Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch den Flur im Krankenhaus (Foto: picture alliance/dpa | Marijan Murat)

25 Prozent der Kliniken im Saarland und RLP akut von Insolvenz bedroht

Gernot Ludwig   15.06.2023 | 06:00 Uhr

Die wirtschaftliche Lage der Kliniken in Deutschland hat sich 2021 im Saarland und in Rheinland-Pfalz am meisten verschlechtert. Das geht aus dem neuen „Krankenhaus Rating Report“ hervor, der dem Südwestrundfunk vorab vorliegt.

Laut „Krankenhaus Rating Report“ des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung ist die Zahl der akut insolvenzgefährdeten Kliniken im Corona-Jahr 2021 bundesweit von sieben auf elf Prozent gestiegen, für Rheinland-Pfalz und das Saarland stieg der Wert von vier auf 25 Prozent. Im Ländervergleich der höchste Anstieg.

Nur noch Baden-Württemberg schlechter

Hinzu kommt: Dass ein Viertel der Kliniken in beiden Ländern zusammen akut insolvenzgefährdet sind, ist ebenfalls ein Rekordwert. Zum Vergleich: In den vergangenen zehn Jahren schwankte diese Quote für die beiden Länder zwischen vier und rund zwölf Prozent. Damit war die wirtschaftliche Lage der Kliniken 2021 nur noch in Baden-Württemberg schlechter. Dort waren laut Report 29 Prozent der Kliniken akut von einer Insolvenz bedroht.

Dass die Zahl der akut insolvenzbedrohten Kliniken 2021 bundesweit gestiegen ist, liege vor allem daran, dass in dem Jahr die staatlichen Corona-Finanzhilfen für Kliniken abgesenkt worden seien, heißt es in der Studie. Den besonders hohen Anstieg insolvenzbedrohter Kliniken in Rheinland-Pfalz und dem Saarland führen die Autoren darauf zurück, dass es in beiden Bundesländern viele kleine Krankenhäuser gibt.

Kleine Kliniken besonders betroffen

Dem Südwestrundfunk teilte das RWI-Leibniz-Institut mit, „die kleinen Kliniken in beiden Ländern haben sich im Rating wesentlich stärker verschlechtert, als die größeren Kliniken“. Vor allem denen machten deutlich gestiegene Kosten bei sinkenden Einnahmen zu schaffen, heißt es. Allein in Rheinland-Pfalz sind von den rund 100 Kliniken nach Mitteilung der Krankenhausgesellschaft 63 Kliniken kleine Häuser mit weniger als 200 Betten.

Der Trend, dass immer mehr Kliniken von der Insolvenz bedroht sind, wird sich voraussichtlich fortsetzen. Die Zahlen der Studie beziehen sich auf das Jahr 2021. Für das Jahr 2022 hatten in einer Umfrage kürzlich 65 Prozent der Klinikbetreiber in Rheinland-Pfalz angegeben, dass sie Verlust gemacht haben. 

Viele Betreiber schließen vor Insolvenz

Die Kliniken teilten mit, wenn es dabei bleibe, dass sie keine finanzielle Unterstützung vom Bund bekämen, würden in Rheinland-Pfalz in diesem Jahr, also 2023, sogar mehr als 80 Prozent der Krankenhäuser, rote Zahlen schreiben. Im Saarland hatte die Krankenhausgesellschaft Anfang Juni vor einem massiven Kliniksterben gewarnt, wenn ihnen nicht finanziell geholfen wird.

Etliche Klinikbetreiber lassen es gar nicht erst auf eine Insolvenz ankommen und schließen ihr Haus vorher. Wie das Gesundheitsministerium in Mainz dem Südwestrundfunk auf Anfrage mitgeteilt hat, haben seit 2020 landesweit schon acht Krankenhäuser geschlossen bzw. angekündigt zu schließen. Konkret geht es um die Krankenhäuser in Nassau, Ingelheim, Bendorf, St. Goar und Oberwesel sowie Adenau, Bad Ems und zuletzt Annweiler.

Zu wenige Patienten, um alle Abteilungen zu finanzieren

Was auffällt: Es handelt sich in allen Fällen um kleine Kliniken. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung teilt dazu mit: Kleine Krankenhäuser hätten das Problem, dass sie die gleichen Abteilungen anbieten wie große – beispielsweise eine Geburtenstation, eine Chirurgie, eine Innere Medizin, usw. Gleichzeitig hätten kleinere Häuser aber nicht genügend Patienten, um all diese Abteilungen finanzieren zu können.

Diese Lage ist nicht neu. Schon vor der Corona-Pandemie ging es vor allem kleinen Krankenhäusern bundesweit und auch in Rheinland-Pfalz finanziell schlecht. Die Ursache damals wie heute ist nach Einschätzung von Experten, dass die Politik den Kliniken seit Jahren immer weniger Geld zugesteht.

Milliardenhilfe während der Pandemie

Das Problem war aber während der Corona-Krise 2020 bis 2022 vorübergehend verschwunden, weil die Krankenhäuser mit Milliarden vom Bund unterstützt wurden. Seitdem diese Hilfen zunächst abgeschmolzen und 2022 dann ganz ausgelaufen sind, tauchen die alten Schwierigkeiten wieder auf.

Außerdem sind etliche neue dazu gekommen: Deutlich gestiegene Preise für Gas, Öl und Strom; die Inflation, die von Medikamenten über das Kantinenessen bis hin zur Wäscherei alles teurer macht; höhere Gehälter für Klinikbeschäftigte nach dem Tarifabschluss im März. Und nicht zuletzt der Personalmangel in Krankenhäusern, der dazu führt, dass die Kliniken nicht mehr so viele Patienten behandeln können und damit weniger Geld verdienen können. 

Gespräche am 29. Juni

Heißt im Klartext: Auf der eine Seite sinken die Einnahmen, auf der anderen Seite steigen die Ausgaben drastisch. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, rufen die Krankenhäuser bundesweit und auch im Saarland am kommenden Dienstag, 20. Juni, zu einem Protesttag auf.

Abhilfe soll die vom Bund geplante Krankenhausreform bringen. Sie soll im kommenden Jahr in Kraft treten. Derzeit gibt es dazu Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern. Das nächste Treffen dazu - an dem auch Gesundheitsminister Magnus Jung (SPD) teilnehme - ist nach Auskunft des Landes-Gesundheitsministeriums für den 29. Juni geplant. Es gehe darum, einen Referentenentwurf zu erarbeiten, heißt es.

Die gesamte „Krankenhaus Rating Report“ ist am Donnerstagvormittag in Berlin vorgestellt worden.

Hintergrund

Der „Krankenhaus Rating Report“ analysiert regelmäßig einmal im Jahr die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in Deutschland und bewertet sie mit dem Insolvenzrisiko nach dem Ampelsystem.

Bedeutet: Bei Krankenhäusern mit einem akuten Insolvenzrisiko (rot) liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie innerhalb eines Jahres ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen bei mehr als 2,6 Prozent. Bei einem mittleren Risiko (gelb) liegt die Ausfallwahrscheinlichkeit bei 1 bis 2,6 Prozent. Ein geringes Insolvenzrisiko (grün) haben Krankenhäuser mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit von unter einem Prozent.

Die Studie bezieht sich auf das Jahr 2021, weil nach Angaben der Autoren für 2022 noch nicht alle Jahresabschlüsse vorgelegen haben. Herausgeber des Reports sind das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und das Institute for Health Care Business in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen.

Ein Beitrag von Gernot Ludwig.

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