Bauprojekt in Potsdam-Mittelmark - Im Schatten der Beelitzer Heilstätten

Mo 01.04.24 | 15:45 Uhr | Von Jacqueline Piwon und Philipp Rother
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Symbolbild:Der Blick über die Baumwipfel in Beelitz-Heilstätten.(Quelle:imago images/DRSG98)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 03.04.2024 | Jacqueline Piwon | Bild: imago images/DRSG98

Beelitz-Heilstätten ist bekannt für die alte Lungenheilanstalt und den morbiden Charme. Deshalb treibt es auch Fotografen dorthin. Viele Objekte werden aber saniert, zudem entstehen Neubauten. Der Ort verändert sich. Von J. Piwon und P. Rother

Riesige Sanatoriumsgebäude, verfallende Villen und Krankenhaus-Pavillons - eine denkmalgeschützte Ruinenlandschaft steht mitten im Kiefernwald. Die Gebäude sind prägend für den Ort Beelitz-Heilstätten (Potsdam-Mittelmark). Viele Jahre standen sie leer und zerfielen - über Jahrzehnte hat sich die Natur die maroden Ruinen zurückerobert.

Teile des riesigen Areals verändern sich seit einigen Jahren jedoch rasant. Einerseits werden Hunderte Wohnungen und Häuser gebaut, anderseits werden die historischen Gebäude saniert und renoviert.

Investor: Sanierung allein nicht finanzierbar

Auch neben dem Bahnhof von Beelitz-Heilstätten wird auf 63 Hektar ein neues Quartier erschlossen. Auf dem Gelände steht das ehemalige Männersanatorium mit zahlreichen historischen Gebäuden am Waldrand sowie ein Blockheizkraftwerk und ein Wasserturm. Hinter dem Mammutprojekt steckt Immobilienentwickler Jan Kretzschmar aus Potsdam. Dem Bauingenieur liegen die besonderen Gebäude der Beelitzer Heilstätten am Herzen, doch die Sanierung wäre allein nicht finanzierbar gewesen.

"Es ist natürlich so, dass die Sanierung der alten Bauten wirklich sehr, sehr viel Geld kostet - viel, viel mehr als ein Neubau", erklärt der Investor aus Potsdam: "Wenn man ein einfaches Dach von einem Gebäude – gar nicht das größte – saniert, dann sind einfach mal sechs Millionen Euro weg, ohne dass man es sieht." Das müsse irgendwie refinanziert werden.

Daher wird im "Quadrant C" des Ortes im Schatten der historischen Bestandsgebäude der ehemaligen Lungenheilstätte ohne Ende gebaut. Es entstehen im Rahmen des ersten Bauabschnitts 250 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und rund 400 Einfamilien-, Reihen- und Doppelhäuser. Durch den Verkauf und die Vermietung der Neubauten kommt Geld für die aufwändige Sanierung rein. Kretzschmars Immobiliengruppe entwickelt in Heilstätten aber auch Infrastruktur wie Kita, Schule, Supermarkt, Bäcker und Ärztehaus. Es seien schon Strukturen vorzufinden, so der Investor. Die Menschen müssten nicht Jahre oder Jahrzehnte darauf warten.

Symbolbild:Das Gelände der ehemaligen Lungenheilanstalt Beelitz-Heilstätten.(Quelle:imago images)
Sanierte Altbauten in Beelitz-Heilstätten | Bild: imago images

Beelitz-Heilstätten wird zum Ortsteil der Stadt Beelitz

Siegfried Rieger fährt wöchentlich mit dem Rad durch das neue Quartier. Der 81-Jährige ist ein Alteingesessener: "Mein Vater war hier 17 Jahre Chef in der Waschküche", berichtet der Rentner. Für ihn steckt viel persönliche Geschichte in den alten Bauten: "Mein Herz hängt an der Heilstätte und dass sie jetzt wieder saniert sind oder werden - das ist super."

Aber nicht alle stehen dem Projekt positiv gegenüber. Manche stört der Baulärm. Zudem sind die Straßen morgens und abends, wenn die Menschen zur Arbeit pendeln, überlastet. Im Vorfeld der Bauarbeiten ist kritisiert worden, dass viele Bäume für die Neubauten weichen mussten. "Wir wussten, dass wir in die Landschaft eingreifen müssen", erklärt der Bürgermeister der Stadt Beelitz Bernhard Knuth (parteilos) im Gespräch mit dem rbb rbbrückblickend: "Sicherlich hat dem ein oder anderen ein bisschen das Herz geblutet."

