Berlin Dreitägiger Warnstreik an Berliner Schulen startet
An Schulen in Berlin droht erneut Unterrichtsausfall - und dieses Mal sind auch Prüfungen betroffen: Die Gewerkschaft GEW ruft ab Dienstag zu einem Warnstreik auf, mit drei Tagen soll dieser so lang sein wie noch nie. Von Schülerseite gibt es Kritik.
In dem seit zwei Jahren schwelenden Konflikt um kleinere Klassen an Berliner Schulen verschärft die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ihre Gangart. Ab Dienstag ruft sie Lehrkräfte, Sozialpädagogen und Schulpsychologen zu einem dreitägigen Warnstreik auf.
Die GEW will mit dem Ausstand ihre Forderung unterstreichen, das zahlenmäßige Verhältnis von Schülern zu Lehrkräften an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen zu reduzieren und das in einem "Tarifvertrag Gesundheitsschutz" verbindlich zu regeln, wie sie mitteilte.
Bereits mehrfach hatten die Gewerkschaftsvertreter die angestellten Lehrerinnen und Lehrer in Berlin zu Warnstreiks aufgerufen. Bislang waren diese jedoch nur einen beziehungsweise zwei Tage lang.

Berliner Lehrkräfte fordern kleinere Klassen und streiken deswegen ab Dienstag für drei Tage. Eine Mutter aus Friedrichshain findet die Forderung zwar richtig, sagt aber auch: Durch ständige Streiks bleibt mehr Arbeit an den Eltern hängen. Ein Gesprächsprotokollmehr
Bildungssenatorin: Forderungen nicht zu erfüllen
Die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sagte am Dienstagmorgen dem rbb, dass sie die Botschaft verstanden habe. Sie könne die Forderungen aber nicht umsetzen. "Mir fehlen hunderte Lehrer und tausende Schulplätze", so Günther-Wünsch bei Radioeins. Es seien deshalb andere Entlastungen angeboten worden, um den Streik abzuwenden. Dazu zählten unter anderem zusätzliche Verwaltungs- oder IT-Kräfte.
Bei einem gemeinsamen Gespräch mit der GEW hatte Günther-Wünsch bereits in der vergangenen Woche erklärt, die Landesregierung sehe keine Möglichkeit für eine tarifliche Regelung zur Verkleinerung der Schulklassen. Zusammen mit Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hatte sie darauf verwiesen, dass Berlin der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) angehöre und kein Alleingang unternommen werden könne. "Die GEW-Forderung nach einem Tarifvertrag Gesundheitsschutz, der die Klassengröße regelt, würde Berlins Weg raus aus der Tarifgemeinschaft der Länder bedeuten", hieß es in einer Erklärung beider Politiker.
Die GEW lässt dieses Argument nicht gelten. "Das ist nicht schlüssig", sagte Geschäftsführer Markus Hanisch am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Das Land Berlin kann handeln und hat das an anderer Stelle auch schon getan", sagte er und verwies zum Beispiel auf die sogenannte Berlin-Zulage, die Beschäftigte im Landesdienst bekommen. Bei der TdL habe Berlin das Anliegen überhaupt noch nicht vorgebracht.
Schulen bieten Notbetreuung an
Der Warnstreik hat Folgen für den Schulbetrieb. Wie heftig sie sind, hängt nicht zuletzt von der Streikbeteiligung ab. In Berlin gibt es rund 34.000 Lehrerinnen und Lehrer. Viele davon sind Angestellte und dürfen - anders als Beamte - streiken. An den bisherigen Warnstreiks beteiligten sich laut GEW zuletzt jeweils zwischen 2.500 und 4.000 Lehrkräfte. Von Dienstag bis Donnerstag rechnet sie Hanisch zufolge mit ähnlicher Resonanz.
Manche Schulen kündigten nach Angaben von Eltern an, an Streiktagen komplett zu schließen. In anderen wird durch eine Umorganisation Unterricht sichergestellt. Etliche Schulen bieten eine Notbetreuung der Schüler an. "Wir gehen davon aus, dass der Unterricht weitgehend stattfinden wird und es gegebenenfalls eine Notbetreuung der Schülerinnen und Schüler gibt", sagte ein Sprecher der Bildungsverwaltung dazu.
Schülervertretung kritisiert Zeitpunkt
Die Berliner Schülervertretung unterstützt den Warnstreik, übt aber auch Kritik an der Gewerkschaft GEW. "Wir finden problematisch, dass der Warnstreik an Prüfungstagen stattfindet. Das ist unsolidarisch", sagte der Sprecher des Landesschülerausschusses, Paul Seidel, am Montag. Für die betroffenen Schülerinnen und Schüler sei es schwierig, wenn mündliche Abiturprüfungen verschoben oder von anderen Lehrkräften als geplant abgenommen würden.
Das Anliegen des Arbeitskampfs der Lehrer unterstützt der Landesschülerausschuss indes. "Es ist richtig, dass für gute Bildung auch gestreikt wird", sagte Seidel. "Die Lehrkräfte machen das nicht nur für sich, sondern auch für die Schülerinnen und Schüler."
Auch der Landeselternausschuss stellt sich hinter die GEW-Forderung und den Warnstreik. "Wir sehen im Moment keinen anderen Weg", sagte der Vorsitzende Norman Heise. "Die Politik hat das Thema verschlafen." Aus Sicht Heises hätte sie längst das Schulgesetz ändern oder andere Regelungen für kleinere Klassen finden können.
Die GEW hatte schon vor einigen Tagen erklärt, sie habe bei der Ansetzung des Warnstreiks versucht, möglichst wenige zentrale Prüfungstermine zu beeinträchtigen. "Das ist uns mit Ausnahme zweier Nachschreibetermine in Biologie und Chemie auch gelungen", hieß es in einer Erklärung. Allerdings seien in dieser Jahreszeit an fast jedem Tag Prüfungen. Dezentrale Prüfungstermine ließen sich verschieben. "Wir wissen, dass das aufwendig, aber möglich ist. Darum haben wir den Streik sehr langfristig angekündigt."
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.06.2023, 14 Uhr