Bündnis "Wir haben es satt" - Mehrere tausend Menschen demonstrieren in Berlin für ökologische Landwirtschaft

Sa 20.01.24 | 17:52 Uhr
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Demo "Wir haben es satt" am Samstag 20.01.24 in Berlin
Video: rbb|24 | 20.01.2024 | Linh Tran | Bild: rbb/Linh Tran

Seit Jahren demonstriert das Bündnis "Wir haben es satt" immer zur Grünen Woche für eine ökologische Landwirtschaft. In diesem Jahr allerdings prägen andere Bauernproteste die Agrarmesse.

Anlässlich der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin hat am Samstag das Bündnis "Wir haben es satt" auch in diesem Jahr für ökologische Landwirtschaft und Umweltschutz demonstriert.

Wie eine Polizeisprecherin dem rbb sagte, versammelten sich am Mittag mehr als 1.000 Menschen an der SPD-Zentrale in Kreuzberg. Anschließend zog ein Protestzug zum Kanzleramt, unterwegs kamen noch mehr Menschen hinzu. Vor der Regierungszentrale versammelten sich nach Veranstalterangaben dann rund 8.000 Menschen. Die Polizei sprach von 7.000 Teilnehmern in der Spitze. Aufgerufen zu der Demonstration hatte das Bündnis "Wir haben es satt!".

Mit zahlreichen Traktoren hatten sich Bauern aus der Region am Samstagmorgen auf den Weg nach Berlin gemacht. Rund 50 Fahrzeuge seien unterwegs gewesen, sagte eine Sprecherin des Bündnisses. Auf vier Strecken fuhren die Teilnehmer vom Stadtrand zum Messegelände in Westend. Dort übergaben Vertreter eine Protestnote mit dem Titel "Ungerechtigkeit und Hunger stoppen - bäuerliche Rechte weltweit stärken" an den Agrarminister Cem Özdemir (Grüne). Darin wird auch ein zu zaghaftes Vorgehen der Bundesregierung etwa bei der Planungssicherheit und Finanzierung für einen Umbau der Tierhaltung hin zu besseren Bedingungen kritisiert.

Papier für Özdemir, Demo vor der SPD-Zentrale

Özdemir nahm die Forderungen der Demonstranten entgegen. In Berlin tagte am Samstag auch eine internationale Agrarministerkonferenz unter dem Vorsitz Özdemirs. Der Grünen-Politiker warb dort um Unterstützung dafür, jetzt lange liegen gebliebene Themen anzugehen - auch als Konsequenz aus den Bauernprotesten gegen den Abbau von Subventionen. "Helft mir, dass wir die Sachen mehrheitsfähig kriegen", rief er. Özdemir wies darauf hin, dass eine Anschubfinanzierung für den Tierhaltungsumbau und ein staatliches Tierhaltungslogo schon beschlossen worden seien.

Vor dem Kanzleramt wurde in Rednerbeiträgen vor allem das Vorgehen von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kritisiert. Hupen, Trommeln und Dudelsackmusik begleitete den Protest unter dem Motto "Gutes Essen braucht Zukunft - für eine gentechnikfreie, bäuerliche und umweltverträgliche Landwirtschaft!".

Eine Teilnehmerin der "Wir haben es satt"-Demo für die Stärkung ökologischer Landwirtschaft am 20.01.2023 vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin (Quelle: rbb / Tran).
Die Demo vor dem Willy-(nicht Willi)Brandt-Haus. | Bild: rbb / Tran

Abschluss vor dem Kanzleramt

Milana Müller, Landwirtin aus dem Erzgebirge, sprach sich unter anderem gegen eine Deregulierung der Gentechnik durch die EU-Kommission aus. Es müsse verhindert werden, dass künftig Gentechnikpflanzen ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung zugelassen werden. Die Sprecherin von "Fridays for Future", Luisa Neubauer, warnte vor einem ökologischen Zusammenbruch. Die notwendige Transformation von Landwirtschaft, Industrie und Energieerzeugung sei ohne zusätzliche Investitionen nicht möglich, sagte Neubauer angesichts der Sparpolitik der Bundesregierung. Der Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser forderte von der Bundesregierung eine sozial gerechte Agrarpolitik. Bäuerinnen und Bauern müssten angemessen honoriert werden, wenn sie Artenvielfalt und Klima schützen und das Tierwohl verbessern, sagte Kaiser.

