rbb|24-Adventskalender | Hochgestochen, tiefgestapelt - 11. Tür: Mehr Mauer geht immer

Mo 11.12.23 | 06:00 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Illustration Tür 11 Adventskalender: Wall of Berlin (Quelle: rbb/M. Behrendt)
Bild: rbb/M. Behrendt

Diesmal: besonders ummauert. Gerne nutzen Besucher der Stadt im schönsten Touristensprech den Ausdruck "Berlin Wall". Die Spuren von Mauer und Türmen erschrecken und faszinieren. Vielleicht, weil es scheint, als hätten sie ausgedient. Berlin aber erzählt noch mehr.

24 Geschichten mit Höhen und Tiefen aus Berlin und Brandenburg. Was ist besonders hoch oder tief, ist nur besonders speziell zu erreichen oder irgendwie anders besonders. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

The Berlin Wall - diese Mauer kennen alle. Um sie zu sehen, führen die Berlin Apps die Leute zur Bösebrücke an der Bornholmer oder zum Checkpoint Charly. Am Alex aber, mitten in Mitte sucht keiner mehr nach einer Wall. Aber sie ist da.

Wer schon einmal in Breisach, Templin oder Lychen war, weiß, was eine rustikale alte Stadtmauer ist: ein Hort der Gaukler und Wolltuchverkäufer. Berlins Betonmauer aus den 60ern ist den bunten Händlern aber zu modern. Nicht richtig alt. Weil dieser Weihnachtskalender nicht nur digital, sondern auch ziemlich old fashioned und antiquarisierend ist, hilft er beim Suchen, nimmt die Touristen an die Hand und sagt: "Follow me, please!" Berlin kann auch alte Mauern.

Illustrator Embe - Marcus Behrendt (Quelle: rbb/Marcus Behrendt)
rbb/Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", bekannt auch als Marcus Behrendt, hat für den Adventskalender eine neue Farbe erfunden: das röteste Weihnachtsrot außerhalb von Vatikanstadt. Er ist auch Pädagoge und zeichnet schneller als ein Weihnachtsschlitten im Sturzflug. Stets mit den besten Utensilien ausgestattet, kritzelt er sich durch alle Medien. In der Weihnachtszeit liest er gerne einen guten Comic und genießt die schärfsten Soßen der Welt.

Redakteur Stefan Ruwoldt (rbb/M. Behrendt)
rbb/Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt hat diesen Weihnachtskalender auf dem Kopf stehend mit nur einer Hand geschrieben, und das Ganze an nur einem einzigen Tag und mit einer Feder, die Friedrich der Große einst aus Frankreich importiert hatte und dann in Pankow irgendwie vergaß. Rekord. Natürlich. Nach dem 24sten aber sitzt dieser Redakteur wieder an einem ganz normalen Schreibtisch und freut sich auf seine Feierabende ohne Bestwerte.

Visitors Group, aufgepasst!

Dafür geht es in die Littenstraße. Während die gesamte Visitors Group runterkuckt auf ihre Mobiles und liest, erzählen wir hier aus dem Off, was in der Littenstraße passiert ist.

Berlin hatte nämlich und natürlich schon vor Mauerzeiten eine Mauer. Diese Mauer damals war ein Werk aus Feldsteinen, Lehm und Schmiedeeisen. Aber so ähnlich wie bei der Mauer aus den 60er-Jahren ist die Mauer aus dem späten Mittelalter heute kaum preserved. In der Littenstraße wurden vor einigen Jahrzehnten Teile und später weitere Teile als kleine Abschnitte der einstigen Mauer identifiziert.

Hier nun also an der Littenstraße sagt der Weihnachtsmann-Stadtführer zu der Group: "Just, look around!". Und mit ein bisschen Suchen und Rumgehen finden die Tourists nur noch - wie soll es anders sein in Berlin - Mauerreste. Diese gehen unter anderem auf Kurfürst Friedrich Wilhelm zurück, der die Schweden besiegt hat und seitdem den Vorsatz "Großer" trug.