"Es gab natürlich Bedenken, aber die hielten sich in Grenzen. Ich glaube, in der Stadt und bei der Einwohnerschaft überwiegt die Freude, denn die alte Bausubstanz bleibt ja erhalten", so Knuth weiter. Auch die Stadt habe sich immer gewünscht, dass "dieses einzigartige Ensemble" wiederbelebt wird. "Das passiert jetzt", erklärt der Bürgermeister.

Mittlerweile wächst der Ort massiv, auch andere Gebiete werden erschlossen und bebaut. Die Einwohnerzahl soll von 500 auf 4.000 anwachsen. Ende März wurde Beelitz-Heilstätten deshalb offiziell zum eigenen Ortsteil der Stadt Beelitz.

Symbolbild:Beelitz-Heilstätten.(Quelle:imago images/B.Seifert)
Blockheizkraftwerk und Wasserturm | Bild: imago images/B.Seifert

Gebäude verwitterten nach 1994

Die Sanatorien von Beelitz-Heilstätten wurden 1902 eröffnet - sie waren der groß angelegte Versuch, die Volksseuche Tuberkulose einzudämmen. Zu jener Zeit war sie in der nahen Metropole Berlin Todesursache Nummer eins. Die Krankenhausstadt Beelitz-Heilstätten war eines der bekanntesten Lungensanatorien des Deutschen Reiches, Lazarett in zwei Weltkriegen und später sowjetisches Militärhospital. Seitdem 1994 die Sowjetische Armee das Gelände verlassen hat, sind die Gebäude dem Vandalismus preisgegeben, Nässe und Kälte tun ihr Übriges. "Alles war nass, alles war feucht", erinnerte sich Kretzschmar. In die Gebäude habe es jahrelang reingeregnet.

"Der Investor ist mit einem Konzept gekommen und hat nicht nur einzelne Sanierungen vorgestellt, sondern wirklich die Entwicklung eines Ostteils vorgestellt", so Knuth. Mittlerweile steht im Quartier neben dem Bahnhof ein Drittel der geplanten Gebäude. Eine 50 Quadratmeter große Eigentumswohnung kostet 220.000 Euro, für vier Zimmer müssen 450.000 Euro und mehr gezahlt werden. Eine Wohnung im Altbau, beispielsweise im sanierten Gästehaus mit circa 64 Quadratmetern und zwei Zimmern, wird für eine Warmmiete von 1.050 Euro angeboten. "Wir sind weit preiswerter, als das in Potsdam möglich wäre - oder eben in Berlin", so Kretzschmar.

Es zieht vor allem Familien aus Berlin und Potsdam nach Beelitz-Heilstätten. Im Sommer soll ein japanisches Restaurant im historischen Heizwerk eröffnen. Dann ist das nächste historische Gebäude wieder in Benutzung.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 03.04.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Jacqueline Piwon und Philipp Rother

16 Kommentare

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  1. 16.

    … und in Potsdam erhöht Herr K massiv und unter höchstem Anwaltsdruck seine Bestandsmieten in Babelsberg …

  2. 15.

    Vor über 20 Jahren war es noch möglich das Gelände zu erkunden, kein Zaun war heil oder eben kein Zaun da. Leider hatte Beelitz Heilstätten nicht den Vorteil, dass sich bald Landesämter dort ansiedelten und Personal brauchten wie es in Wünsdorf war und als Bauen noch erschwinglich war. Alles Gute ist nie beieinander und wenn es jetzt einen Mutigen gibt, dann viel Erfolg!

  3. 14.

    Insgesamt würde ich das Vorhaben als ausgesprochenen Glücksfall ansehen. In der Tat sind historische Gebäude für sich allein nicht für Wohnnutzung sanierbar, ohne dass die Mieten oder Eigentumspreishöhen durch die Decke schießen, was mit weiteren Bauten auf den Grundstücken dann abgemildert wird. Das ist entlang der Benzstraße in Potsdam-Babelsberg nicht anders als in Beelitz-Heilstätten.

    Selber war ich vor gut zwei Jahren da und war überrascht von der insgesamt sorgsamen Hand, die scheinbar über all dem waltet. So "verkopft" moderne Architektur in den Groß- und Millionenstädten oftmals daherkommt, so gut beziehen sich die errichteten Neubauten zwischen den Altbauten auf diese: Nicht aufdrängend und schreiend, sondern zurückhaltend, doch eben nicht belanglos.

