Abschiebungen von Flüchtlingen

NRW verhängt Abschiebestopp für jesidische Frauen und Kinder

Stand: 19.12.2023, 11:10 Uhr

Weil es keinen bundesweiten Abschiebestopp für Jesiden gibt, wird nun die NRW-Landesregierung tätig. Eine dauerhafte Lösung ist das aber nicht.

Von Christian WolfChristian Wolf

Als erstes Bundesland hat Nordrhein-Westfalen einen sofortigen Abschiebestopp für jesidische Frauen und Kinder verhängt. Grundlage ist ein entsprechender Erlass, wie das zuständige Fluchtministerium am Montag in Düsseldorf mitteilte. Zuvor hatten mehrere Medien darüber berichtet. Der Abschiebestopp gelte für drei Monate mit der Option, ihn von Seiten des Landes einmal um drei Monate zu verlängern.

Verweis auf Lage der Jesiden im Irak

Zur Begründung wird vom Ministerium auf die "schwierige menschenrechtliche Situation für Angehörige der Minderheit der Jesiden im Irak" hingewiesen. Insbesondere jesidische Frauen und Kinder im Nordirak seien "erheblichen Gefahren" ausgesetzt. So komme es immer wieder zu Zwangsprostitution, Rekrutierung von Kindersoldaten und Versklavung. Laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen würden Frauen durch Kämpfer des "Islamischen Staates" verschleppt und verkauft.

Bundesregierung soll dauerhafte Lösung finden

Aus Sicht des Ministeriums ist der Abschiebestopp aus NRW aber nur die zweitbeste Lösung. "Eine dauerhafte Sicherheit für Angehörige der jesidischen Minderheit kann allerdings einzig und allein das Bundesministerium des Innern und für Heimat schaffen", heißt es.

Damit wird darauf angespielt, dass es seitens der Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP bislang keinen bundesweiten Abschiebestopp gibt. Das von der Grünen-Politikerin Josefine Paul geführte NRW-Ministerium nimmt aber das von ihrer Parteifreundin Annalena Baerbock geführte Außenministerium in Schutz und verweist auf das Haus von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "Das Auswärtige Amt ist in seiner Lageeinschätzung sehr deutlich, leider zieht das für Rückführungen bzw. deren Aussetzung zuständige Bundesinnenministerium daraus keine Konsequenzen."

Josefine Paul (2023)

Fluchtministerin Josefine Paul

Ministerin Paul erklärte am Montag: "Ich habe mich mehrfach und über einen längeren Zeitraum beim zuständigen Bundesinnenministerium für einen bundesweiten Abschiebestopp eingesetzt. Leider bisher erfolglos." Eine dauerhafte Lösung könne es nur über eine gesetzliche Regelung des Bundes geben. "Das Land kann nicht der Reparaturbetrieb für die unterlassene Arbeit der Bundesinnenministerin sein, unsere Mittel sind spätestens in einem halben Jahr erschöpft", so Paul.

Die SPD-Opposition in NRW hält die Entscheidung der Ministerin zwar für "wichtig und richtig". "Dieses Ergebnis hätten wir aber auch schon am vergangenen Mittwoch mit einer breiten Mehrheit im Landtag erzielen können", sagte Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat. Denn in der vergangenen Woche hatte die SPD bereits einen Antrag für einen Abschiebestopp gestellt, der aber mehrheitlich abgelehnt wurde. "Es ist schon mehr als befremdlich, dass die schwarz-grüne Koalition wertvolle Zeit verstreichen lässt, nur um die größte Oppositionsfraktion auszuklammern", sagte Kapteinat.

Völkermord vom Bundestag anerkannt

Jesiden sind eine religiöse Minderheit unter den Kurden mit mehreren hunderttausend Mitgliedern. Sie leben vor allem im nördlichen Irak. Viele sind jedoch vor der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geflüchtet. Der Deutsche Bundestag hatte im Januar die Verbrechen des IS an den Jesiden als Völkermord anerkannt. Der jesidische Glaube vereint Elemente verschiedener nahöstlicher Religionen, vor allem aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum.