Kampf gegen Elektroschrott - Berliner Senat will Reparaturen von Elektrogeräten künftig belohnen

Do 11.04.24 | 21:28 Uhr | Von Sabine Müller
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Symbolbild: Reparatur von alten Elektrogeräten. (Quelle: picture alliance/Paul-Philipp Braun)
Video: rbb24 Abendschau | 11.04.2024 | L. Schwarzer | Bild: picture alliance/Paul-Philipp Braun

Viele Elektrogeräte landen im Müll, wenn sie Defekte aufzeigen. Der Berliner Senat will ab Sommer einen Bonus zahlen, wenn kaputte Geräte wieder instand gesetzt werden. In Thüringen und Sachsen laufen solche Projekte bereits erfolgreich. Von Sabine Müller

Es ist ein ruhiger Donnerstagnachmittag im Reparaturcafé "Helle Bürgerwerkstatt" in Marzahn-Hellersdorf. Neue Kunden sind gerade nicht da, deshalb kümmert sich Matthias Zwerschke, Elektriker im Ruhestand, um die Aufträge, die er schon auf dem Tisch hat. Gerade schraubt er an einem Rauchmelder herum, der nicht mehr funktioniert. Im Reparaturcafé sind Ehrenamtliche tätig, am liebsten gemeinsam mit den Besitzerinnen und Besitzern der kaputten Geräte.

Er habe schon als Kind gerne Dinge auseinandergenommen und repariert, sagt Zwerschke. "Weil Wegschmeißen doof ist. Dabei wird immer eine Ressource vergeudet. Wenn ich’s reparieren kann, muss nichts Neues gebaut werden."

Zwerschke werkelt an kleinen Dingen wie dem Rauchmelder, aber auch an großen Geräten wie dem 27 Jahre alten Kühlschrank eines schwerbehinderten Rentners, den sie bis in die Werkstatt schleppten. Letztlich fehlte nur ein neuer Trafo für knapp sechs Euro. Der Rentner hatte Tränen in den Augen, als er den reparierten Kühlschrank zurückbekam und Zwerschke war zufrieden: "Wenn sie dann ihre Sache, ihr Gerät, was sie schon so lange benutzt haben, wieder benutzen können, das ist richtig cool."

Reparaturcafés wie das in Marzahn-Hellersdorf könnten bald mehr zu tun haben, wenn der Berliner Reparaturbonus wie geplant im Sommer kommt.

Reparatur-Prämien schon in Thüringen und Sachsen möglich

"Wir alle haben ein Interesse daran, dass wir Ressourcen, die endlich sind, gut und so lange wie möglich nutzen", sagt Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) dem rbb. Deshalb soll finanziell belohnt werden, wer seine kaputten Elektrogeräte reparieren lässt, anstatt sie wegzuwerfen. Den Reparaturbonus soll es für "haushaltsübliche Elektrogeräte" geben - also etwa Kaffeemaschinen, Geschirrspüler, Bügeleisen oder Waschmaschinen. Eine genaue Liste komme später. Laut Schreiner würden Handys und Laptops allerdings nicht darauf festgehalten.

Die finanziellen Details werden gerade noch verhandelt. Im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses nannte Staatssekretärin Britta Behrendt am Donnerstag erste Rahmendaten. Wer ein kaputtes Gerät von einem Fachbetrieb reparieren lässt, kann vermutlich etwa die Hälfte der Rechnungskosten erstattet bekommen. Allerdings nicht unbegrenzt, sondern bis zu einer festgelegten Maximalhöhe. Im Gespräch sind 75 bis 200 Euro.

Senatorin Schreiner sagt, die Summe solle hoch genug sein für einen "schönen Anreiz" zur Reparatur - aber niedrig genug, um aus dem begrenzten Finanztopf möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern Geld auszahlen zu können.

Neben einer Obergrenze soll es auch eine Untergrenze geben, also keinen Bonus bei billigen Kleinst-Reparaturen. Bei welcher Summe diese Bagatellgrenze angesetzt wird, ist noch unklar. In Thüringen und Sachsen, wo es den Reparaturbonus schon gibt, muss die Rechnung mindestens 50 beziehungsweise 75 Euro betragen

Ohne Einzelheiten zu nennen, kündigte Staatssekretärin Behrendt eine Sonderregelung für Reparaturcafés an. In Thüringen etwa gilt, dass die Bagatellgrenze dort nur halb so hoch ist. Denn dort müssen keine Arbeitsstunden bezahlt werden, sondern nur die Ersatzteile. Statt einer Rechnungshöhe ab 50 Euro gibt es den Bonus dann schon ab 25 Euro.

