Beschluss in Cottbus - Erfolgreicher Antrag von CDU und AfD begrenzt Aufnahme von Flüchtlingen

Fr 27.10.23 | 13:46 Uhr
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Symbolbild: Geflüchtete aus der Ukraine stehen nach ihrer Ankunft auf einem Bahnsteig. (Quelle: dpa/M. Matthey)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 27.10.2023 | Katrin Neumann | Bild: dpa/M. Matthey

AfD und CDU wollen in Cottbus gemeinsam dafür sorgen, dass die Stadt nur noch das Mindestmaß an Geflüchteten aufnimmt und haben damit Erfolg. Der SPD-SVV-Vorsitzende vermittelt vor dem Beschluss - ein Beispiel aus der kommunalen Realpolitik.

"Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben", erklärte der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz erst im Sommer. Dass die Realität anders aussieht, beweist ein aktuelles Beispiel aus der Cottbuser Kommunalpolitik.

Am Mittwoch ist ein gemeinsamer Antrag von AfD und CDU in der Cottbuser Stadtverordnetenversammlung angenommen worden. Mit dem Beschluss war ein vorhergehender Beschluss aus dem Jahr 2021 teilweise verändert worden, mit dem sich die Stadt zu einem sogenannten "sicheren Hafen" erklärte.

Nur gesetzlich vorgeschriebene Aufnahme

Teil des damaligen Beschlusses waren einerseits Erklärungen zur humanitären Notwendigkeit der Aufnahme von Geflüchteten, andererseits erklärte die Stadt darüberhinaus, freiwillig mehr Geflüchtete aufnehmen zu wollen, als gesetzlich vorgeschrieben ist. Der zweite Teil ist nun durch die Stadtverordneten verändert worden.

Dem Beschluss war eine längere Verständigung der Fraktionsvorsitzenden vorausgegangen, wie der Vorsitzende der Stadtverodnetenversammlung, Reinhard Drogla, erklärte. In dem nun gefassten Beschluss wird betont, dass sich die Stadt zu dem damaligen Beschluss grundsätzlich bekennt. Der Punkt, der die freiwillige Aufnahme zusätzlicher Geflüchtete erklärt, wurde nun allerdings geändert. Jetzt verpflichtet sich die Stadt zwar weiterhin zur Aufnahme von Flüchtlingen, allerdings ausdrücklich nur in dem Maß, das gesetzlich vorgeschrieben ist.

Ideelle Werte und ein klarer Sachverhalt

Im ursprünglich allein von der AfD-Fraktion eingebrachten Antrag war gefordert worden, den Beschluss aus 2021 aufzuheben - darin hatte sich Cottbus zur Aktion "Seebrücke - Schafft sichere Häfen" bekannt. Nach Beratungen der Fraktionsvorsitzenden war dieser Antrag aber zurückgezogen und stattdessen ein gemeinsamer Antrag von AfD und CDU eingebracht worden.

Die Situation sei schwierig gewesen, erklärte Drogla in der Versammlung. Einerseits seien damals ideelle Werte beschlossen worden, andererseits aber auch ein klarer Sachverhalt: die freiwillige zusätzliche Aufnahme von Geflüchteten. Der Beschluss war 2021 mit nur einer Stimme Mehrheit angenommen worden. Mittlerweile habe sich die Situation aber geändert, erklärte Drogla. Es habe damals noch keinen Krieg in der Ukraine gegeben, außerdem auch keinen offenen Nahost-Konflikt. Drogla sprach in dem Zusammenhang von einer "Systemüberlastung" in Deutschland aufgrund der Geflüchteten.

"Die Situation hat sich geändert und es ist legitim, über alte Beschlüsse nachzudenken", sagte Drogla, bevor er den neuen Antrag vorstellte. Drogla selbst ist Teil der SPD-Fraktion.

Keine Gesamtaufhebung, kein kompletter Rückzug des Antrags

Eine grundsätzliche Diskussion zu dem Thema fand am Mittwoch nicht statt. Drogla betonte vor der Abstimmung noch einmal, dass der alte Beschluss nicht aufgehoben werde.

Auf rbb-Nachfrage erneuerte Drogla diese Sichtweise. Man habe sicherstellen wollen, dass der humanistische Anteil des alten Antrags nicht auch aufgehoben wird. "Die Aufgabe bestand darin, dass wir eine Gesamtaufhebung des damaligen Beschlusses nicht gutheißen können", so Drogla. "Wir können andererseits nicht die Augen vor der Realität verschließen, die wir in Cottbus haben", sagte der Vorsitzende und wiederholte, dass die verschiedenen Systeme in Cottbus an der Belastungsgrenze seien, zum Teil bereits überlastet seien. Drogla nannte in dem Zusammenhang Schulen, Kitas oder das Gesundheitswesen.

