Achatschnecke (Foto: picture-alliance/ dpa | Marcus Führer)

Riesige Achatschnecke weniger gefährlich als Studie nahelegt?

Kai Forst   26.11.2023 | 14:22 Uhr

Überträgt die als Haustier beliebte und auf TikTok boomende Achatschnecke den für Menschen gefährlichen Rattenlungenwurm auch in Westeuropa? Das legte jüngst ein Schweizer Forscherteam nahe. Doch ihre Studie ist umstritten.

Die bis zu 30 Zentimeter und bis zu 500 Gramm schweren Achatschnecken sind ein Hingucker – und erleben auf TikTok derzeit einen echten Boom. Mehr als 41 Millionen Mal wurde Content mit der Schnecke bislang aufgerufen. Die Studie eines Forscherteams aus Lausanne dämpfte jüngst den Hype. Die Schnecken könnten gefährliche Krankheitserreger übertragen. Dazu zähle etwa der Rattenlungenwurm, der bei Menschen eine potenziell tödliche Hirnhautentzündung auslösen könne. Auch SR.de berichtete darüber.

Doch die Studie ist umstritten. Der Tübinger Wissenschaftler Christoph Allgaier kritisiert sie als zu verallgemeinernd. Allgaier forscht am Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen. Schnecken sind sein Spezialgebiet.

"Keine belastbare Datengrundlage"

 „Letztendlich wurden da Social Media-Inhalte ausgewertet und ein Trend postuliert, aber für eine Risikoeinschätzung keine belastbare Datengrundlage verwendet“, sagte der Wissenschaftler dem SR.

Das Problem: Grundsätzlich kann die Achatschnecke den Parasiten zwar übertragen, aber nicht in unseren Breitengraden. Denn Außerhalb der Tropen und Subtropen, so Allgaier, könne der Rattenlungenwurm seinen Lebenszyklus gar nicht durchlaufen. "Denn er braucht konstant hohe Temperaturen, die wir in den meisten Teilen Mitteleuropas im Grunde nicht haben. Ich hätte mir gewünscht, dass die Autoren der Studie genauer auf den Zyklus des Parasiten eingehen."

Zudem werde in der Schweizer Studie etwas Wichtiges nicht erwähnt. So seien die Achatschnecken gar nicht der entscheidende Faktor für das Vorkommen des Rattenlungenwurms. Denn als Zwischenwirt kämen weltweit alle möglichen Schneckenarten in Betracht. „Auch die Endwirte, Ratten, sind fast überall vorhanden. Aber nur, wenn die Temperaturen wie in den Tropen durchweg über 15 Grad liegen, kann sich der Rattenlungenwurm in den Schnecken überhaupt entwickeln.“

"Achatschnecken hierzulande tragen den Parasiten gar nicht in sich"

Und: Die Schnecken, die zum Beispiel hier in Deutschland etwa über Züchter verkauft werden, würden nicht aus den Tropen importiert, sondern schon über längere Zeit hier in Terrarien gezüchtet. Heißt: „Die Achatschnecken hierzulande tragen den Parasiten gar nicht in sich. Dafür hätten sie zuvor den mit Wurmlarven kontaminierten Rattenkot fressen müssen“, so Allgaier.

Keine Bedrohung der Landwirtschaft in Westeuropa

Einen weiteren Aspekt der Studie findet der Tübinger Wissenschaftler zu kurz dargestellt - nämlich die Gefahr der Ansiedlung von Achatschnecken im Freiland als Folge der Haltung als Haustier. „Das ist nur für Gebiete mit tropischem Klima relevant.“ In Mitteleuropa - vielleicht abgesehen von kleinen, küstennahen Bereichen des Mittelmeergebiets - treffe das nicht zu. Denn auch hier gelte: Die Achatschnecken bräuchten zum Überleben konstante Wärme, also ganzjährig Werte deutlich oberhalb Zimmertemperatur.

Das bestätigt auch Professor Sören Becker, der Direktor des Institutes für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Homburger Uniklinik. Zwar könnten die Schnecken für die Landwirtschaft generell eine große Gefahr darstellen. „Sie benötigen allerdings einen eher tropischen Lebensraum.“ Die Gefahr einer Ausbreitung in Westeuropa bestehe daher nicht.


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