Fotomontage aus einem Taschenrechner mit dem Wort "Schulden" und Geldscheinen. Viele Kommunen in Rheinland-Pfalz sind hoch verschuldet und fordern vom Land eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs.

Nach den Rücktritten in Freisbach

Große Verärgerung in vielen Gemeinden in RLP über finanzielle Lage

Stand

Nach dem Rücktritt des Ortsbürgermeisters und des Gemeinderats von Freisbach (Kreis Germersheim) wird deutlich, dass in vielen Kommunen Unmut über die finanzielle Ausstattung durch die Landesregierung herrscht.

Nach Auffassung des Städte- und Gemeindebundes Rheinland-Pfalz (GStB) bräuchten die Kommunen eine deutlich bessere Finanzsituation. Die Rücktritte im südpfälzischen Freisbach könnten sonst kein Einzelfall bleiben. "Bereits jetzt haben wir die Rückmeldung von immer mehr Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeistern, dass sie aufgrund dieser Umstände nicht mehr bereit sind, bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr für das Amt zur Verfügung zu stehen", hieß es. 2.260 Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz werden laut Verband von ehrenamtlichen Ortsbürgermeistern geführt.

Freisbach

Interview: Protest gegen Finanzpolitik des Landes Rheinland-Pfalz Gemeinde- und Städtebund RLP: Rücktritt in Freisbach nachvollziehbar

In Freisbach treten Rat und Bürgermeister aus Protest zurück. Andere Gemeindespitzen sollten nicht folgen, sagt Aloysius Söhngen, Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes RP, im SWR-Interview.

Söhngen: Grundsteuer wurde in vielen Kommunen schon erhöht

Aloysious Söhngen, Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes RLP, sagte im Interview mit dem SWR, der kommunale Finanzausgleich sei unterfinanziert. Rund 1.000 Gemeinden im Land hätten keinen ausgeglichenen Haushalt. Söhngen verwies darauf, dass viele Kommunen bereits in der Vergangenheit die Grundsteuern erhöht hätten. Aber um die Haushalte auszugleichen, müssten sie zum Teil die Grundsteuer-Hebesätze verdoppeln, verdreifachen und vervierfachen.

Bei einer Erhöhung der Gewerbesteuern drohe dagegen die Abwanderung von Unternehmen. Söhngen sagte weiter, auf die Umlagen, die die Kommunen an die Kreise und Verbandsgemeinden abführen müssten, könne man im jetzigen System nicht verzichten. Die Kreise haben keine eigenen Steuereinnahmen und legen die Höhe dieser Umlage selbst fest.

"Rote Karten" für Innenminister Ebling

Der Unmut bei den Ortsgemeinden ist groß. So hat die Ortsgemeinde Kerzenheim (Donnersbergkreis), nachdem sie gezwungen war, den Hebesatz für die Grundsteuer auf 1.000 Prozent anzuheben und damit nahezu zu verdoppeln, rote Karten drucken lassen und an die Bürgerinnen und Bürger verteilt. Sie sollten diese an Innenminister Michael Ebling (SPD) schicken.

Die Verbandsgemeinde Hunsrück-Mittelrhein hat bereits im November 2022 zusammen mit fast allen Ortsgemeinden und Städten einen Brandbrief "Kommunale Selbstverwaltung in Gefahr" an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) geschrieben. Einen ähnlichen Brandbrief verfasste der Stadtrat Bitburg in diesem Mai.

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Die Verbandsgemeinde Münstermaifeld in der Eifel erwägt eine mögliche Klage gegen das Land. Sie kritisiert den neuen kommunalen Finanzausgleich. Dieser sieht vor, dass die Gemeinden nicht mehr Geld ausgeben dürfen als sie einnehmen. Dadurch müssten sie Grund- und Gewerbesteuern erhöhen, sagte Verbandsbürgermeister Maximilian Mumm (SPD) dem SWR. Deswegen könne er eine Klage nicht ausschließen, so Mumm. Und nicht zuletzt ist ja auch die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck aus der SPD ausgetreten, weil sie die Finanzausstattung der Stadt für nicht ausreichend hält.