Antrag angenommen, bei vielen Enthaltungen

Der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung habe geahnt, wie eine generelle Diskussion zwischen den Stadtverordneten über das Thema ablaufen werde, sagte er am Donnerstag. "Die Diskussion ufert dann aus und ist auch von den Fraktionsvorsitzenden kaum noch einzufangen", so Drogla. Er habe deshalb im Voraus eine Vermittlung angestrengt. Anschließend verlas er am Mittwoch den neuen Antragstext: "Die Stadtverordnetenversammlung bekennt sich zum Antrag/Beschluss 6/21. Punkt 2 dieses Beschlusses wird so geändert, dass sich die Stadt Cottbus auch künftig zur Aufnahme von Geflüchteten im gesetzlichen Rahmen verpflichtet und an geltendes Recht gebunden bleibt."

Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen: 19 Abgeordnete stimmten dafür, sechs dagegen. Die SPD-Fraktion und die Mitglieder der Linkspartei enthielten sich mehrheitlich. Das Ziel der AfD, die mit ihrem ursprünglichen Antrag die weitere freiwillige Aufnahme von Geflüchteten verhindern wollten, ist damit erreicht worden - mit Hilfe der Cottbuser CDU. Warum aber beispielsweise kein eigener CDU-Antrag eingebracht worden war und stattdessen bewusst ein Antrag gemeinsam mit der AfD gestellt wurde, ist unklar. Der Fraktionsvorsitzende und auch der Kreisvorsitzende der Cottbuser CDU waren für den rbb nicht zu erreichen.

Kritik gab es am Donnerstag von der Jugendorganisation der Brandenburger SPD, den Jusos. Die stellvertretende Landesvorsitzende Johanna Seidel erklärte in einer Mitteilung, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass der Beschluss nun in Teilen aufgeweicht worden sei. "Die wahre Größe einer Kommune zeigt sich darin, auch in den großen Krisen die Fahne der Menschlichkeit hochzuhalten. Cottbus hat sie gestern eingerollt", so Seidel. "Besonders frappierend" sei es, dass die Brandenburger CDU vor der Zusammenarbeit mit einer in Teilen rechtsextremen Partei nicht zurückschrecke.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 27.10.2023, 19:30 Uhr

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32 Kommentare

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  1. 32.

    Und dann? Rechtsradikale Politik auf Bundesebene? Hatten wir schonmal. Ist nicht gut gegangen...

  2. 31.

    „Der Fraktionsvorsitzende und auch der Kreisvorsitzende der Cottbuser CDU waren für den rbb nicht zu erreichen.“

    Müssen sie auch nicht, warum auch?

  3. 29.

    "Es ist schon erstaunlich, dass es den demokratischen Partrien nicht möglich war, sich auf einen gemeinsamen Antrag zu einigen." Das finde ich auch das eigentlich verblüffende. Konnte man sich vielleicht nicht einig werden?

  4. 28.

    Ja, so ist es viele Rentner müssen mit fast 80 noch arbeiten, sammeln Flaschen , gehen zur Tafel. Hier wird von Menschlichkeit gesprochen! Überall in Berlin wird für mehr Geld gestreikt und wir Rentner bleiben auf der Strecke, dann verlangen gut bezahlte Abgeordnete…..wir müssen aufnehmen! Was nicht mehr geht ,geht eben nicht.

  5. 27.

    Wie viel mehr Asylbewerber hat denn Cottbus seitdem aufgenommen?

    Finde ich erstaunlich und auch schade, dass diese Geste 2021 so wenig bis keine Beachtung bekommen hat.

  6. 26.

    War nur eine Frage der Zeit, bis CDU und AfD gemeinsame Sache machen. Für mich keine Überraschung...

  7. 25.

    Hat es einen Grund, warum zur AfD kritische Beiträge nicht veröffentlicht werden? Das hat ja ein Gschmäckle.....

  8. 24.

    LauraFreitag, 27.10.2023 | 15:03 Uhr
    "Endlich mal pragmatische Politik."

    Genau. Wenn pragmatisch Menschen schlecht behandeln bedeutet. Super prima.
    Aber Sie erwarten wahrscheinlich dass Ihnen irgendjemand freundlich gegenübertritt.
    Wie kommen Sie auf die Idee?

    Cottbus kann keine Geflüchteten mehr versorgen. Will vielleicht auch nicht.
    Was für eine Niederlage. Muss echt furchtbar in Cottbus sein. Unter solchem Pragmatismus der eigenen begrenzten Fähigkeit zu leben. Klingt wahnsinnig erstrebenswert und fröhlich.

