Man sieht das Innere von einem vollautomatisierten Supermarkt. Dort kann man Lebensmittel ohne, dass Personal vor Ort ist. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Zeitenwende im Einzelhandel

Immer mehr Supermärkte bieten 24/7-Einkaufsmöglichkeiten

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Antonia Glaser

Ohne Zeitverlust, ganzjährig und rund um die Uhr Lebensmittel einkaufen – diese bequeme Realität ist bereits in vielen Ländern Standard. In Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz gibt es immer mehr solcher Läden. Doch wie steht es um die Regelungen zur Sonntagsöffnung?

Im 1.700-Einwohnerdorf Bollendorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm) hat in der vergangenen Woche ein besonderer Dorfladen eröffnet. Der Mini-Supermarkt wird an fünf Tagen in der Woche mit Personal besetzt sein. Zu den restlichen Zeiten erhalten Kunden mittels spezieller Karten eigenständigen Zugang zum Supermarkt. Ein weiterer Laden mit diesem Verkaufskonzept ist in Wassenach (Kreis Ahrweiler) geplant.

Ein modernes Nahversorgungsmodell

Vielerorts müssen Dorfläden schließen – das hat Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bewohner. Insbesondere in ländlichen Gebieten wirken Supermärkte als Ortsmittelpunkt und bilden die Versorgungsgrundlage. Der 24-Stunden-Supermarkt in Bollendorf soll in erster Linie die Lebensmittelgrundversorgung der Bürger sichern. Vor seiner Eröffnung mussten die Bewohner sieben Kilometer zum nächsten Einkaufsmarkt fahren.

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Bei dem Bollendorfer Laden handelt es sich um eine sogenannte hybride Verkaufsstelle. Zu bestimmten Öffnungszeiten wird der Laden von Angestellten betrieben - zu Zeiten, in denen kein Personal vor Ort ist, können Kunden den Markt eigenständig öffnen, betreten und dort bezahlen.

Gleichzeitig erfreut sich das vollautomatisierte Geschäftsmodell zunehmender Beliebtheit: Läden, in denen kein Personal anwesend ist, und Kunden zu jeder Tages- und Nachtzeit selbstständig einkaufen können.

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Gerichtsentscheid über Sonntagsöffnungszeiten in Hessen

Zu Beginn dieses Jahres hat ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) im Nachbarland Hessen die Pläne einer 24-Stunden-Supermarktkette zum Scheitern gebracht. Unter Verweis auf das hessische Ladenöffnungsgesetz (LadöffnG) entschieden die Richter, dass Mini-Supermärkte, die vollständig ohne Personal auskommen, dennoch an Sonn- und Feiertagen nicht mehr öffnen dürfen.

Im hessischen Landtag gab es erste Anhörungen zu einer möglichen Reform des LadöffnG. Ein Sprecher der 24-Stunden-Supermarktkette äußert sich hoffnungsvoll hinsichtlich bevorstehender Veränderungen: "Wir sind optimistisch, dass sich hier demnächst etwas tun wird."

Ver.di kritisiert Sonntagsöffnung

Nach Auffassung der Gewerkschaft ver.di ist die Öffnung von Läden sonntags nicht berechtigt. Ihrer Meinung nach würden fortlaufend neue Gründe gefunden, um Verkaufsstellen auch sonntags zugänglich zu machen – etwa durch verkaufsoffene Sonntage oder Jahrmärkte. Eine Mitarbeiterin bei ver.di Rheinland-Pfalz Saarland sagt: "Wir kämpfen als Gewerkschaft dafür, dass die Sonntage frei bleiben, damit die Menschen einen sicheren Tag in der Woche haben, an dem sie sich regenerieren können." Sie warnt davor, dass die Entwertung des Sonntags als Ruhetag zu neuen Problemen führen könne. Beispielsweise müssten dann neue Betreuungsmöglichkeiten für Kinder gefunden werden.

Auch hybride Verkaufsstellen sieht die Gewerkschaft kritisch. Selbst die Anreise zu solchen Läden wird als potenzielle Gefahr für die Sonntagsruhe betrachtet und daher von ver.di kritisiert.