Ludwigshafen

Oberbürgermeisterin spricht über ihre Beweggründe Ludwigshafener OB Steinruck: "Austritt ist ein Weckruf an SPD in Bund und Land"

Mit ihrem Austritt aus der SPD hat die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Steinruck die Kommunalpolitik erschüttert. Jetzt spricht sie exklusiv mit dem SWR über ihre Beweggründe.

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Germersheimer Landrat fordert mehr Geld für kommunale Pflichtaufgaben

Auch der für die Kommnualaufsicht Freisbachs zuständige Landrat im Kreis Germersheim, Fritz Brechtel (CDU), sieht das Land in der Pflicht. "Das Land muss den Kommunen mehr Geld geben. Alles andere ist Wunschdenken und Nebelkerzenwerferei. Ob es aber mit dieser Landesregierung klappt, da habe ich meine Zweifel", sagte Brechtel. Vor allem benötigten die Kommunen mehr Geld für ihre Pflichtaufgaben, die ihnen das Land auferlege und für die sie sich verschulden müssten. Dazu gehört etwa die Unterbringung von Asylbewerbern. Es fehle das Geld für Infrastrukturprojekte und Mittel für freiwillige Leistungen wie die Vereinsförderung, Schwimmbäder oder Spielplätze.

Ebling verweist auf Entschuldungsprogramm

Innenminister Ebling betonte, dass das Land über das Entschuldungsprogramm in diesem Jahr die Kommunen entlasten wird. So werde es der Gemeinde Freisbach voraussichtlich eine Million Euro Altschulden abnehmen. Das vergrößere die Handlungsspielräume. Dennoch bleibe es dabei. Auch die Kommunen müssten etwas tun: Und sei es, dass sie die Grund- und die Gewerbesteuer weiter erhöhen.

Rheinland-Pfalz

Nach Rücktritten in Freisbach Ebling weist Kritik an Finanzausstattung der Kommunen in RLP zurück

Innenminister Michael Ebling hat Kritik an der Finanzausstattung der Kommunen in Rheinland-Pfalz zurückgewiesen. Städte und Gemeinden bekämen mehr Geld als früher, sagte er im SWR.

Baldauf sorgt sich um Kommunalwahl

Der CDU-Landesvorsitzende Christian Baldauf sorgt sich um die Kommunalwahlen im kommenden Jahr. Schon jetzt würden viele Bürgermeister und Ortsvorsteher sich genau überlegen, ob sie unter den schwierigen Rahmenbedingungen noch einmal antreten wollten. Das Beipiel Freisbach zeige, "wie sehr die Landesregierung die Ehrenamtlichen vor Ort mit den Problemen im Stich lässt. Es wird so immer schwerer werden, Menschen für ein kommunalpolitisches Engagement zu gewinnen.“

Baldauf forderte Ministerpräsidentin Dreyer direkt auf, sich an die Seite der Kommunen zu stellen und ihnen die Gelder zur Verfügung zu stellen, die sie für die Bewältigung ihrer Aufgaben benötigten.

Freie Wähler fürchten um Schwund bei Ehrenämtlern

Ähnlich äußerten sich die Freien Wähler. Der kommunale Finanzausgleich müsse neu geregelt werden, sagte Fraktionschef Joachim Streit. Ansonsten drohe ein massiver Schwund an ehrenamtlichen Kommunalpolitikern. Es entstehe der Eindruck, dass man im "Mainzer Elfenbeinturm" an der Wirklichkeit vorbeiregiere.

Bund der Steuerzahler spricht von "simulierter Demokratie"

Auch der Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz spricht von einem "Weckruf". Der Geschäftsführer René Quante nannte die kommunale Selbstverwaltung "eine simulierte Demokratie". Die ehrenamtlichen Bürgermeister und Räte seien angesichts der Unterfinanzierung durch das Land nur noch "Statisten für die Kommunalaufsicht". Freisbach werde kein Einzelfall bleiben. "Es rumort in Rheinland-Pfalz."

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