Ein Landwirt versprüht ein Pflanzenschutz-Mittel auf einem Feld in Brandenburg, Deutschland.

Landwirte erfreut - Wissenschaftler empört

Pestizide weiter erlaubt - Landwirte in der Pfalz begrüßen EU-Entscheidung

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Nicoletta Prevete

Das Europäische Parlament hat am Mittwoch entschieden: Es wird bis auf weiteres keine Reduktion von Pestiziden in der Landwirtschaft geben. Bauern und Winzer freut das, Umweltexperten sind entsetzt.

Der Plan war klar: Bis zum Jahr 2030 sollten 50 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Doch das EU-Parlament hat am Mittwoch entschieden: Dieses Gesetz wird nicht auf den Weg gebracht. Ein EU-Gesetz, das auch vorsah, dass in Naturschutz- und Trinkwasserschutzgebieten der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ganz verboten werden sollte. Winzer und Landwirte, die in solchen Gebieten anbauen, hätten dann gar keine Pestizide mehr einsetzen dürfen. Auch keine biologischen, wie Schwefel oder Kupfer, erklärt Öko-Winzer Jochen Schmitt aus Bad Dürkheim.

80 Prozent der Flächen rund um Bad Dürkheim Schutzgebiete

"Ich bin sehr erleichtert über diese EU Entscheidung. Rund um Bad Dürkheim bauen wir zu 80 Prozent unseren Wein in Natur- oder Wasserschutzgebieten an. Bei einem Total-Verbot von Pflanzenschutzmitteln, auch biologischen, wäre ein Weinanbau in und um Bad Dürkheim nicht mehr möglich gewesen", erklärt Bio-Winzer Jochen Schmitt, der zugleich auch Mitglied der Stadtratsfraktion der FWG in Bad Dürkheim ist.

Winzer Jochen Schmitt

Vor einem Jahr hatte der Stadtrat Bad Dürkheim auch eine Resolution an die EU-Kommission zum Thema Pflanzenschutz gerichtet, und erklärt, dass man mit einem Total-Verbot in Schutzgebieten dem Weinanbau in der Pfalz entlang der Weinstraße jegliche Existenzgrundlage rauben würde. Jochen Schmitt hat der chemischen Keule längst den Rücken gekehrt, sagt er, aber ein Komplett-Verbot von Pflanzenschutzmitteln, auch von Kupfer und Schwefel mache einen Weinanbau, von dem man leben kann, unmöglich.

Auch im Öko-Weinanbau werden Pflanzenschutzmittel benötigt

"15 Prozent unserer Weinanbauflächen sind bereits pilzresistente Sorten. Aber selbst diese Sorten müssen wir mit biologischen Pflanzenschutzmitteln unterstützen. Ganz ohne geht es nicht. Auch nicht im Bio-Weinanbau", erklärt Schmitt. Wenn dieses Gesetz gekommen wäre, hätten sie Wein zwischen Olivenhainen und Sträucherlandschaften anbauen können, aber vom professionellen Weinanbau hätten wir uns verabschieden können", ist der Winzer überzeugt.

Pilzresistente Rebsorten brauchen deutlich weniger Pflanzenschutzmittel
Pilzresistente Rebsorten brauchen deutlich weniger Pflanzenschutzmittel

Auch die Landwirtin Melanie Schmitt aus Bobenheim-Roxheim ist froh, dass das Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzzonen vom Tisch ist. Die Landwirtin baut u.a. Kartoffeln, Zuckerrüben, Zwiebeln und Getreide an. Ihr Anbaugebiet liegt im Trinkwasserschutzgebiet zwischen Frankenthal und Bobenheim-Roxheim. "Wenn dieses Gesetz auf den Weg gebracht worden wäre, hätte ich dieses Jahr meine Kartoffelernte vergessen können. Das Jahr war so feucht, ohne Pflanzenschutz hätte ich die Kartoffelpflanzen nicht vor der Fäulnis retten können", erklärt die studierte Landwirtin.

Kooperation der Stadtwerke Frankenthal mit der Landwirtschaft

"Wir arbeiten eng mit den Stadtwerken Frankenthal zusammen, um das Trinkwasser in diesem sensiblen Gebiet zu schützen. Es werden jährlich Bodenproben genommen und untersucht, etwa um zu gewährleisten, den Nitrat-Gehalt im Wasser gering zu halten", betont Melanie Schmitt. Die Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) in Speyer begleitet diese Kooperation wissenschaftlich, so die Landwirtin. "Natürlich wollen wir nachhaltig arbeiten und so, dass auch unsere Nachfolge Generationen noch Landwirtschaft betreiben können", stellt die Landwirtin fest. Man gehe mit dem Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln sehr sorgsam um und verwende nie mehr als unbedingt nötig. Pflanzenschutzmittel seien ja auch teuer und würden daher nie pauschal und in großer Menge auf den Acker geworfen, wirbt die Landwirtin um Verständnis.

Melanie Schmitt sitzt im Kartoffelacker

Umweltexperte kritisiert Entscheidung des EU-Parlaments

Der Umweltwissenschaftler Professor Carsten Brühl von der Universität Landau argumentiert auch mit den hohen Kosten, die durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln entstehen - aber ganz anders als die studierte Landwirtin aus Bobenheim-Roxheim. "Das ist doch irre, in Wasserschutzgebieten Pestizide auszubringen, um dann für viel Geld das Trinkwasser wieder filtern zu müssen, um es genießen zu können", meint der Ökotoxikologe. Carsten Brühl ist sich sicher - am Mittwoch haben sich die Lobbyisten der Chemieindustrie durchgesetzt. "Die lassen sich doch nicht 50 Prozent ihrer Umsätze wegnehmen", ist sich der Umweltwissenschaftler sicher.

Carsten Brühl ist gar der Auffassung, dass Winzer und Landwirte von ihren Verbänden nicht gut vertreten werden. "Schließlich sind es die Landwirte und die Winzer, die täglich mit den gesundheitsgefährdenden Stoffen arbeiten. Das würde mir als Landwirt mal zu denken geben", meint der Wissenschaftler. Die Entscheidung des EU-Parlaments hält der Professor aus Landau für eine Katastrophe. Die Problematik sei jetzt einfach verschoben worden. Am Umbau der Landwirtschaft käme man eh nicht vorbei.

Traktor fährt auf einem Acker und bringt Pflanzenschutzmittel an

35 Prozent aller Flächen in Deutschland von Pestiziden belastet

35 Prozent aller Flächen in Deutschland seien bereits durch Pestizide belastet. Die Artenvielfalt in der Pflanzen-, Tier- und Insektenwelt nehme immer weiter ab. Es sei höchste Zeit zu handeln. Und gerade das Land Rheinland-Pfalz, das eine hochintensive Landwirtschaft und einen hochintensiven Weinanbau betreibe, könne doch ein wunderbares Modell-Bundesland werden, das zeigt, dass ein Umstieg auf einen umweltfreundlichen Anbau gelingen kann, so der Ökotoxikologe.

Letzte "Hoffnung" Koalitionsvertrag

Aber eine letzte Hoffnung gebe es noch: Im Koalitionsvertrag stehe, dass der Einsatz von Pestiziden in Naturschutz- und Wasserschutzgebieten deutlich reduziert werden solle. Und dies könne man ja auch unabhängig von der EU durchsetzen, so der Wissenschaftler.

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