Im Auftrag der rbb-Personalvertretungen - Gutachten bezeichnet Wahl der neuen rbb-Intendantin als "rechtswidrig"

Do 28.09.23 | 19:22 Uhr
rbb Standort Potsdam - Eingangsbereich (Quelle: rbb/Thomas Ernst)
Audio: rbb24 Inforadio | 28.09.2023 | Nachrichten | Bild: rbb/Thomas Ernst

Laut einem juristischen Gutachten wurde die Wahl zur neuen Intendantin des rbb von gravierenden Mängeln bestimmt. Kritisiert wird insbesondere die Arbeit der Kontrollgremien. Der rbb sieht keinen Grund für Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Wahl.

Ein juristisches Gutachten, das im Auftrag der rbb-Personalvertretungen angefertigt wurde, stellt gravierende Mängel bei der Wahl zur neuen Intendantin des Senders fest.

Demnach kam es während der Vorbereitung und Durchführung der Wahl zu zahlreichen formalen und inhaltlichen Fehlern. Nur eine Neuwahl könne den "eingetretenen rechtswidrigen Zustand beheben", heißt es darin. Dem Gutachten zufolge wurden die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen bei der Berufung der neuen Intendantin in rechtlich unzulässiger Weise beschränkt.

Die Auswahl der zugelassenen Bewerberinnen und Bewerber sei unprofessionell und chaotisch abgelaufen. Außerdem sei das Recht auf Chancengleichheit aller Bewerber:innen verletzt worden, heißt es. Die Vorsitzenden von Rundfunkrat und Verwaltungsrat des rbb seien mit ihren Ämtern offensichtlich überfordert und müssten abberufen werden.

rbb hat keine Zweifel an Rechtsmäßigkeit der Demmer-Wahl

Der rbb teilte mit, das Gutachten am Mittwoch erhalten zu haben und es jetzt zu prüfen. "Der Sender hat keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl von Ulrike Demmer. Die Wahl wurde unter Anwesenheit der Rechtaufsicht durchgeführt, die ebenfalls keinerlei Beanstandungen geäußert hat", heißt es in einer Stellungnahme.

Wie tragfähig die Schlussfolgerungen des Gutachtens sind, sei abzuwarten. Nach erster Durchsicht erkenne der rbb allerdings weder neue Argumente oder neue Aspekte, vielmehr ergeben sich bereits jetzt ernsthafte Zweifel an der juristischen Haltbarkeit der dort gefundenen Ergebnisse. Der Ton trage nicht zur Versachlichung der Debatte ein, sondern arbeite bewusst mit Zuspitzungen und Polemik.

Verstoß gegen Gebot der Staatsferne

In dem Gutachten wird weiterhin kritisiert, dass ein vierter Wahlgang abgehalten wurde. Im dritten Wahlgang hatte Demmer die notwendige Mehrheit verfehlt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt die einzige verbliebene Kandidatin gewesen war.

Zudem sei bei der Auswahl nicht beachtet worden, dass Ulrike Demmer – seit Anfang September rbb-Intendantin – wichtige Anforderungen für das Amt nicht erfülle, so das Gutachten. Ihre Position als Sprecherin der Bundesregierung zwischen 2016 und 2021 verhindere, dass Demmer die verfassungsrechtlich gebotene Staatsferne garantieren könne.

Zudem wird in dem Dokument kritisiert, dass sich Dietmar Woidke in seiner Funktion als Ministerpräsident von Brandenburg vor der Wahl per Brief an den Verwaltungsrat gewendet hatte. Dieses Gremium ist für den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Intendantin verantwortlich. Woidkes Brief stelle eine Verletzung der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dar, heißt es in dem Gutachten.

Erstellt wurde das Gutachten von Marcus Schladebach, Professor für Öffentliches Recht und Medienrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam. Sabine Jauer, rbb-Personalratschefin, teilte mit, es sei notwendig dieses Findungsverfahren aufzuarbeiten, um daraus für die Zukunft die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Demmer: rbb darf nicht erneut zum Stillstand kommen

rbb-Intendantin Ulrike Demmer erklärte, das gesamte Wahlverfahren sei von starken Emotionen begleitet worden. "Es ist richtig, wenn damit zusammenhängende Rechtsfragen nüchtern geprüft werden. Ich habe einen transparenten und konstruktiven Dialog versprochen und begonnen. Diesen Weg werde ich mit dem rbb auch weitergehen, um das Beste für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer zu bewirken." Der rbb dürfe nicht erneut zum Stillstand kommen. Die strukturellen, politischen und finanziellen Herausforderungen seien dafür zu groß.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.09.2023, 17:30 Uhr

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