die Vereinbarung. "Das wird unsere PCK in Schwedt deutlich stabilisieren. Das gibt auch den Menschen in der Region Sicherheit", sagte er. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), der in Kasachstan dabei war, äußerte bei Twitter [twitter.de], es sei der erste längerfristige Liefervertrag für die Raffinerie in der Uckermark.

Der brandenburgische Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, Christian Görke, bezeichnete die Vereinbarung als "Meilenstein". Das kasachische Öl sorge nicht nur für eine höhere Auslastung, sondern auch für den technisch reibungslosen Ablauf und die Produktion von Bitumen. Görke forderte nun auch Gespräche über einen kasachischen Einstieg in die PCK. "Kasachstan wäre als Öl-Förderland und mit den großen Ambitionen beim Thema Wasserstoff der ideale Partner für eine strategische Zusammenarbeit bei der anstehenden Transformation."

Schwedts Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD) teilte dem rbb in einer ersten Stellungnahme mit, sie begrüße den Vertragsabschluss. "Das wäre ein wichtiger Baustein, um eine stabile Rohölversorgung der PCK Raffinerie bis Ende 2024 sicherzustellen.
Zugleich wäre es ein wichtiges Zeichen für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Schwedt."

Auch Michael Kellner (Grüne), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium bestätigte den Deal mit Kasachstan am Dienstag. Das jetzige Abkommen gehe weit über die bisherigen Vereinbarungen hinaus. Denn bisher wurde monatlich und damit jedes Mal neu über die Lieferungen aus Kasachstan verhandelt. Nun gebe es längerfristige Klarheit. "Heute ist ein guter Tag für die Versorgungssicherheit und der Stabilisierung des jetzigen Geschäftsfeldes", sagte Kellner dem rbb. "Es bleibt aber Aufgabe, die grüne Transformation noch weiter voranzubringen." Zwar werde zunächst weiterhin Rohöl verarbeitet. Kellner verwies aber darauf, dass für die Transformation in Schwedt weiter an Geschäftsfeldern, wie der Produktion von grünem Wasserstoff und synthetischer Treibstoffe, gearbeitet werden müsse. "Beides muss an dem Standort passieren. In beidem haben wir in diesem Jahr große Bewegungen gesehen."

Über die Lieferungen aus Kasachstan hinaus soll auch weiterhin Öl über die Häfen in Rostock und Danzig nach Schwedt kommen, so der Staatssekretär.

Reich an Rohstoffen, umstrittene Politik

Kasachstan besitzt große Vorkommen an Öl und Gas sowie an Rohstoffen wie Seltenen Erden. Es gilt nicht zuletzt wegen der Weite des Landes auch als guter Standort für Windkraft- und Solaranlagen. Kasachstan ist von der Fläche her fast acht Mal so groß wie Deutschland, zählt aber mit gut 19 Millionen Menschen nicht einmal ein Viertel der Einwohner. Die gemeinsame Grenze mit Russland ist rund 7.600 Kilometer lang, die mit China fast 1.800 Kilometer. Das Land wird autoritär regiert. Internationale Beobachter sehen Mängel bei der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Der zentralasiatische Staat steht auch im Verdacht, die gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges verhängten EU-Sanktionen zu umgehen. Das war ein Thema beim Besuch Steinmeiers. Der Bundespräsident sagte anschließend: "Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um die Aushebelung der Sanktionen zu verhindern." Der kasachische Präsident Tokajew versicherte: "Wir halten uns an die Sanktionen."

66 Kommentare

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  1. 66.

    Die Sache ist komplizierter. Öl aus Kasachstan unterliegt nicht dem EU-Embargo und fällt auch nicht unter den freiwilligen deutschen Verzicht auf Pipeline-Öl aus Russland. Das Öl aus Kasachstan wird zunächst nach Russland gepumpt, wo es mit russischen Rohölen gemischt wird, bevor es dann nach Polen und Deutschland fließt. Insbesondere Polen befürchtet, dass es schwierig sein könnte, durch das Vermischen der Rohöle deren Herkunft zu ermitteln.

    Selbst nach Ansicht des deutschen Wirtschaftsministeriums ist es unvermeidlich, dass auf diese Weise ein Teil des russischen Öls nach Deutschland gelangt. Wie Russland und Kasachstan das aufteilen und verrechnen, entzieht sich deutscher Einflussnahme. Ich habe da von "Transitgebühren" gelesen. die Russland vereinnahmt.

  2. 65.

    Ich denke unsere Region würde das Bitumen lieber vom PCK anstatt beispielsweise aus Litvinov zu beziehen. Das sind ja Jahrzehnte gewachsene Vertriebsstrukturen.

  3. 63.

    Aus Kasachstan würde mir als erster Gedanke einfallen. Könnte naheliegend sein.
    Die haben soviel davon, dass sie es sogar verkaufen müssen.

  4. 62.

    Nicht nur Klappern auch jammern gehört zum Handwerk.
    Das können nicht nur Landwirte auch Baufirmen sind da sehr geschickt drin.
    Ja es geht um den Standort PCK aber die alberne Diskussion ob nun 5% mehr oder was irgendjemand irgendwie zur Auslastung versprochen oder sich versprochen hat. Das klingt für mich immer nach XI. Parteitag oder "Neues Deutschland" oder EU-Landwirtschaftsquoten.
    Viel wichtiger wären für mich Nachrichten über die langfristige Zukunft von Schwedt. So ein Top Standort in Brandenburg mit den besten Voraussetzungen für die Grundstoffindustrie der Zukunft, da muss doch mal mehr positives kommen.
    Wie werden die Straßen im Nachölzeitalter gebaut? Beton ist ja auch nicht unproblematisch und unbegrenzt verfügbar. Zurück zum Naturstein?