Auf Transparenten von Teilnehmern war unter anderem zu lesen "Bäuerinnenland gehört in Bäuerinnenhand", "Essen ist politisch!" oder "Bauern vor Konzerninteressen". An einem anderen Traktor war auf einem Laken in bunter Schrift zu lesen "Rechte Rüben Unterpflügen" - wohl in Anspielung darauf, dass zuletzt auch von rechtspopulistischer Seite zur Teilnahme von Bauernprotesten aufgerufen worden war.

Bündnis fordert Unterstützung von Ampel-Koalition

Inka Lange, Sprecherin des Bündnisses sagte, der "agrarpolitische Stillstand der vergangenen Jahrzehnte" müsse beendet werden. Eine ökologischere und bäuerliche Landwirtschaft sei die Basis für ein umweltverträgliches und krisenfestes Ernährungssystem.

Claudia Gerster, Bäuerin und Mitglied im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, kritisierte, die jahrzehntelange exportorientierte agrarpolitische Ausrichtung habe die Preise auf den Höfen ruiniert und das Höfesterben vorangetrieben. Die Bauern bräuchten einen politischen Rahmen, um kostendeckende Preise gegenüber Lebensmittelindustrie und Einzelhandel durchsetzen zu können sowie wirtschaftliche Planungssicherung für den Umbau der Tierhaltung. "Klimaschutz, Tierwohl und Artenvielfalt können wir, diese Arbeit muss aber entlohnt werden."

Grüne Woche geprägt von Bauernprotesten

Seit mehr als zehn Jahren demonstriert das "Wir haben es satt"-Bündnis zum Auftakt der Grünen Woche. Getragen wird es unter anderem von Tierschutz- und Umweltorganisationen sowie ökologisch geprägten Landwirtschaftsverbänden.

Die Grüne Woche wurde am Freitag eröffnet. Die 88. Ausgabe der Messe steht unter dem Eindruck der anhaltenden Bauernproteste gegen den Abbau von Subventionen. Am Eröffnungstag protestierten vor dem Messegelände rund 200 Landwirte.

Der Unmut der Bäuerinnen und Bauern wurde zuletzt bei den Protesten in Berlin und Brandenburg deutlich. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Landwirte nach der Wende in dieser Art und Weise ihren Unmut gegenüber der Politik zum Ausdruck gebracht haben", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied über die Protestwoche. Sollten die geplanten Kürzungen beim Agrardiesel nicht zurückgenommen werden, gingen die Landwirte wieder auf die Straße.

Für Einsparungen im Haushalt 2024 soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardiesel-Begünstigung zurückgenommen werden. Ursprünglich sollte die Hilfe sofort in Gänze wegfallen - nun soll sie über drei Jahre auslaufen. Eine zunächst geplante Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge hat die Regierung inzwischen fallengelassen.

Sendung: Radioeins, 20.01.2023, 08:00 Uhr

65 Kommentare

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  1. 65.

    Genau richtig! Hätte ich nicht besser beschreiben können.

  2. 64.

    Wer sagt, dass ich gegen Subventionen der Landwirtschaft generell bin?

    Gerne Subventionen für Wiedervernässung, Grün und Strauchstreifen, zum Hochwasserschutz, zur Grundwassermehrung, extension Bewirtschaftung von Flächen (zb klassisch Heu, statt Maismonokulturen als Kraftfutter), mehr Tierwohl, Stallumbau, sogar bei Maschinen z.B Unkrautzupfmaschinen, oder auch Agri-PV, gibt so viel mit Mehrwert für die Gesellschaft statt Gießkannensubvention.

  3. 63.

    Weil es die anderen Staaten nicht anders machen.
    „Ohne Subventionen könnten die wenigsten Landwirtschaftsbetriebe in der Europäischen Union überleben. Doch die Unterschiede zwischen den Ländern sind groß.“
    Das Ganze ist dann so kompliziert und verschachtelt … das übersteigt mein Verständnis bei weitem… aber mein Job ist auch ein anderer … darum überlasse ich sowas den Profis.
    Und darum kann man halt nicht einfach mal an einer Schraube (CO2 Abgabe) drehen und alles wird gut… vor allem nicht von heute auf morgen.

  4. 62.