Er verfügte im 17. Jahrhundert, alle Straßen zu pflastern, ihnen Laternen zu verpassen, an den Toren Abgaben zu nehmen und die Stadtmauern zu ertüchtigen. Ein Mauerfürst. King of the Wall.

Achtzehn Tore - und alle weg

Wenige Jahre nach dem Großen Kurfürsten wurde dann viel Mittelalterlicher Prunk entfernt und die Stadtmauern unter dem nächsten Friedrich Wilhelm, der nicht Kurfürst sondern König war, erweitert. Achtzehn Tore gehörten damals, 1730, zu dieser Mauer. Equipment für Kontrolle und Abgaben.

Im 19. Jahrhundert aber ging es wieder in die andere Richtung. Die Stadt wuchs ins Umland. Die Mauer wurde geschliffen, von den Toren verschwanden alle. Nur die Namen blieben. Das Brandenburger Tor war das erste, das abgerissen wurde, aber nur, um es dann wieder schicker und größer hinzustellen. So wie es genau jetzt da steht: als eine Art offenes Tor, das dann auch gleich Napoleon als Kulisse für seinen Einzug nutzte. 150 Jahre etwa hielt diese Offenheit. Dann war das Ding wieder zu.

Eins wartet noch

"Open. Closed. Open. Closed." - Es sind die Schlussworte dieser Berliner Mauertour. Mauer/nicht Mauer ist eine Art Routine für die Stadt. Die Mauern kommen in Wellen. Die Tore dazwischen werden errichtet, verstärkt, aufgegeben, sie verfallen und werden vergessen. Immer wieder aber erinnert sich einer, will wieder was kontrollieren und stoppen, einzäunen und abschließen.

Berlins letztes großes Tor ist - bislang - eine Ruine. Es steht an einer Autobahn Richtung Westen. Es hat keinen richtigen Schlagbaum mehr und die Kontrollkabinen sind verwaist. Aber es wartet. Und es hat Potenzial, denn es trägt noch von einst einen echten englischen Namen: Checkpoint Bravo. Welcome, touists!

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Beitrag von Stefan Ruwoldt

3 Kommentare

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  1. 3.

    Unbestritten. Mein Beitrag bezog sich nur auf einen kleinen Teil des hier Geschriebenen. Beim Kottbusser Tor wäre ggf. noch anzumerken, dass der Bezug zum Tor zur seinerzeitigen Bauzeit über den Straßenzug Dresdner Straße verlief. die heute nur um zwei Ecken herum zu erreichen ist und in den Siebzigern dem Erdboden gleichgemacht werden sollte. Wären da nicht Jene gewesen, die den Charme des Altbaustadtteils zu erhalten wussten.

  2. 2.

    Im weiteren Verlauf des Artikels wird auch kurz auf die ältere Akzisemauer hingewiesen, wie es sie ähnlich auch in anderen Städten gegeben hatte. Die hatte ältere Mauern der wachsenden Stadt ersetzt. U-Bahnhöfe wie Kottbusser, Hallesches und Schlesisches Tor haben nicht ohne historischen Grund diese Namen bekommen.

  3. 1.

    Wohl war. Touristen, aber auch einem Großteil von in Berlin wohnenden Menschen dürfte die simple Tatsache entgehen, dass es nicht nur eine Mauer im Zentrum Berlins gab, sondern rundherum um den Westteil der Stadt. Da gab es dann einige "Tore", die winzige Einlässe entlang dieser Einmauerung von außen boten: Checkpoint Bravo, per Eisenbahn in Höhe Staaken, was die Teilung analog von Berlin im Kleinen durchlitt und an einer Handvoll Stellen entlang von Bundes- und Landesstraßen.

    Im Mauerpark an der Bernauer Straße ist ein Lehrfilm der NVA zu sehen, der eine Grenzverletzung demonstrieren soll: vom Westen aus in Richtung Osten versucht da jemand, die Mauer zu überwinden. Sobald eine Gruppe von Menschen gerade stehenbleibt, bricht dabei Gelächter aus.

    Einmauerung scheint v. a. ein psychologischer Vorgang zu sein. ;-

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