Vor dem Amtsgericht Pirmasens ist das Urteil im Fall der Kindesmisshandlung gefallen. (Foto: SWR, SWR)

Urteil gefallen

Prozess wegen Kindesmisshandlung in Pirmasens: Vier Jahre Haft für Täter

Stand

Zwei Männer aus Pirmasens sind wegen Kindesmisshandlung zu Haftstrafen verurteilt worden. Sie müssen beide für vier Jahre ins Gefängnis.

"Tage des Schmerzes", Elektroschocks und Peitschenhiebe. Zwei kleine Kinder aus Pirmasens mussten über Monate unvorstellbare Grausamkeiten ertragen. Die Täter: der Stiefvater und ein Bekannter. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden 29 und 26 Jahre alten Männer die Zwillinge, einen Jungen und ein Mädchen, auf grausame Art und Weise körperlich und psychisch gequält haben.

Vier Jahre Haft sind die Maximalstrafe, die ein Amtsgericht überhaupt verhängen kann. In der Urteilsbegründung sagte der Richter, dass von beiden Verurteilten eine große Gefahr ausgehe. Sie hätten ihre Fantasien an den Kindern ausgelebt – Hinweise auf sexuellen Missbrauch gebe es aber nicht. Strafmildernd wurde angerechnet, dass den beiden heute neunjährigen Kindern erspart blieb, dass sie vor Gericht aussagen müssen, weil es die Geständnisse gab.

Hätte es die Geständnisse nicht gegeben, wäre das Verfahren an das Landgericht weitergereicht worden – wo auch ein höheres Strafmaß möglich gewesen wäre. So habe sich das Amtsgericht "gerade noch so zuständig gefühlt", sagte der Richter bei der Urteilsbegründung. Sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft haben angekündigt, keine Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen zu wollen.

Das sollen die beiden nun Verurteilten den Kindern angetan haben

Die beiden nun Verurteilten sollen den Zwillingen laut Gericht Unvorstellbares angetan haben. Sie sollen das Mädchen und den Jungen zum Beispiel mit einer Peitsche geschlagen oder mit einem sogenannten Taser "geschockt" haben. Ein Video, das im Gerichtssaal gezeigt wurde, zeigt, wie der Junge dazu gedrängt wurde, eine Spinne zu essen. Ansonsten werde er "geschockt", hört man im Hintergrund des Videos. 

Die beiden nun verurteilten Männer (links) mit ihren Anwälten. Das Amtsgericht Pirmasens hat beide zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. (Foto: SWR)
Die beiden nun verurteilten Männer (links) mit ihren Anwälten. Das Amtsgericht Pirmasens hat beide zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Zig Handys, Computer, Festplatten und Tablets sichergestellt

Die Videos wurden auf Datenträgern gefunden, die bei den Männern sichergestellt wurden. Insgesamt acht Handys, vier Tablets, drei Laptops und zwei Desktop-PCs wurden beschlagnahmt und ausgewertet. Wegen der gefundenen Beweismittel, bekommen die Männer die Geräte auch nicht wieder zurück. Neben der ganzen Technik wurden aber auch einige Waffen gefunden und sichergestellt: unter anderem 20 Messer, zwei Luftgewehr, mit denen einer der Verurteilten auch auf die Kinder geschossen haben soll, eine Schrotflinte und ein Blasrohr samt Pfeilen.

Verurteilte Männer gestehen Taten teilweise

Die beiden Verurteilten haben sich von Anfang an im Prozess geständig gezeigt und einen Großteil der Vorwürfe zugegeben. Auch, dass sie den Kindern gegenüber gewalttätig waren. Das meiste habe unregelmäßig stattgefunden und eher im Rahmen von Mutproben, heißt es von den Männern. So mussten die Kinder zum Beispiel auch Chilischoten oder Mehlwürmer essen, einmal sogar Alkohol trinken. 

Kindesmisshandlung in Pirmasens: "Tage des Schmerzes"

Die beiden Täter sollen außerdem "Tage des Schmerzes" eingeführt haben, an denen sie die Kinder extremen Misshandlungen ausgesetzt haben sollen. Das soll mehr oder weniger regelmäßig stattgefunden haben. Eine Gutachterin, die ausführlich mit den Kindern gesprochen hatte, schätzt, dass es mindestens einmal pro Woche einen solchen "Tag des Schmerzes" gab. Dabei sollen die Verurteilten die Geschwister unter anderem gezwungen haben, exzessiv Sport zu treiben. Zum Beispiel Liegestütze oder Kniebeugen. Einmal sei es vorgekommen, so das Gericht, dass der Junge mit einem Elektroschock bedroht wurde, um noch mehr Liegestütze zu schaffen.

Männer haben Taten als Mutprobe gesehen

Der 29-Jährige machte im Gericht einen extrovertierten Eindruck und war recht wortgewandt. Der zweite Verurteilte wirkte still und schüchtern. Kennengelernt haben sie sich bei der Arbeit, einer Sicherheitsfirma in Pirmasens.

Laut einem ihrer Verteidiger handelten sie völlig "unverantwortungsbewusst". Sie würden erst rückblickend verstehen, wie schlimm ihre Taten überhaupt gewesen seien. Für sie sei das alles eher eine Challenge gewesen, heißt es. Regelmäßig hätten sie mit den Zwillingen sogenannte Survival-Videos geschaut oder die US-amerikanische Fernsehsendung Jackass. In der stellen sich die Protagonisten gefährlichen oder selbstverletzenden Stunts und Mutproben. Das hätten sie nachahmen wollen, sagte der 29-jährige Angeklagte im Gericht. Der Richter sieht das völlig anders. Die Rechtfertigung als "Mutprobe" sei nur sehr schwer nachvollziehbar. "Welches achtjährige Kind macht da denn freiwillig mit?", fragte der Richter.

Jugend-Pornos auf Festplatte gefunden

Ebenso spricht der Richter von "Glück, dass nicht mehr passiert ist". So wurden bei einem der Verurteilten Jugend-Pornos auf einem PC gefunden. In Kombination, dass er das Mädchen häufig auch habe nackt bei sich schlafen lassen, sieht das Gericht hier enormes Gefahrenpotential. Man habe aber keine Hinweise gefunden, dass das Mädchen sexuell missbraucht wurde.

Prozess um Misshandlung von weiterem Kind steht noch aus

Letztlich werden sie sich die beiden Männer noch wegen diverser anderer Dinge verantworten müssen: Etwa wegen des Besitzes der Jugend-Pornos, illegalen Waffenbesitzes und auch weil es noch ein drittes, noch jüngeres Kind gibt. Die Misshandlungen, die der Halb-Bruder der Zwillinge erlitten hat, waren in diesem Prozess nämlich noch ausgeklammert worden. Zu den Vorwürfen wird es einen weiteren Prozess geben. Am Ende können sich weitere Verurteilungen dann noch auf die jetzt bereits verhängten vier Jahre Haft hinzu addieren.

Mutter soll von Kindesmisshandlung gewusst und weggeschaut haben

Einer der Verurteilten ist der ehemalige Lebensgefährte der Mutter der Kinder. Der andere ist ein Arbeitskollege, später auch Mitbewohner des 29-Jährigen. Während die Mutter arbeiten war, sollen die beiden Männer die Kinder misshandelt haben. Darüber wusste die Mutter laut Gericht angeblich Bescheid, habe aber nichts dagegen unternommen. Die beiden Kinder leben im Moment bei ihrem Großvater.

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