Schnell und unkompliziert

Das Verfahren, um den Reparaturbonus zu bekommen, soll möglichst "bürokratiearm" sein, verspricht Schreiner. Alles komplett online und ganz einfach – das ist das Ziel. Konkret wird die Senatorin auch dabei nicht. Gerade verhandelt ihr Haus noch mit dem externen Dienstleister, der die Organisation übernehmen soll.

Eine Website soll darüber informieren, wo die Bürgerinnen und Bürger ihre kaputten Geräte reparieren lassen können. Im Haushalt sind für dieses und nächstes Jahr jeweils 1,25 Millionen Euro für das Projekt eingeplant. Wenn alles läuft wie geplant, soll es mit dem Reparaturbonus im dritten Quartal losgehen. Ob es gleich zum 1. Juli klappt, darauf will sich die Umweltverwaltung nicht festnageln lassen.

Julia Schneider, Grünen-Fraktionsvize und Sprecherin für Umweltpolitik, findet den Zeitplan "sehr sportlich". Zumal der Auftrag für die Organisation des Projekts ausgeschrieben werden müsste, wenn sie nicht Akteure wie die Verbraucherzentrale oder die Investitionsbank Berlin übernähmen, so Schneider zum rbb.

So läuft es bei den Vorbild-Projekten

In Sachsen, wo seit November 2023 ein Reparaturbonus gezahlt wird, wurden mit Stand Anfang April 6.751 Anträge auf Reparaturbonus bewilligt, Kosten: 714.470 Euro. Auch Thüringen wurden bei der zuständigen Verbraucherzentrale gerade zu Beginn jeder Förderphase Tausende Anträge eingereicht. Seit 2021 wird dort der Bonus angeboten.

Erik Poppe vom Fraunhofer Institut untersucht die Auswirkungen des Reparaturbonus in Thüringen und sagt: "Es lohnt sich." Von 2021 bis 2023 seien durch das Projekt in Thüringen 250 Tonnen Elektroschrott und geschätzt 2.000 Tonnen CO2 eingespart worden. Das entspricht in etwa dem CO2-Fußabdruck von knapp 100 Menschen in dieser Zeit.

Grüne fordern Liste der erlaubten Geräte zu erweitern

Im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses gab es bei der ersten Präsentation der Pläne am Donnerstag aus allen Parteien Zustimmung für das Projekt. Aber auch Fragen nach der genauen Ausgestaltung. Die Grünen appellieren an Schreiner, die Liste der zulässigen Geräte noch mal zu überdenken. Fraktionsvize Julia Schneider fordert, Mobiltelefone mit aufzunehmen. In Thüringen hätten sie ein Drittel der reparierten Geräte ausgemacht.

Erik Poppe vom Fraunhofer Institut wäre eine dauerhafte und höher angesetzte Finanzierung des Reparaturbonus wichtig. Denn der Geldtopf sei meist leer, bevor alle, die den Bonus wollten, zum Zug gekommen seien. "Das sorgt dann für Frust und Ärger, wenn keine Anträge mehr gestellt werden können."

Die Grüne Julia Schneider sieht im Reparaturbonus dagegen nur eine Übergangslösung auf dem Weg zur Reparaturgesellschaft. Sie hofft, dass künftig mehr Produkte überhaupt reparierfähig designt werden, wenn die EU wie angekündigt demnächst ein Recht auf Reparatur beschließe.

Aktuell sei bei drei Viertel der kaputten Elektrogeräte gar keine Reparatur möglich, sagt Wissenschaftler Poppe. Etwa weil Teile so verklebt oder verschweißt seien, dass sie nicht voneinander zu trennen seien.

Matthias Zwerschke im Reparaturcafé in Marzahn-Hellersdorf glaubt, dass in Zukunft mehr Menschen mit kaputten Haushaltsgeräten vorbeikommen. "Es wird mehr drüber gesprochen und vielleicht denkt der ein oder andere darüber nach, sich seine Sachen reparieren zu lassen, anstatt sie wegzuschmeißen." Zwerschke freut sich auf den Start des Reparaturbonus-Programms – auch wenn für ihn dann wohl mehr zu tun ist.