    Cottbus sagt aus dem Wohnzimmer: Bleibt weg. Wo ihr seid. Sonst werden wir hier noch mieser, als es mies ist wovon ihr flüchtet.

    Super Konzept.

  9. 23.

    "Punkt 2 dieses Beschlusses wird so geändert, dass sich die Stadt Cottbus auch künftig zur Aufnahme von Geflüchteten im gesetzlichen Rahmen verpflichtet und an geltendes Recht gebunden bleibt."

    Verstehe ich nicht. Kann eine Kommune einen Beschluss verfassen, der bedeuten würde, dass man sich nicht dem gesetzlichen Rahmen verpflichtet und an geltendes Recht gebunden bleibt?!

    Und auf eine Debatte verzichten, weil man befürchtete, dass die Volksvertreter sich nicht benehmen würden?! Was für ein demokratisches Armutszeugnis.

  10. 22.

    "Die Allgemeine Erkärung der Menschenrechte, die Genfer Flüchtlingskonventionen, die EU-Grundrechtscharta und das Grundgesetz sind für Sie wohl auch nur "linksideologisch". Ganz im Gegenteil. Es wird Rechtsextremen und ihren unterkomplexen Parolen hinterhergerannt und demokratische Grundwerte aufgegeben. "

    Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte erlaubt jedem Menschen sein eigenes Land zu verlassen, aber sie gibt eben nicht das Recht, in jedes Land seiner Wahl einzureisen. Zwar räumt die AEM das Recht auf Asyl ein, aber jedes Land der Welt hat nun mal das Recht, selbst darüber entscheiden, wem es Asyl gewährt und wem nicht.

  11. 21.

    Was wollen Sie eigentlich?
    Es gab einen Antrag (egal von wem eingebracht) über den abgestimmt wurde. Die demokratisch gewählten Vertreter, aller gewählten Parteien (also auch SPD und Linke) durften abstimmen. Die Mehrheit war dafür. So funktioniert Demokratie. Zumindest habe ich das noch so in der Schule gelernt.

    Demokratie heißt nicht, dass das gewünschte Ergebnis raus kommt, sondern der Mehrheitswunsch. Ob man das Ergebnis gut oder schlecht findet ist eine persönliche Meinung. Hat aber nichts mit dem funktionieren der Demokratie zu tuen.

    Übrigens super es zu denken geben, das SPD und Linke nicht dagegen gestimmt, sondern sich enthalten haben. Quasi die "kleine" Zustimmung.

  12. 20.

    Das zeigt, dass AFD und CDU gemeinsam pragmatisch handeln können. Es wäre auch einen Versuch auf Bundesebene wert!

  13. 19.

    Nettes Geheul der etwas Rechten.
    Aber glauben die ernsthaft, daß die beiden Rechtsdrehenden Parteien eine Mehrheit bekommen.
    Lächerlich.

  14. 18.

    Was sagt denn einer der "Sichere Hafen" Erfinder, der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) dazu?

  15. 17.

    In Ihren Haltungen und Kommentaren spiegeln sich diese Ergebnisse wieder. Sie sind fast zwingend logisch. Was die Frage zu Ihren eigentlichen Zielen in einem anderen Lichte erscheinen lassen.

  16. 16.

    Es ist schon erstaunlich, dass es den demokratischen Partrien nicht möglich war, sich auf einen gemeinsamen Antrag zu einigen.

  17. 15.

    Beschämend, dass die CDU in Cottbus so wenig weiss, was vor 90 Jahren passierte. Der Friseur in Thüringen will ja noch weiter gehen.

  18. 14.

    Also ist Cottbus kein sicherer Hafen mehr...

  19. 13.

    >"Selbst die romantischen Idealisten von SPD und Linken hakten sich mehrheitlich unter."
    Ja und? Haben Sie schon mal in einem sozialen und / oder ehrenamtlichen Bereich gearbeitet, der mit Flüchtlingsbetreuung zu tun hat? Dann fragen Sie mal diese vielen überlasteten Menschen dort. Es geht einfach nicht mehr, weil nicht mehr Leute zur Betreuung da sind. Mehr Unterkünfte gibts auch nicht. Hier eine verwaltbare Grenze zu setzen entsprechend der Kapazität ist auch eine Form von Menschlichkeit - und zwar den in diesem Bereich handelnden Menschen gegenüber. Es sind schon so viele gerade aus dem Ehrenamt abgesprungen, weil es einfach teilweise zu viel wurde. Mehr als arbeiten kann man nicht und als Ehrenamt möchte man auch eine Bestätigung durch sichtbare Erfolge der Arbeit. Wenn aber keine Zeit auf Grund der Masse für die persönliche Betreuung da ist, macht es freiwillig keinen Spaß mehr. Das muss sich keiner in der Freizeit dann antun.

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