"Gegen eine reine Ausrichtung auf Kommerz und Konsum"

Kritisch sehen auch die Bistümer Trier und Limburg die Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen. Als Mitglied der "Allianz für den freien Sonntag", einem Bündnis von Kirchen und Gewerkschaften, möchte das Bistum Trier die Folgen einer Rund-um-die-Uhr-Konsumgesellschaft aufzeigen.

Sonn- und Feiertage sollten, nach Ansicht beider Bistümer, nicht vorrangig der Leistung oder Arbeit gewidmet sein. Stattdessen sollten die Tage Raum für Erholung, soziale Begegnungen und Familienzeit bieten. Laut dem Bistum Trier seien viele Vereine und ehrenamtliche Gruppen auf einen Tag wie den Sonntag angewiesen, an dem alle Menschen Zeit haben.

Das Bistum Limburg äußert gegenüber dem SWR zwar Verständnis für die schwierige Lage des stationären Einzelhandels. Allerdings sehe man nicht, "dass mit Sonntagsverkäufen die Probleme des Einzelhandels zu lösen sind".

Damit soll ein Zeichen gesetzt werden gegen die Zersplitterung von Familien, die Auflösung von Gemeinschaften gegen eine reine Ausrichtung auf Kommerz und Konsum.

IHK unterstützt die Sonntagsöffnung

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz befürwortet die Öffnung von Geschäften an Sonntagen. Auf ihrer Homepage schreibt sie, die Sonntagsöffnung sei für Städte ein "notwendiges Marketinginstrument". Die Landesregierung soll, ihrer Meinung nach, die Regeln für verkaufsoffene Sonntage anpassen. "Ziel muss eine rechtssichere und unbürokratische Regelung der Sonntagsöffnung" sein, so Sven Klein, Referent für Handel und Stadtmarketing der IHK Koblenz.

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Greift die Diskussion von Hessen nach Rheinland-Pfalz über?

In Rheinland-Pfalz dürfen Geschäfte grundsätzlich von montags bis samstags zwischen 6 und 22 Uhr geöffnet sein. An Sonn- und Feiertagen dürfen die meisten Geschäfte nicht öffnen.

Derzeit stehen im LadöffnG von Rheinland-Pfalz keine Sonderregelungen für automatisierte Märkte. Zu diesen zählen sowohl hybride Verkaufsstellen als auch Supermärkte, die ganz ohne Personal auskommen. Einfache Warenautomaten werden gemäß dem LadöffnG nicht als Verkaufsstellen betrachtet, da diese nicht betreten werden können.

Ob für einen automatisierten Markt das LadöffnG und somit die Sonntagsruhe gilt, hängt davon ab, ob er als Verkaufsstelle oder Warenautomat eingestuft wird.

Wird ein automatisierter Markt als Warenautomat eingestuft, gilt das LadöffnG nicht. Wenn ein automatisierter Markt als Verkaufsstelle eingestuft wird, gilt das LadöffnG und damit der Sonn- und Feiertagsschutz. Für die Einstufung sind die örtlichen Verwaltungen zuständig.

Ausnahmeregelung des Ladenöffnungsgesetzes

Unter bestimmten Umständen kann eine Behörde Sondergenehmigungen des LadöffnG (nach Paragraph 12) ausstellen, wenn "diese im öffentlichen Interesse dringend notwendig sind." Beispielsweise dann, wenn sie die Nahversorgungslage im öffentlichen Raum gefährdet sieht.

Ein Beispiel für eine Ausnahmeregelung des LadöffnG ist die 39 Quadratmeter große Einkaufsbox in Altenahr (Kreis Ahrweiler). Die Inbetriebnahme dieses Mini-Supermarktes wurde vonseiten der Verbandsgemeinde genehmigt, um die Grundversorgung der Bürger sicherzustellen. Insbesondere nach der Zerstörung der Infrastruktur durch die Flutkatastrophe war diese nicht mehr gewährleistet. Unter diesen Umständen bringe die Genehmigung der Einkaufsbox eine deutliche Entlastung für die Bevölkerung, wie ein Sprecher der Verbandsgemeinde Altenahr mitteilt.

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Antonia Glaser