Notfallsanitäter auf dem Weg zu einer hilflosen Person.

Bundesweit große Unterschiede

Notfallsanitäter klagen über beschränkte Befugnisse und fehlende Medikamente

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AUTOR/IN
Sebastian Binz
Alexandra van de Pol
Anna Stradinger

Notfallsanitäter sind die ersten Helfer vor Ort und retten Leben. Doch ihre Befugnisse sind beschränkt - bundesweit mit großen Unterschieden. Experten fordern einheitliche Standards. Eine Recherche von REPORT MAINZ.

Mehrere Notfallsanitäter aus einem Bezirk in Rheinland-Pfalz berichten von fehlenden Materialien auf Rettungswagen. So würden bestimmte Nadeln zur Entlastung der Lunge - etwa nach einem Autounfall - fehlen. Außerdem mangele es an sogenannten Israeli Bandages, einem speziellen Wundverband zur Versorgung von Schwerstverletzten, kritisieren die Notfallsanitäter, die anonym bleiben wollen. Sie hätten sich deshalb schon Material von der Polizei geliehen. Einige Kollegen hätten sich in den vergangenen Monaten sogar selbst Material gekauft, erzählen sie.

Das zuständige Büro der Landrätin antwortet auf Nachfrage von REPORT MAINZ, es könne die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Die Ausstattungsliste sei “zuletzt im August (…) aktualisiert” worden. Doch eine Liste von September, die dem ARD-Politikmagazin vorliegt, zeigt, dass sich nichts geändert hatte. Erst einige Zeit nach der Anfrage bestätigen die Notfallsanitäter, sei das für sie so wichtige Material zumindest teilweise vorhanden.

Unterschiedliche Befugnisse für Notfallsanitäter

Neben fehlendem Material belasten Notfallsanitäter auch unterschiedliche Befugnisse. Denn jeder Rettungsdienstbezirk entscheidet selbst, welche Medikamente auf dem Rettungswagen sind und welche die Notfallsanitäter eigenständig verabreichen dürfen. Für Notfallsanitäter, die in unterschiedlichen Bezirken arbeiten, heißt das, verschiedene Vorschriften beachten zu müssen. Dies führe zu einer großen Verwirrung, da immer überlegt werden müsse, was man wo darf und was nicht, kritisiert ein Notfallsanitäter. Als Patient würde man je nach Bezirk unterschiedlich versorgt werden. Eine andere Notfallsanitäterin erzählt, sie habe ihren Kreis deshalb verlassen und sei umgezogen. Denn im Berufsalltag habe sie nicht so handeln dürfen, wie sie es in der Ausbildung gelernt habe.  

Bundesweiter Flickenteppich an Regelungen

Seit 2014 gilt das Notfallsanitätergesetz. Es erlaubt Notfallsanitätern, selbstständig Medikamente zu geben, "um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden" abzuwenden. Vorausgesetzt, sie haben es in der Ausbildung gelernt. Dazu wurde eigens die Ausbildung bundesweit vereinheitlicht.

Die Probleme bestünden aber weiter, kritisieren Experten. Denn der Rettungsdienst ist noch immer durch 16 einzelne Landesgesetze geregelt. Meistens sind Landkreise und Städte die Träger des Rettungsdienstes. Pro Rettungsdienstbezirk gibt es fast überall einen sogenannten Ärztlichen Leiter Rettungsdienst. Dieser bestimmt unter anderem auch, welche Medikamente Notfallsanitäter geben dürfen.

Rheinland-Pfalz

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Unterschiede bei Medikamentengabe

Wie groß dabei deutschlandweit die Unterschiede sind, zeigt eine nicht-repräsentative Umfrage von REPORT MAINZ. Auf Anfrage in bundesweit 299 Rettungsdienstbereichen hat das ARD-Politikmagazin 120 Antworten erhalten.

Der Umfrage zufolge dürfen die Notfallsanitäter im Schnitt 17 Medikamente verabreichen, ohne dass sie dafür einen Notarzt rufen müssen. Die Zahlen liegen jedoch weit auseinander. Im Rettungsdienstbezirk Nordfriesland sind es beispielsweise 38 Medikamente. In Bayern dürfen Notfallsanitäter landesweit nur vier Medikamente geben, ohne einen Notarzt nachzufordern. In Bottrop in Nordrhein-Westfahlen ist es sogar nur ein einziges Medikament.

Experte fordert einheitliche Standards

Marco König, Vorsitzender des Deutschen Berufsverbandes Rettungsdienst, kritisiert: "Das System Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, so wie es jetzt ist, ist gescheitert." Er spricht von "Standesdünkel" und kritisiert, dass noch immer die Kompetenzen der Notfallsanitäter in Frage gestellt würden. Er fordert mehr einheitliche Standards.

Auch Gesundheitsökonom Prof. Christopher Niehues von der FH Münster plädiert für bundeseinheitliche Mindeststandards, die überall verpflichtend gelten. "Für einige werden bundeseinheitliche Vorgaben ungemütlich werden. Aber wir dürfen nicht von einem kleinen Teil bestimmen lassen, dass die Notfallversorgung so heterogen bleibt."

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat kürzlich Reformen im Rettungsdienst angekündigt. Dazu gibt es verschiedene Vorschläge, die Bund und Länder gerade verhandeln.

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