Berliner Senat und schwedischer Energiekonzern - Berlin kauft Fernwärmenetz von Vattenfall

Mi 20.12.23 | 08:01 Uhr
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Archivbild: Baustelle eines 65 m langen Fernwaermetunnels von Vattenfall unter der Seydelstrasse in Berlin-Mitte, ein Techniker kontrolliert am 03.05.2011 die bereits montierten Rohre im Tunnel. (Quelle: dpa/Caro/Heinrich)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.12.2023 | Interview: Franziska Giffey | Bild: dpa/Caro/Heinrich

Das Land Berlin übernimmt das Fernwärmenetz der Hauptstadt vom schwedischen Energieversorger Vattenfall. Man habe sich auf einen Kauf des Netzes durch den Berliner Senat geeinigt, teilten beide Seiten am Dienstag mit.

  • Berlin kauft Fernwärmenetz von Vattenfall - Deal zwischen Senat und Konzern
  • Finanzsenator geht von 1,6 Milliarden Euro aus - entspräche der Forderung Berlins
  • Abgeordnetenhaus muss noch zustimmen

Das Land Berlin kauft das Fernwärmenetz der Hauptstadt vom Energieversorger Vattenfall. Das teilten der Berliner Senat und der schwedische Konzern Vattenfall am Dienstag mit. Das Parlament muss dem noch zustimmen.

Beide Seiten einigten sich auf einen Kauf durch den Berliner Senat, wie der Regierende Bürgermeister, Kai Wegner (CDU) und Vattenfall mitteilten. "Wir werden uns [...] bei 1,6 Milliarden Euro einpendeln", sagte der Finanzsenator Stefan Evers (CDU) zum Kaufpreis. Das Finanzierungskonzept werde der Senat im ersten Quartal 2024 im Abgeordnetenhaus vorlegen. Vollzogen werde die Transaktion im Frühjahr.

Berlin kauft Fernwärmenetz von Vattenfall. (Quelle: rbb/Angela Ulrich)
| Bild: rbb/Angela Ulrich

Wegner: "Historischer Tag"

Wegner sprach von einem historischen Tag für Berlin. Der Deal umfasse auch eine Option auf die Übernahme der Vattenfall-Anteile am Gasnetzbetreiber Gasag, hieß es.

Wegners Stellvertreterin und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sagte am Mittwochmorgen im rbb24 Inforadio, mit der Entscheidung sei eine der wichtigsten energie- und klimapolitischen Weichenstellungen dieses Jahrzehnts gelungen. "Es geht darum, dass Berlin den Einfluss auf die Versorgungssicherheit und auch auf die Preisstabilität gewinnt. Das ist ganz anders möglich, als wenn irgendein Fonds mit höchstmöglicher Renditeerwartung unsere Berliner Fernwärme in den Händen hält", sagte Giffey.

Man habe schon sehr gute Erfahrungen gemacht, als Wasser und Strom wieder in Landeshand zurückgekommen seien, so Giffey. Bei der Preisgestaltung sei man natürlich von den Entwicklungen des Weltmarkts abhängig. "Aber Berlin wird die Preise immer unter dem Aspekt des unbedingt Erforderlichen gestalten und nicht aufgrund des Aspekts der höchstmöglichen Renditeerwartung", sagte Giffey.

Berlin war einziger Bieter

Vattenfall hatte im Mai 2022 verkündet, sein Geschäft mit Fernwärme für 1,4 Millionen Wohnungen in Berlin auf den Prüfstand zu stellen. Der Berliner Senat hatte daraufhin sein Kaufinteresse bekundet und beteiligte sich am Bieterverfahren, das Vattenfall Anfang Dezember 2022 begonnen hatte. Ende Oktober dieses Jahres nahmen der Senat und Vattenfall exklusive Verhandlungen auf - Berlin war einziger Bieter.

Ein zentraler Punkt in den Verhandlungen war der Preis: Der Senat hatte laut Insidern stets klar gemacht, dass der von Vattenfall avisierte Preis von drei bis vier Milliarden Euro nicht akzeptabel sei. Berlin strebte eine Summe von weniger als zwei Milliarden Euro an.

