Ein Justizvollzugsbeamter im Verhandlungssaal. (Foto: IMAGO, Jan Huebner)

Justizministerium bezieht Stellung

Flucht von Häftling bei Klinikbesuch: Wie kann das passieren?

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Ein Häftling flieht bei einem Arztbesuch in Ludwigshafen. Wie kann das passieren? Das Justizministerium äußert sich. Kritik gibt es daran, dass JVA-Beamte nicht immer bewaffnet sind.

Dem Häftling war nach einer medizinischen Behandlung in der Kieferchirurgie des Klinikums Ludwigshafen die Flucht mithilfe eines bewaffneten Komplizen gelungen. Die Strafvollzugsbeamten, die den Häftling aus der JVA Mannheim begleitet hatten, waren offenbar unbewaffnet.

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Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) sagte dem SWR, nach bisherigen Erkenntnissen sei für die begleitenden Justizbeamten das Tragen einer Schusswaffe nicht angeordnet gewesen. Der Strafgefangene sei an den Händen sowie an einen der Beamten gefesselt gewesen.

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Ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Landesjustizministeriums teilte auf SWR-Anfrage mit, dass bei Häftlingen in Rheinland-Pfalz vor jedem Arzt- oder Klinikbesuch geprüft werde, wie groß die Gefahr ist, dass der oder die Gefangene flüchten könnte.

Dabei geht es den Angaben zufolge darum, wie viele Justizbeamten den Gefangenen begleiten sowie, ob und wie viele von ihnen bewaffnet sein müssen. Wenn eine Flucht oder Befreiung zu befürchten ist, können auch Polizisten den Gefangenen zum Arzt begleiten.

Warum finden Arztbesuche außerhalb des Gefängnisses statt?

Grundsätzlich seien Arztbesuche von Häftlingen nur dann möglich, wenn diese nicht in ihrem Gefängnis oder im Justizvollzugskrankenhaus in Wittlich behandelt werden können. "Alle Anstalten versuchen, die ärztliche Betreuung innerhalb des Strafvollzugs zu gewährleisten", führte der rheinland-pfälzische Justizminister, Herbert Mertin (FDP), gegenüber dem SWR aus.

Alle Anstalten versuchen, die ärztliche Betreuung innerhalb des Strafvollzugs zu gewährleisten.

Nicht immer sei dies möglich. Es könne beispielsweise sein, dass für eine Untersuchung spezielle Geräte erforderlich seien, deren Anschaffung für JVA zu kostspielig wäre. In solchen Fällen dürften Häftlinge zur Untersuchung das Gefängnis verlassen, erklärte Mertin.

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Leiterin der JVA Frankenthal: Arzttermine erfolgen spontan

In Rheinland-Pfalz sei die Ausführung ohne Schusswaffen laut der JVA-Leiterin in Frankenthal, Gundi Bäßler, "absolut normal". Die Ausnahme seien Fälle, in denen die Schusswaffenmitnahme angeordnet wird. "Wir geben Arzttermine des auszuführenden Gefangenen im Vorfeld nicht bekannt. Dieser kriegt morgens gesagt, bitte fertig machen, es geht zur Ausführung zum Facharzt."

Gewerkschafter Conrad: Zu wenig Ausbildung an der Waffe

Winfried Conrad, früherer Landesvorsitzender der Gewerkschaft Justizvollzug, sagte dem SWR, es gebe auch in Rheinland-Pfalz sehr viele Ausführungen zu Fachärzten außerhalb der gesicherten Einrichtungen, bei denen die Justizbediensteten nicht bewaffnet seien. Das werde in jedem Fall einzeln entschieden.

Ex-Gewerkschaftschef Conrad kritisierte, dass Rheinland-Pfalz die "flächendeckende Ausbildung" an der Waffe eingestellt habe. Es würden zu wenige Justizvollzugsbedienstete an der Waffe ausgebildet. Deshalb könnten nicht alle Transporte mit Waffe begleitet werden.

Justizminister ist gegen flächendeckende Ausbildung an der Waffe

Justizminister Mertin hingegen hält es für richtig, dass nicht alle JVA-Beamten Waffen tragen und weist auf das damit verbundene Risiko hin: Gefangene könnten die Waffe entwenden.

"Soweit mir bekannt ist, ist in jeder Anstalt eine ausreichende Anzahl an Personen an der Waffe ausgebildet und in der Lage diese zu führen", sagte Mertin. "Sollte das aus irgendwelchen Gründen nicht mehr ausreichen, müsste man nachsteuern." Aber: Es sei nicht vorgesehen, dass jeder Mitarbeiter im Strafvollzug an der Waffe ausgebildet wird.

Zu den konkreten Umständen der Flucht in Ludwigshafen äußerten sich Mertin und das Justizministerium nicht. Die Flucht ist gegenwärtig Gegenstand von Ermittlungen. Aktuelle Ereignisse, wie jetzt in Ludwigshafen, würden jedoch ausgewertet, um die Sicherheitsstandards weiter zu verbessern, so das Ministerium.

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