Weniger Apotheken in NRW: Warnung vor Unterversorgung

Stand: 04.07.2023, 16:37 Uhr

Seit Jahren nimmt die Zahl der Apotheken in NRW ab. Jede zehnte Kommune hat sogar nur noch eine Apotheke. Von Verbänden heißt es: Es ist "fünf vor zwölf".

Von Christian WolfChristian Wolf

Wer in Vorst (Kreis Viersen) ein Medikament benötigt, kennt die Apotheke von Regina Bormann. Denn ihre Markt-Apotheke ist die einzige in der Gemeinde. Über solch ein Alleinstellungsmerkmal freut sich eigentlich jede Geschäftsfrau. Doch Bormann ist bereits 69 Jahre alt und weiß nicht, ob sie für ihre Apotheke eine Nachfolge findet, wenn sie in Ruhestand geht. Müsste sie ihr Geschäft dann schließen, gäbe es in Vorst gar keine Apotheke mehr.

Apothekerin Regina Bormann aus Vorst

Apothekerin Regina Bormann

"Dann wäre hier wirklich Tabula rasa", sagt sie. Die normale Versorgung wäre dann nicht mehr vorhanden. Ohne Auto wäre keine Apotheke mehr zu erreichen. "Das ist echt eine dramatische Situation." Schon die Suche nach neuem Personal sei äußerst schwierig. Auf Stellenanzeigen melde sich manchmal keine einzige Person. Wie soll das erst werden, wenn es um einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für die Apotheke geht? "Die Chance, da jemanden zu finden, der das weiterführen möchte, sind ganz, ganz schlecht", sagt Bormann.

Weniger Apotheken in NRW

Das Beispiel aus Vorst ist kein Einzelfall. Wie die Situation im Bereich der Apotheken ist, zeigt eine neue Studie, die am Dienstag in Düsseldorf vorgestellt wurde. So ist seit dem Jahr 2000 die Zahl der Apotheken in NRW um 21 Prozent zurückgegangen - von 4.821 auf nur noch 3.804 im vergangenen Jahr. Vor allem seit zehn Jahren beschleunige sich die Entwicklung. Die größten Rückgänge gab es demnach in Hagen (minus 33 Prozent), Kleve und Remscheid (jeweils -25 Prozent).

Eine Folge ist, dass es immer häufiger in einer Kommune nur noch eine einzige Apotheke gibt. Die Zahl dieser Ein-Apotheken-Kommunen stieg innerhalb von zehn Jahren um 52 Prozent an. So gab es in NRW im vergangenen Jahr 41 Kommunen mit nur einer Apotheke - 2012 waren es 27. Immerhin habe es keine Kommune ganz ohne Apotheke gegeben, berichteten die Forscher.

Warnung vor Unterversorgung

Noch sei das Apothekennetz in NRW tragfähig, bilanzierte die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening. "Es zeigen sich aber zunehmend einzelne schwächer versorgte Gebiete gerade in ländlichen beziehungsweise strukturschwachen Regionen." Es sei "fünf vor zwölf", um die flächendeckende Versorgung zu sichern. "Wir müssen jetzt die Strukturen der öffentlichen Apotheken vor Ort stärken, bevor Regionen unterversorgt sind. Konkret heißt das: Wir müssen die öffentlichen Apotheken stärken", so Overwiening.

David Matusiewicz im Interview mit Westpol

Gesundheitsökonom David Matusiewicz

Der Gesundheitsökonom David Matusiewicz sagte am Dienstag dem WDR, dass es derzeit eher eine Ungleichverteilung an Apotheken gebe und nicht zu wenige. "Wir haben Regionen, Städte, da haben wir vier Apotheken an einer Kreuzung und es gibt ländliche Räume, wo die Wege zu lang sind." Auf der einen Seite gebe es kleine Apotheken, die an ihre Grenzen kämen - auch wegen der Konkurrenz im Internet. Diese müssten sehr viel tun für einen relativ überschaubaren Umsatz. "Auf der anderen Seite gibt es große Ketten, gerade in den Städten, die sehr gut laufen und die sehr, sehr viel Geld verdienen."

Auf ein weiteres Problem wies am Dienstag Armin Hoffmann hin, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein: das Fachkräftedefizit. "Bereits jetzt kommen auf einen stellensuchenden Apotheker bis zu 20 offene Stellen." Um den wachsenden Bedarf an Pharmazeuten decken zu können, brauche es zum Beispiel Anreize, damit junge Menschen auch selbstständig werden wollen. "Ebenso hilfreich wie entlastend wäre ein Abbau der überbordenden Bürokratie in den Apotheken", so Hoffmann.

Grundversorger und nicht nur Apotheker

Laut der Studie, die vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) für die beiden Apothekerkammern in NRW erstellt wurde und auf einer repräsentativen Befragung beruht, erwartet die Bevölkerung von den Apotheken vielfältige Dienstleistungen. Wichtig seien neben Rezepten, Rezepturen und Akutversorgung, Beratung, Nacht- und Notdienste inzwischen auch Liefer- und Botendienste. "Insbesondere dort, wo Ärztemangel herrscht, wächst die Bedeutung von Apotheken für die gesundheitliche Grundversorgung", heißt es. Dazu zählten etwa auch Impfangebote oder Gesundheitstests. Die Forscher empfehlen unter anderem, das Image der Apotheken als regionale Grundversorger gezielt zu stärken.