Außerdem wollte der Senat das Geschäft mit einer Übernahme der Gasag verknüpfen. Vattenfall müsste dafür seine Anteile an der Gasag abtreten, während Berlin im Gegenzug etwas mehr als 50 Prozent der Anteile übernehmen und Mehrheitseigner der Gasag werden würde. Die beiden bisherigen Mit-Eigentümer, das Unternehmen Eon und der französische Energiekonzern Engie, müssten ihre Anteile von jeweils rund 30 Prozent entsprechend anpassen.

Seit Jahren arbeitet die Berliner Landesregierung daran, sämtliche Energie- und Versorgungsinfrastrukturen in öffentlicher Hand zu betreiben. Das Strom- und Wassernetz gehört bereits dem Land, nun kommt das Fernwärmenetz hinzu. Das Gasnetz bleibt hingegen auf absehbare Zeit weiter privat.

Vattenfall will sich von fossilen Energieträgern verabschieden und stellte sein Geschäft mit Fernwärme in Berlin auf den Prüfstand. Doch eine endgültige Entscheidung über einen Verkauf stand bis zuletzt aus. Dennoch hatte das Unternehmen erst kürzlich Investitionen von
200 Millionen Euro in das Netz angekündigt. Sowohl eine Industrie-Wärmepumpe als auch eine neue Dampfturbine sollen am Standort Reuter West installiert werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 19.12.2023, 19:30 Uhr

85 Kommentare

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  1. 85.

    Wie Sie ja selbst erkannt haben ist das Berliner Fernwärmenetz eines der größten Europas. Mit einer 180 Grad Wende wird man das nicht in den Griff bekommen. Das wissen alle die Physik auch in realer wirtschaftlicher Anwendung nutzen.
    Das wird ein langer Marathon, der noch einige Berliner Senate beschäftigen wird.
    Ein paar Großkraftwerke werden sicher nicht die Lösung der Zukunft sein. Dazu ist viel mehr kleinteiliges Denken und handeln notwendig. Vonovia geht in Berlin z.B. mit 50 Hertz soweit negative elektrische Regelenergie auf Wohnungsebene zum Heizen bereitzustellen. Vattenfall selbst macht es ein paar Nummern größer im MW Bereich. Ähnlich wie auch einige andere Wärmeversorger. Dazwischen ist noch ganz viel Luft für Lösungen.
    Welche technischen Mittel sonst noch zur Verfügung stehen, können Sie ja hier beim rbb und woanders sehr gut ergründen.
    Unter anderem auch im genannten Wärmeplanungsgesetz §3 Satz 15.

  2. 84.

    Sie versteifen sich auf den Statius Quo und unterschlagen wieder einmal die Maßnahmen und Pläne der Vattenfall und des Senat, um im ersten Schritt Fernwärme mit weniger CO2 zu erzeugen, wofür bereits heute auch Erneuerbare Energie eingesetzt wird. Was haben Sie an der umfangreichen Berichterstattung des RBB, die ich Ihnen neulich verlinkt hatte, in der zig Alternativen zur klimaneutralen Wärmeerzeugung aufgezeigt wurden, nicht verstanden?

  3. 83.

    Ihr Kritikanten seid Freunde der indirekten Rede. Sagt doch einfach, warum Vattenfall bisher als größter Fernwärmelieferant für die Herstellung der Fernwärme vorwiegend fossile Brennstoffe einsetzt, und wie ihr die Hoffnung begründet, dass das der Berliner Senat nach Übernahme der Fernwärme mit einer 180 Grad Wende grünen Wasserstoff oder eine andere CO2 freie Technologie einsetzen wird.

  4. 82.

    Mit Verlaub Herr physiker, Sie sind ein

    Scharlatan. Sie verbreiten hier bewusst Falschbehauptungen zu Wärmepumpe und zur Dekarbonisierung der Fernwärme. Warum?

  5. 81.

    Fachleute der Energieversorger haben gezeigt, dass Hochtemperstur-Großwärmepumpen mit COP3 in Fernwärnetzen funktionieren, also 3x soviel Wärmeenergie liefern wie elektrische Energie hinein gesteckt wird. Dazu muss ich Sie schon wieder an die diversen anderen Möglichkeiten, über die auch der RBB teilweise berichtet hat, erinnern, wie man klimaneutral Wärme gewinnen kann. Das fängt z.B. ganz banal mit "Tauchsieder" und "Thermoskanne", geht weiter über Großwärmepumpe gekoppelt mit Aquiverspeicher, die die Wärme von Fluss- und Abwasser nutzen und tiefe Geothermie bis hin eben auch zur Kraft-Wärme-Kopplung mit Wasserstoff. Unabhängige Sachverständige haben dabei bereits bekanntlich festgestellt, dass an den Erdgas-Haupleitungen nur wenige Änderungen vorgenommen werden müssen, damit darin Wasserstoff statt Erdgas zu den Kraftwerken transportiert werden kann.