  5. 61.

    Das ist eine Antwort auf meine Frage. Also ist der Markt wohl inzwischen von der Konkurrenz aufgeteilt worden, und es dürfte schwierig werden für das PCK, da wieder reinzukommen mit Gewinn in Zukunft (höchstens, man gehört zum gleichen Eigentümer).

  6. 60.

    Also Tamoil Raffinerie gibt's in Hamburg eigentlich vom Namen her nicht, Sie meinen wohl die Holborn Europa Raffinerie.

    Auch interessant, dass die Nynas Bitumen Raffinerie in Hamburg dicht gemacht wurde letztes Jahr. Scheint wohl eher Überproduktion gegeben zu haben.

  7. 59.
    Antwort auf [TRAMSR] vom 21.06.2023 um 17:47

    Sie haben richtig gehört. Alle schweren Öl-Raffinerien kommen dafür in Frage. Bei uns Totalenergy Brunsbüttel, Tamoil Hamburg, Klesch Group Heide oder in östlichen Nachbarländern über Drushba oder zur See versorgte Raffinerien, wie Lotos Group Gdansk oder Unipetrol Litvinov.
    Und sie meinen die tschechische Unipetrol-Raffinerie in Litvinov.
    Der deutsche Jahresbedarf liegt bei sportlichen gerundeten 2 Mill. t Bitumen.

  8. 58.
    Antwort auf [TRAMSR] vom 21.06.2023 um 17:50

    Sogar aus Brandenburg, gleich mehrfach....

  9. 56.

    Von kasachischen Ölfeldern, am kaspischen Meer?

    Irgendwie naheliegend oder?

  10. 55.

    Und wo kommt das Rohöl her, das Kasachstan liefert?

  11. 54.

    Ich möchte ergänzen, weil ich mich verschrieben habe. Es gibt keine Pipeline von Russland über Kasachstan nach China. Russland hätte das seit 2009 gerne.

    Über kasachische Ölexporte findet man die aktuellsten Infos in der Astana Times, immerhin in Englisch.

    Die Pipeline von Astasu nach Alashankou, also nach China ist mit 20 Mio t Rohöl Jahreskappa seit 2014 noch vergleichsweise klein. Auch wurde die Verbindung Kenkiyak-Kumkol zu den kaspischen Ölfeldern erst begonnen.

    Im übrigen verfügt Kasachstan eben über die Hälfte der Kappa von Baku nach Ceyhan und eben der Pipeline nach Novorossiysk mit CPC. Und die Russen machen immer wieder Probleme, sodass sich Kasachstan deutlich umorientiert. Für Europa wäre auch eine Erweiterung der Exportkappa über Georgien interessant mit Anlandung in Odessa, von dort kann nämlich in alle Druschba Zweige eingespeist werden. (Nach dem Krieg)

  12. 53.

    Die Steilvorlage würde ich bei öffentlichen Ausschreibungen auch nutzen. Den eigentlich müsste das Zeugs ja jetzt schon sündhaft teuer sein. Schließlich kann ja, wie Sie selber festgestellt haben, sogar kurzfristig von anderen Lieferanten der Bedarf gedeckt werden.

  13. 52.

    "Bitumen ist jetzt Bestandteil eines Rückzugsgefechtes." Vielleicht. Da der Bedarf an Bitumen aber wohl weiter da ist, wäre dann die Frage, wer den Bedarf jetzt bedient? Da ja offensichtlich Bitumen weiter verwendet wird, muß also jemand die entstandene Marktlücke gefüllt haben.

  14. 51.

    "Wenn Sie immernoch nicht wissen, dass Gas nicht sanktioniert ist, ist Ihnen kaum mehr zu helfen." Dann könnten wir doch Gas aus Rußland weiterhin beziehen, Rußland liefert auch Flüssiggas. Ich weiß, ich provoziere da etwas. Ist es nicht dann eher so, daß z.Bsp. das Verbot der Verischerung solcher Schiffstransporte im Endeffekt wie eine Sanktion des eigentlichen Transportgutes wirkt, ohne daß man das eigentliche Handelsgut subventionieren muß und weiter sagen kann, daß doch gar keine Subvention besteht?

  15. 50.

    Wenn diese Stimmen nur von dem Wirtschaftsstandort kommen würden, könnte man so argumentieren.
    Allerdings haben sich unabhängig davon auch Strabag und andere Baufirmen ähnlich geäußert.

  16. 49.

    "Hatte nicht die EU Sanktionen bei Energierohstoffen (Gas, Öl, Kohle) verhängt bzw. bei Pipelineöl D freiwillig verzichtet?"

    Wenn Sie immernoch nicht wissen, dass Gas nicht sanktioniert ist, ist Ihnen kaum mehr zu helfen.

  17. 48.

    Wo wird Sprit noch zusätzlich subventioniert? Der ist etwas teuer, weil unter Merkel ein CO2-Preis beschlössen worden ist. 40 Cent beträgt z.B. die Strompreisbremse. Der ist aber deutlich billiger zu bekommen. Sie können sich gerne auf Seiten wie Faz.net oder zeit.de darüber informieren.

  18. 47.

    Der Desl ist, das Öl läuft über Tausende von Kilometern über Russland. Über Tankerwäre das Öl viel zu teuer.

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