    Mir bleibt nur, viel Zuspruch zu wünschen, wobei die Verlässlichkeit (oder umgekehrt eine Nicht-Verlässlichkeit der RB-Verbindung) eine wesentliche Rolle dabei spielt.

  4. 13.

    Neue Jobs sollen bitteschön dorthin gelenkt werden wo Wohnraum frei ist, vielerorts jwd im Osten.

    Das mit sogenannte Home-Office: die Leute müssen doch hin und wieder und Büro, und vielleicht doch mal wieder täglich ins Büro. Am besten Wohnort und Werkplatz nah beieinander, dafür kann die Politik einiges tun.

  5. 12.

    Nee, Artikel nicht gelesen, Kommentare sind viel interessanter ;)

    Vielleicht können die Arbeitsplätze dorthin gelenkt werden, wo leere Wohnungen sind

  6. 11.

    Super, das freut mich sehr.

    Denn was teilweise an Häusern in Berlin gebaut wird, geht über die Schmerzgrenze hinaus und ist einfach nur HÄSSLICH.

  7. 10.

    War vor 5 Jahren mal dort. War damals ein richtiger "Lost Places". Alles vergammelt+verrottet. Die Bäume wuchsen aus allen bauffälligen Ruinen. Wenn es so wird wie im Beitrag geschrieben, dann Hut ab! Dann müssen eben auch mal paar Bäume fallen. Bei Windrädern klappt das ja auch

  8. 9.

    Da stimme ich zu, das ganze neue Wohngebiet ist richtig heimelig. Wie gesagt, ich würde da hinziehen, aber NOCH fehlt etwas die Anbindung mit Öffis nach Berlin. Ist ein bisschen spack. Aber ideal für jüngere Familien mit Kindern, wo der Hauptverdiener Home-Office machen kann und darf. Da ich im altmodischen Mittelstand in Berlin arbeite, geht digital da gar nichts, ich MUSS täglich fahren vom Berliner Rand bis Tempelhofer Feld. Und dann funktioniert das alles nicht, so einladend das auch ist :-( schade. Kaum Öffis, kein Home-Office, da wird erst die altmodische Denke aussterben müssen.

    Es gibt viele lost places mit Potential, aber fehlendem Anschluss: Wünsdorf, oder Neues Lager, Altes Lager und AH Lager nahe Kloster Zinna / Jüterbog. Luckenwalde, so viel Potential, seit Jahren Schienenersatzverkehr nach Berlin wegen zig Gründen...

  9. 8.

    Artikel nicht gelesen? Da steht doch die Begründung für die Neubauten drin...wenn's denn so funktioniert ;-)!

  10. 7.

    Da verwechseln Sie wahrscheinlich, Beelitz mit Lauchhammer.
    Im Berliner Umland, liegt der Wohnungsleerstand teilweise unter 1 Prozent.
    So viele Wohnungen, wie eigentlich benötigt werden, kann man gar nicht bauen.

  11. 6.

    Neubauten? Muß das sein?

    Wurden und werden doch allerorts in Brandenburg Gebäude abgerissen!

  12. 5.

    Werden sie. Ich wohne in Beelitz und habe noch nie ein so harmonisches Baugebiet gesehen wie in Heilstätten

  13. 4.

    Potsdam genehmigt und baut seit Jahren, zu wenige Wohnungen - also, wird ins Berliner/Potsdamer Umland gezogen.
    Gut für das Umland der Großstädte.

  14. 3.

    Dass eine Sanierung der alten Gebäude vorgenommen wird ist toll und dass die teure Sanierung durch Wohnungsneubau refinanziert werden soll ist gut.
    Hoffentlich werden die Neubauten auch baulich ein wenig angepasst an die alten Häuser und es entstehen keine neuen Häuser wie sie jetzt oft gebaut werden aber in denen eigentlich keiner wohnen möchte.

  15. 2.

    Mit vernünftiger Verkehrsanbindung sicher ein toller Platz zum Leben, schöne kleine Altstadt, tolles Umland. Leider auch dort Mankos: die Spargelfelder werden bewässert, der Golfplatz auch: der Seddiner See trocknet aus, wie bereits der Fresdorfer See.

    Trotzdem ist es sehr lobenswert, dass die alten, schönen Gebäude gerettet werden.

  16. 1.

    Schon allein Neubauten rezufinanzieren ist nicht leicht. Wenn nun noch zusätzliches Geld obendrauf kommt, um andere Gebäude sanieren zu können, dann muss man das erstmal verkaufen können. Hut ab, wenn das gelingt.

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