  6. 80.

    Auch wenn Sie das noch hundertmal wiederholen wird es nicht richtiger.
    Schon die Zusammenhänge der verschiedenen Gesetze scheinen Ihnen überhaupt nicht klar zu sein.
    Im GEG wird wie der Name es sagt gebäudespezifisch u.a. über die Möglichkeiten der Wärmebereitstellung geschrieben.
    Wenn die Kommunen/Versorger in der übergeordneten Wärmeplanung für ein Gebäude/Straßenzug eine Option der Fernwärmeversorgung vorsehen wollen/können so ist der Besitzer aus der aktiven Klimaneutralität raus, wobei jede Fernwärmesatzung die Option der Befreiung vom Anschlusszwang bei Einsatz von Erneuerbaren Energien ermöglicht. (schon länger)
    Wie die Fernwärme erzeugt und verteilt werden soll, ist bewusst nicht Thema des GEG sondern des Wärmeplanungsgesetzes.
    genauer Titel:
    "Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze"
    Fürs erste sollten Sie also versuchen die beiden Themen gedanklich zu trennen dann inhaltlich und fachlich zu ergründen. Danach kann man dann über Physik reden.

  7. 79.

    Sie haben Recht. Das habe ich leider verwechselt. Nicht das Fernwärmenetz sondern das Gasnetz bleibt bei Vattenfall und zwei anderen Eigentümern. Berlin strebte zwar eine Mehrheitsbeteiligung an der Gasag an, aber das ist wohl gescheitert. Das Gasnetz wird vorwiegend mit Erdgas betrieben.

  8. 78.

    "Vattenfall will sich von fossilen Energieträgern verabschieden" ist der Hauptsatz und der nicht genannte Nebensatz lautet "das Land Berlin übernimmt die fossilen Energieträger für die Fernwärmeerzeugung" und die gelegentlich behauptete "Dekarbonisierung" der Fernwärme ist außerhalb der physikalischen Realität, was zur Folge hat, dass das GEG beim Einsatz von Fernwärme kein einziges Gramm CO2 einspart. Dieses hat auch Vattenfall erkannt und sich deswegen aus der Fernwärme davon gemacht.

  9. 77.

    Der Artikel ist völlig veraltet, weil es um die Konzession ging. Der Sebat hatte gehofft, so von hinten durchs Auge das Fernwärmenetz zu rekommunilisieren. Das hatte nicht funktioniert. Also nehmen die jetzt die Vordertür.

  10. 76.

    Mein Beitrag bezog sich auf die von @physiker aufgestellte Behauptung "... So darf jetzt Berlin nur die fossilen Verbrennungsstellen der Fernwärme von Vattenfall haben und die Nutzung des Netzes von Vattenfall sozusagen zurückmieten. . Das teure Netz bleibt bei Vattenfall ..." - WELCHES eine bewußte Falschbehauptung (wie schon öfters von ihm) gewesen ist.

  11. 75.

    Den Unterschied zwischen Kraft-Wärme-Koplung in einem Großkraftwerk und der Funktionsweise einer kleinen Gastherme kann man eigentlich erkennen - eigentlich.

  12. 74.

    Keine Ahnung, ob der Zeitungsbeitrag zur gerichtlichen Ablehnung der Senatswünsche "veraltet" ist. Nach Pressemeldungen war bei Vattenfall es seit Jahren Thema, sich gänzlich aus der Fernwärme zurück zu ziehen und in Berlin war es bei den Politikern Thema, die einst senatseignen Aktivitäten von Gasag und Bewag zurück zu holen. Dazu wollte man im Vorgriff beim Senat schonmal vermeintliche Ansprüche gegen Vattenfall durchsetzen, was jedoch misslang, wie der Zeitungsbeitrag ausführte.

  13. 73.

    Den Unterschied zwischen Kraft-Wärme-Koplung in einem Großkraftwerk und der Funktionsweise einer kleinen Gastherme kann man eigentlich erkennen - eigentlich.