Sendung: rbb 88,8, 11.04.2024, 13:33 Uhr

Beitrag von Sabine Müller

48 Kommentare

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  1. 48.

    Für Arme – davon gibt es hier sehr viele – sind 50 € keine Bagatellgrenze. Gerade sie auszuschließen, wäre unfair und diskriminierend.

  2. 47.

    Meine Bezzera Magic ist auch kaputt, kann ich die auch dort reparieren lassen? Müßte aber abgeholt werden, hab kein Auto. Und hab auch sonst nix.

  3. 46.

    Auch bei Rauchmeldern können die Batterien gewechselt werden. Diese Wegwerf-alles-muss-neu-Mentalität ist grauenhaft.

  4. 45.

    "Dann kam der Westen und erklärte dem Osten- "musste neu kaufen, gibt doch jetzt alles, hau weg den alten Mist!"...... und der Ostler, wollte wieder nichts verkehrt machen, warf den alten "Mist" weg und kaufte neu nur um festzustellen, daß das "Neue" auch meistens nur billiger Schrott war! "

    Geschichten aus dem Wienerwald... oder so ähnlich.

    Der Ossi wollte eben die tolle, bunter Glitzerware aus dem Westen, nur wenige Kluge haben sich nicht von dem Hype anstecken lassen.

  5. 44.

    Genial. Ich repariere ohnehin alles selbst, was ich besitze. Dann kaufe ich künftig Ersatzteile, gehe in ein Repaircafe mit meinem Kram und repariere es dort. Dann gibt’s ne Bestätigung und ich kann mir die Hälfte der Ersatzteilkosten ersetzen lassen. Das gefällt mir.

  6. 43.

    Und exakt Leute wie Sie sind es, die nicht nachhaltig agieren. Erhalten ist besser als wegwerfen und immer neu kaufen. Und Waschmaschinen in dem von Ihnen beschriebenen Preissegment sind von Anfang an nicht nachhaltig. Insofern ist Geiz echt ungeil.

  7. 42.

    Zwerschke werkelt an kleinen Dingen wie dem Rauchmelder? Feuermelder müssen Sicherheit bieten!
    Also der ganze Aufwand für einen Rauchmelder dürfte übertrieben sein. Alte Rauchmelder halten nicht für alle Ewigkeit.
    Kleine Rauchmelder sind nicht teuer, da lohnt es sich nicht das hinbringen und abholen vom Gerät, falls man ein Auto o. ä. dazu braucht. An ein bisschen mehr Marketing wird dabei schon gedacht, Ersatzteile sind bei alten Geräten oft nicht mehr zu bekommen. Ehrenämter können den Abfallberg nur mildern aber nicht von der Welt schaffen, wenn anderer unnötiger Müll weiter produziert wird zum konsumieren.

  8. 41.

    Wie Fr. Schreiner allein hier erfahren dürfte, ist der Bedarf weit mehr als nur ein Hobby begabter Ehepartner (falls das dann so ist) zu verstehen, sondern ich sehe den handfesten Bedarf u.zwar in jedem Stadtbezirk. Ich glaube so manchem älteren Bürger wäre es lieber, wenn er da in seinem Stadtteilzentrum nicht nur Romme spielen könnte, sondern, wenn wir dahin kommen, dass einem geeigneten Zentrum, das auch nicht jwd liegen sollte, eine Reparaturwerkstatt angegliedert/ausgebaut werden würde. Man kann die Bürger aufrufen, Material zu spenden, das die Anforderung erfüllt, dass der Spender es auch selbst einbauen ließe. Denn schließlich will ich nicht den Grundstein fordern, dass dann etwa "Gerümpelbuden" entstehen. Also, Verantwortung auf beiden Seiten!
    Ich habe bisher(!)sehr gute Erfahrungen gemacht, denn es waren in der Tat einf. Reparaturen, v.a.Neukauf eingespart. Aber der Ort lag versteckt, auch zieml. entfernt von der Haltestelle, dazu noch eng begrenzte Öff-Zeiten - leider!

  9. 40.