    Diese Aktion halte ich für völlig nutzlos. Entsprechende Lebensmittel sind auch heute schon auf dem Markt verfügbar. Wer hinter dieser Überzeugung steht, hat also die Möglichkeit diese Lebensmittel zu erwerben. Wenn alle nur noch diese Lebensmittel kaufen ändert sich die Produktion von ganz alleine. Letztlich regelt sich der Markt von selbst.
    Da die Interessen diese Aktion sich jedoch bis heute nicht durchgesetzt haben, scheint das Interesse letztlich nur von einer kleinen Gruppe aus zu gehen.

  5. 61.

    Nun da irren Sie sich! Bei weniger Fleischkonsum und allgemeiner Ernährungsumstellung wäre einiges möglich! Waldgarten
    zum Bsp: 1m² Korn = 800g Brot cirka .;), 1 große Eiche braucht ca 400m² und kann bis zu 3 Tonnen Eicheln produzieren, selbst 1 Tonne minus Verschnitt, Hülse, auskochen etc wird mehr bringen. Bei Buchen ist es weniger aber immernoch mehr als bei Getreide. Zudem braucht ein Wald als funktionierendes Ökosystem weder Bewässerung noch Dünger oder permanentes Befahren, ebendso keine Pesti-Herbi-oder Fungizide. Zudem bieten Strauch- und Krautzone weitere Nutzungsmöglichkeiten. Beerenobst, Nüsse, Kräuter, Gemüse, Pilze uvm.
    Wird aber nicht gemacht! Weil Landwirtschaft mittlerweile hochkompplex mit anderen Wirtschaftszweigen zusammen hängen (Treckerbauer/Chemieindustrie), weil die Bauern dadurch in wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden und weil die etablierten Parteien nunmal mit Lobbyisten der oben genannten Wirtschaftszweige arbeiten müssen/wollen!

  6. 60.

    Warum der Staat die Produktion und den Export von Fleisch, Zucker, Kartoffeln subventionieren soll?

  7. 59.

    Wow eine beachtliche Zahl an alternativen Fakten.

    Welcher Youtube Proffessor hat die Ihnen denn beigebracht?

  8. 58.

    Wenn man sich mit den Teilnehmern der Demos unterhält, wird einem sehr oft eine einzige Sparmöglichkeit genannt, die alles regeln könnte. Die wäre allerdings sehr einschneidend und wird daher nie laut gesagt!

  9. 57.

    Wo sind denn nun die Traktoren, welche letztens noch laut hupend durch das Land gerollt sind? DAS ist eine Demo für die Landwirtschaft! DIESE Forderungen kann ich nachvollziehen!
    Der ganze Rümpel mit den Traktoren vorher ist nur für Großbauern und konventionelle Landwirte gewesen, welche sich einen Dreck um die Umwelt scheren und weiterhin Glyphosat und Roundup in die Natur pumpen wollen um mehr Profit zu machen!

  10. 56.

    Unheimlich, auch die grün gefärbten demonstrieren mit Trekkerparaden, ich weiß nicht was ich denken soll

    Ob sie zumindest vernünftigerweise nicht hupen?

  11. 55.

    Wenn wir nicht für Kleinbauern und nachhaltige Landwirtschaft eintreten und demonstrieren, werden wir bald nur noch Flächen zum Anbau von BioKraftstoffen und Erzeugung von Energie haben. Keine Ahnung, was wir dann noch essen wollen. Algen mit Plastikgeschmack?

  12. 54.

    Die Menschen protestieren täglich an den Ladentheken was sie wollen. Genau wie täglich zig Tausende Autofahrer mit ihrer Präsenz für das Autofahren protestieren.
    Wenn ihr etwas wollt, macht es für euch und zwingt es nicht anderen auf. Euch zwingt ja auch niemand Eisbein und Buletten zu essen. Vor allem nennt eure chemisch hoch verarbeiteten, überwürzten Tofuimmitate nicht Schnitzel oder Hühnchen. Seit erstmal konsequent mit euch selber.

  13. 53.