  14. 72.

    2021 [!sic] ging es um die Konzession zum Betrieb des Netzes, die Berlin 2015 der Vattenfall nicht hatte verlängern. Jetzt für der ganze Fernwärmebetrieb inkl. des Netzes gekauft

  15. 71.

    ... das hat mit dem jetzigen Kauf, rein gar nichts zu tun ...

    Ihr Artikel ist vom 06.07.2021 und schon lange überholt !!!

  16. 70.

    Wasserstoff, und dazu womöglich noch "grüner" wird wohl nirgends mehr ernsthaft für Heizzwecke diskutiert. "Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck spricht sich gegen einen zu starken Fokus auf Wasserstoff beim Heizen aus. Er sei zwar „stolz auf jede Änderung“, die das Gebäudeenergiegesetz besser mache, sagte der Grünen-Politiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Es gebe aber „einen heiklen Punkt, und das ist der Wasserstoff“. Er freue sich, wenn Gasheizungen mit Wasserstoff laufen könnten. „Ich fürchte nur, dass es dafür nicht reicht.“"

    https://www.wiwo.de/politik/deutschland/klimafreundlich-heizen-habeck-gegen-leere-versprechen-zum-heizen-mit-wasserstoff/29212280.html

  17. 69.

    Wie soll die Fernwärme auf Wasserstoff umgestellt werden, das wird astronomisch teuer. Aber anders lässt sich die Hochtemperatur Fernwärme nicht betreiben. Die Fernwärme war eigentlich eine Technologie für Abfallwärme von billiger fossiler Energie. Damit ist aber sehr bald Schluß. Deshalb hat Vattenfall das abgestoßen und einen dummen Käufer gefunden.

  18. 68.

    "BERLIN-Das Berliner Fernwärmenetz bleibt in privater Hand. Das Oberverwaltungsgericht der Hauptstadt bestätigte zum Wochenbeginn eine entsprechende Entscheidung der Vorinstanz aus dem Jahr 2017, wie das Gericht am Dienstag mitteilte. Der Berliner Senat hat damit weiter keinen Anspruch auf das vom schwedischen Energieversorger Vattenfall betriebene Fernwärmenetz."

    https://www.berliner-zeitung.de/news/gericht-berliner-fernwaermenetz-bleibt-in-der-hand-von-vattenfall-li.169533

  19. 67.

    Sie setzen darauf, dass die Leser hier die Pressemitteilung der Vattenfall nicht kennen und gehen deshalb mit Falschbehauptungen hausieren. Die Schwenden trennen sich vom kompletten Fernwärmenetz. Neben Berlin hatten die nur in Hamburg Fernwärme im Portfolio gehabt und beenden das Nischengeschäft. Berlin wird Eigentümer auch analo Strom und Wasser Eigentümer des Fernwärmenetzes.

    "Derzeit wird ein Kaufpreis auf Basis des Eigenkapitalwerts von rund 1,6 Milliarden Euro erwartet. Grundlage für den Kaufpreis ist ein Unternehmenswert von knapp unter 2 Milliarden Euro. Zum Stichtag 31. Dezember 2023 wird es gewisse Anpassungen geben, die aber erst nach der Erstellung des Jahresabschlusses 2023 endgültig festgelegt werden können." kann man dort auch lesen und fällt dann nicht auf Ihre Verschwörungstheorien zum Kaufpreis herein.

  20. 66.

    "Vattenfall hat Berlin mindestens 3 mal abkassiert". Die genauen Zahlen für An- und Verkauf werden unter Verschluss gehalten, sonst würde der Bürger zu sehr verunsichert werden. Beim Märchen Hanns im Glück wurden aus einem großen Goldklumpen zwei Steine. die Hanns dann noch im Brunnen verlor, und da war er dann ganz besonders glücklich, sie nicht mehr schleppen zu müssen. Übrigens, das zugehörige Wärmenetz wollte Berlin dann auch zurück haben, was allerdings bei Gericht scheiterte. So darf jetzt Berlin nur die fossilen Verbrennungsstellen der Fernwärme von Vattenfall haben und die Nutzung des Netzes von Vattenfall sozusagen zurückmieten. . Das teure Netz bleibt bei Vattenfall und Berlin darf sich die "Dekarbonisierung" überlegen

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