    Dreck und Graffiti haben nichts mit " grün regiert" zutun. Das ist schon viel älter. Aber ich würde Sie engagieren als Handwerker. Das stimmt, in der Ex DDR wurden die Menschen exzellent ausgebildet.Und die Fachliteratur war ebenfalls exzellent.

  10. 39.

    Unter fachkundiger Anleitung von Fachkräften. Also mit dem Lesen klappts bei einigen auch nicht so richtig. Das ist übrigens in jedem Repaircafé so, dass man sowas nicht ohne Anleitung und folgender Kontrolle auf Funktionalität durchführt, durchführen darf. Sollte auch einleuchten, aber scheinbar gibt's hier viele, die nicht weiter denken können als bis zum Brett und alles eins zu eins hier zu interpretieren meinen zu müssen, um nur was zum Meckern zu haben.

  11. 38.

    Mir wird nicht klar, warum das Land Berlin dafür Geld ausgeben möchte?
    Gäbe es nicht dringendere und naheliegendere Dinge, wie Wohnungsbau, Infrastruktur, Ausbau der Öffis etc.?

  12. 37.

    Mal davon abgesehen das elektronische Geräte heute so gebaut werden dass sie nur bestimmte Zeit halten, frage ich mich ob das funktioniert ?!
    Meine Waschmaschine ist vor kurzem kaputt gegangen die Reparatur hätte ca. 200€ gekostet, dafür bekomme ich bei Otto Versand eine neue Waschmaschine.
    Das hat nichts mit "Geiz ist geil" zu tun sondern mit Angebot und Nachfrage. Fernsehreparaturen sind sehr teuer. Man muss Anfahrt bezahlen und.s.w. Das Lohn nicht.

  13. 36.

    Wieder eine tolle Idee aus der Politik ohne bis zum Schluss nachzudenken. Wer soll denn bitte die Anträge bearbeiten, wo schon jetzt Personalknappheit besteht? Alle jammern über die zunehmende Bürokratie, aber anstatt vorhandene Gesetzesvorschriften zu vereinfachen, werden es immer mehr und die armen Mitarbeitenden in den Behörden dürfen das ausbaden. Kein Wunder, dass der öffentliche Dienst ständig unattraktiver wird.

  14. 35.

    Ein Elektriker, der sich im Repaircafé um Reparaturen von defekten E-Geräten kümmert ist für Sie ein Amateur? Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Und es wird nirgends im Bericht empfohlen, Elektrogeräte ohne entsprechende Kenntnisse selbst zu reparieren.

  15. 34.

    Ein Elektriker, der sich im Repaircafé um Reparaturen von defekten E-Geräten kümmert ist für Sie ein Amateur? Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Und es wird nirgends im Bericht empfohlen, Elektrogeräte ohne entsprechende Kenntnisse selbst zu reparieren.

  16. 32.

    Keine Sorge, bei unserem Nachbarn ist die relativ neue Waschmaschine in Brand geraten, und hat das halbe Bad abgefackelt. Und an der wurde definitiv nicht herumgebastelt. Und nu?

  17. 31.

    Und die Leute im Repaircafe sind Laien? Ich würde meine Geräte eher dort zum reparieren hinbringen als mich von Reparaturfirmen teuer ausnehmen lassen. P.S. mein Mann arbeitet im Repaircafe (Ingenieur), dort arbeiten also Leute, die Ahnung haben, sonst wären diese Cafés schon längst verboten.

  18. 30.

    Wieviele Bundestrainer hat Deutschland? So kommt mir das hier vor...! Keene Ahnung von nüscht, aber zu allem eine Meinung. Ich konnte hier in den Kommentaren nicht erkennen, dass hier irgendjemand nur einen Funken von einer Idee hat, wie so ein Repair Café funktioniert. Internet kann übrigens mehr als Kommentartextboxen zur Verfügung zu stellen. Also, vielleicht erstmal recherchieren und dann Kopp zu.

  19. 29.

    Sie haben den Artikel allerdings auch nicht richtig gelesen. Es geht auch um Reparaturcafes, wo Laien, an defekten Elektrogeräten basteln sollen. Sollten die dann Fehlerhafte Arbeit leisten hat der Kunde im Schadensfall das nachsehen oder die Kosten, falls es zum Beispiel zu einem Brand kommen sollte. Daher gehören Elektroarbeiten immer in die Hände einer Fachwerkstatt, die dafür auch eine Gewährleistung übernehmen muss.

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