In der Region Trier beziehen neun von zehn ukrainischen Geflüchtete Bürgergeld. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Stefan Puchner)

Mangel an Sprachkursen und schlechter ÖPNV

Warum fast 90 Prozent der Ukrainer in der Region Trier nicht arbeiten

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Maximilian Storr
Maximilian Storr (Foto: SWR)

Seit Ausbruch des Krieges sind mehr als 4.000 Ukrainer in die Region Trier geflohen. Die meisten von ihnen beziehen Bürgergeld. Denn eine Arbeit zu bekommen, ist schwierig. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Seit anderthalb Jahren lebt Anastasiia Berezhna in Oberlascheid (Eifelkreis), direkt an der belgischen Grenze. Die junge Frau ist aus der ukrainischen Großstadt Tschernihiw vor dem Krieg in die Eifel geflohen.

In der Ukraine, so erzählt es Berezhna dem SWR, habe sie als Köchin gearbeitet. In Deutschland hat die 33-Jährige bisher keinen Job. Sie lebt vom Bürgergeld und anderen Sozialleistungen.

So wie Anastasiia Berezhna geht es den meisten ukrainischen Geflüchteten. Die Bundesagentur für Arbeit Trier hat dem SWR Zahlen vorgelegt. Daraus geht hervor, dass lediglich rund 11 Prozent der geflüchteten Ukrainer in der Region Trier einen Job haben. Die Zahlen stammen aus dem Juni dieses Jahres.

Im Bus war die am häufigsten gestellte Frage der Menschen, wie sie sich einen Job suchen können.

Am Willen scheitere es aber nur selten, sagt Sascha May. Gemeinsam mit seinem Bruder hat der Eifeler im vergangenen Jahr den Verein "MMS Humanitas" gegründet und hunderte Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland geholt: "Und im Bus war die am häufigsten gestellte Frage der Menschen, wie sie sich einen Job suchen können", sagt May. "Doch das ist dann später letztendlich an vielen Hürden gescheitert", stellt der Helfer ernüchtert fest.

Deutschkurse sind oft ausgebucht

Rund 75 Prozent der ukrainischen Geflüchteten um Trier sind Frauen. Viele haben kleine Kinder wie auch Anastasiia Berezhna. Sascha May hatte sie im vergangenen Jahr gemeinsam mit ihren vier Kindern nach Deutschland gebracht. Zwei besuchen die Kindertagesstätte, zwei die Schule. "Mein Leben dreht sich von morgens bis abends nur um die Kinder", erzählt die Ukrainerin. Für einen Job bleibe da im Moment einfach keine Zeit.

Für einen Deutschkurs hat sich Anastasia Berezhna zwar angemeldet, wann sie ihn beginnen kann, ist aber völlig ungewiss. "Die meisten Deutschkurse in der Region sind bis Ende 2024 ausgebucht", sagt Sascha May. "Und wenn dann Plätze frei sind, sind sie oft zu weit entfernt."

Öffentlicher Nahverkehr ist ein Problem

Viele Ukrainerinnen hätten zudem keinen Führerschein und mit dem Bus sei es teilweise schwierig zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu kommen. Auch das Jobcenter Trier-Saarburg bezeichnet die mangelnde Ausstattung des Öffentlichen Nahverkehrs als schwerwiegendes Problem, das "oftmals ein rechtzeitiges Erreichen der Arbeitsstelle unter Berücksichtigung der Betreuungszeiten unmöglich macht."

Doch nicht immer ist es das fehlende Auto, das zu Problemen führt. Sascha May berichtet von einem ukrainischen Vater mit acht Kindern, dem er einen Job als Bauhelfer vermittelt habe. "Er hat gesagt, dass er dem deutschen Staat nicht auf der Tasche liegen will", berichtet May.

Arbeit lohnt sich in einigen Fällen kaum

Als der Mann nach dem ersten Monat auf seine Lohnabrechnung geschaut habe, sei er aber entsetzt gewesen. Obwohl er 180 Stunden gearbeitet habe, habe das Jobcenter sein Gehalt aufstocken müssen. Auch das Jobcenter Trier-Saarburg bestätigt dem SWR auf Anfrage, dass der Abstand zwischen Lohn und staatlichen Leistungen "in einigen Fallgestaltungen in der Realität kaum noch existiert."

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Doch Sascha May ist nicht der Meinung, dass viele Ukrainerinnen und Ukrainer diese Situation bewusst ausnutzen. Er versucht Arbeitgeber in der Region weiter davon zu überzeugen, die Menschen trotz ihrer Sprachschwierigkeiten einzustellen, zum Beispiel für Hilfsarbeiten. Auch dafür müsse er Überzeugungsarbeit leisten. "Viele Arbeitgeber sehen dann, dass sich die Menschen gut einbringen können und dann ist die Sprache auch egal."

Auch Anastasiia Berezhna will May weiter dabei helfen, in Deutschland Fuß zu fassen. Sie habe schon darüber nachgedacht, in Deutschland als Köchin zu arbeiten, erzählt die Ukrainerin. "Aber das muss ich dann ja auch mit meinen Kindern unter einen Hut bringen können. Und ich glaube, das braucht noch Zeit."

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