    Mit ökologischer Landwirtschaft kann man keine 8 Milliarden Menschen ernären. Findet endlich zu den Realitäten zurück. Elektroautos haben ihren CO2 Abdruck noch nicht neutralisiert, da ist schon der nächste Akku fällig. Windräder und Solarzellen sind Sondermüll. Vonovia kann seine Wärmepumpen nicht in Betrieb nehmen, weil der Strom nicht reicht. Hertz schwenkt wieder auf Dieselfahrzeuge. Die Bundesnetzagentur hat den KKW untersagt irgendetwas stillzulegen etc. Wacht doch endlich mal aus eurem Kinderbuchmärchen auf. Fragt ihr euch nie vovon Peter Lustig die Grundsteuer + eventuell Pacht für seinen Garten mit Bauwagen bazahlt? Sein Essen, seine ganzen Projekte? Seinen Traktor, sein Benzin? Bewässerung? Er geht ja offensichtlich nicht arbeiten, genau wie sein Nachfolger Fuchs. Es ist einfach alles da.

  14. 52.

    Ach ja Demos...ihr mit euren Demos.... seit zwanzig Jahren Demos.... Demos bringen einen ....., wenn die demokratie von Lobbyisten angeführt wird! aber wenigstens dürfen wir.... danke....

  15. 51.

    Dann betrachten wir das nächste Problem…
    Fleisch, Kartoffeln, Zucker und Milch wird hier soviel produziert, dass man es exportiert… mit höherem CO2 Preis fällt das dann weg, lohnt sich nicht mehr.
    Getreide… Verbrauch vs. Erzeugung… Mais 59% und Hartweizen 15%… Obst und Gemüse… 1/3 Gemüseverbrauch wird heimisch gedeckt… 1/5 Obstverbrauch wird heimisch gedeckt.
    Und wenn sie Landwirtschaftliche Produkte verlassen wird man auf sehr viel verzichten müssen bzw. die Sachen werden sehr teuer.
    Einfach mal schnell den CO2 Preis zu erhöhen dürfte für erhebliche Probleme sorgen… da wird man wohl noch einiges mehr machen müssen und das wird eben bicht von heute auf morgen gehen… der wirtschaftliche Kreislauf ist auch nicht entstanden weil jemand sagte „ab morgen machen wir es anders als bisher“

  16. 50.

    ....dann demonstriert mal in Brüssel, gegen den Glyphosatbeschluss, der für weitere 10 genehmigt wurde....

  17. 49.

    Das Thema mit den Lageräpfeln ist bekannt, keine Sorge.

    Deswegen gilt zu regional eben auch saisonal.

  18. 48.

    Nee, SIE verstehen nichts! Wir verbrennen seit 200 Jahren Gas, Holz, Kohle Öl in Unmengen! Wer waren seit Beginn der Industrialisierung die wirtschaftlich führenden Länder? EN, FR, DE, USA …
    Da lebten Inder und Chinesen noch im Mittelalter! Die holen nur jetzt nach, was nur für uns reserviert war. Und dass unser Leben immer teurer wird, ist mehr als gerecht. Unser Wohlstand basiert auf Ausbeutung der dritten und vierten Welt! Kolonialismus früher, Globalisierung gegenwärtig. Oder weshalb führen die meisten Lieferketten nach SO-Asien? 90 % Ihrer billig bestellten/gekauften Elektronik und Klamotten kommt von dort. Alle regen sich über Armutsmigration auf.
    Indien und andere arme Länder haben übrigens immer die niedrigsten Ecological Footprints.

  19. 47.

    Matze 20.01.2024 | 14:21
    Europa hatte bis vor wenigen Jahren, mit Deutschland den höchsten CO2 Ausstoß.
    Eine CO2- Bepreisung hilft nicht viel?
    Die wenigen Ländern die keine CO2-Bepreisung vorweisen, die stehen mit der Industrie weit hinten dran. Sie sind deswegen nicht untätig, sie versuchen zum Bsp. die (Regen) Wälder auch für uns zu retten. Ich würde die CO2-Bepreisung nicht als künstliches Konstrukt bezeichnen. Das Land das mit ihrer Industrie und Wirtschaftswachstum das Klima geschadet hat, wird somit eine CO2- Bepreisung anordnen.






  20. 46.

    Der CO2-Ausstoss in D ist seit 1990 um ca. 40% gesunken, global aber massiv gestiegen. Alles, was wir einsparen, wird durch andere in der Welt überkompensiert. Als Ausgleich wird bei uns das Leben immer teurer und das Öl oder Gas verbrennt eben jemand anderes. Versteht aber nicht jeder.

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