CDU-Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen

Aktuelle Stunde 28.10.2023 Verfügbar bis 28.10.2025 WDR Von Per Quast

Landesparteitag der CDU stärkt Wüst kräftig den Rücken

Stand: 28.10.2023, 17:22 Uhr

Wüst und Merz als Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur? Merz spielte auf dem Parteitag seine Kritik an der CDU-Landesregierung runter. Eine kleine Spitze hatte er dennoch im Köcher. Eine Analyse.

Von Sabine Tenta

Der 45. Landesparteitag der NRW-CDU hat sich am Samstag in Hürth in Geschlossenheit geübt. Der Bundesvorsitzende Friedrich Merz und der Landesvorsitzende Hendrik Wüst demonstrierten große Einigkeit. Das sah im Juni noch ganz anders aus. Da hatte Merz im ZDF kräftig gegen Wüst ausgeteilt: "Die Unzufriedenheit mit Regierungen in den Ländern - auch in NRW - ist fast so groß wie mit der Regierung im Bund." Zuvor waren Äußerungen Wüsts als Ambitionen aufs Kanzleramt gedeutet worden.

Auf der Bühne des Landesparteitags steht Friedrich Merz und redet gestikulierend

Friedrich Merz

In Hürth spielte Merz dies in seinem Grußwort an den Parteitag runter: "Lieber Hendrik, im Juni sind wir eine kleine Kurve gefahren." Er sagte es leise, beiläufig und dann kraftvoll und laut das Bekenntnis, "wir arbeiten eng, freundschaftlich ohne Widerspruch zusammen". Aber um die Machtverhältnisse klarzumachen, sagte Merz am Ende seiner Ausführungen zur Migrationspolitik an Wüst gewandt: "Das wird nicht in der MPK entschieden, sondern im Bundestag."

In der Sache waren sich Merz und Wüst einig. Der Leitantrag des Landesvorstands zur Migrationspolitik stützte in weiten Teilen die Linie der Bundes-CDU.

Die Migrationsleitlinie der NRW-CDU

Im Leitantrag Migration sind in erster Linie Maßnahmen aufgelistet, die die Bundesregierung und die EU umsetzen müssten. Die Grundlinie sieht wie folgt aus: "Das christliche Menschenbild gebietet es uns, Menschen in Not zu helfen." Aber Menschen, die keine Aussicht auf Bleiberecht haben, sollen nicht mehr nach Europa und Deutschland kommen. Darum solle das EU-Türkei-Abkommen reaktiviert werden und ähnliche Abkommen mit weiteren Ländern, insbesondere in Nordafrika geschlossen werden.

Der Schutz der EU-Außengrenzen solle gestärkt werden und die Liste der sicheren Herkunftsstaaten ausgeweitet. Wenn die Anerkennungsquote der Asylsuchenden für ein Land unter fünf Prozent liege, solle eine entsprechende Klassifizierung erfolgen.

Wüst mit starkem Ergebnis bei Vorstandswahl

Hendrik Wüst hielt im Vergleich zu Merz die schwächere Rede: Das Meiste seiner Ausführungen dürften die Delegierten, allesamt Politprofis, wohl schon einmal gehört haben. Darum stieg während der Wüst-Rede auch der Lautstärkepegel im Saal merklich, viele der 680 Delegierten waren mit ihrer Aufmerksamkeit bei anderen Dingen. Doch das schlug sich nicht im Wahlergebnis wieder: 96,7 Prozent stimmten für den Landesvorsitzenden. Es zeigt: Hendrik Wüst ist im neuen Amt als Landesvorsitzender angekommen und kann eine bemerkenswerte Kontinuität bei dem Wahlergebnis aufzeigen.

Zwei Jahre zuvor, als er in Bielefeld das Amt vom gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet übernahm, waren es 98,3 Prozent. Damals war es ein Vertrauensvorschuss, diesmal eine Bilanz seiner ersten beiden Jahre als Chef des größten Landesverbands der CDU. Ein Ergebnis mit stabilem Rückenwind.

Schlechter schnitt Wüsts Generalsekretär ab: Paul Ziemiak, der als Generalsekretär der Bundes-CDU die verlorene Bundestagswahl mitverantwortete, war von Wüst überraschend zum "General" der NRW-CDU gemacht worden. Erstmals stellte sich Ziemiak den Delegierten in NRW in diesem Amt zur Wahl und erhielt 87,4 Prozent der Stimmen.

Die weiteren Vorstandsmitglieder

Als Stellvertreterinnen und -vertreter des Vorsitzenden wurden fünf Personen in den Vorstand gewählt: Ina Scharrenbach (85,2 Prozent), Daniel Sieveke (76,0 Prozent), Sabine Verheyen (74,9 Prozent) und Elisabeth Winkelmeier-Becker (63,9 Prozent). Erstmals in den Vorstand gewählt wurde Jan Heinisch (87,9 Prozent). Er ist für Herbert Reul nachgerückt, der nicht mehr antrat.

Auftakt mit starkem politischem Signal zu Israel

Auf der Bühne des Landesparteitags steht Ron Prosor und lächelt ins Publikum

Ron Prosor spricht zu den Delegierten

Relativ kurzfristig war das Programm des Landesparteitags um einen wichtigen Punkt ergänzt worden. Der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, sprach zu den Delegierten. Es war ein hochpolitischer, aktueller, aber auch emotionaler Auftakt, der eine überzeugende und sehr warme Solidaritätswelle nach Israel sandte.

Getragen von einem kräftigen Applaus, betrat Prosor das Podium. "Ich fühle die Freundschaft und Solidarität mit Israel", sagte Prosor sichtlich bewegt und bedankte sich für die uneingeschränkte Unterstützung. In einer auch in Deutschland aufgeheizten und kontroversen Diskussion zum Nahost-Krieg, stellte Prosor unmissverständlich die Positionen Israels dar: Die Strukturen des Hamas-Terrors müssten beseitigt werden, "sonst können wir nicht in dieser Region als jüdischer Staat überleben". Die Hamas sei für die humanitäre Lage im Gazastreifen verantwortlich, sie hätte ihre Kommandozentrale beispielsweise unter ein Krankenhaus gelegt.

Bitte um Unterstützung Deutschlands bei der UNO

Mit Blick auf die umstrittenen Äußerungen von UNO-Generalsekretär Guterres sagte Prosor: "Als ich Botschafter Israels an der UNO war, habe ich meine Haare verloren." Dann ein dringender Appell: "Wir brauchen Deutschlands Unterstützung an der UNO, sich bei Abstimmungen enthalten, ist nicht genug." Eine klare Replik auf das jüngste Abstimmungsverhalten Deutschlands, das sich in der UNO bei einer Israel-Resolution enthalten hatte.

Zuvor hatte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst für die Delegierten die Solidarität mit Israel bekundet: "Unsere Haltung ist glasklar. Israel hat das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu wehren, wir stehen fest an der Seite unserer israelischen Freunde." Am Ende von Ron Prosors Rede antworteten die Delegierten im Stehen mit einem entschlossenen Applaus.

Hendrik Wüst schüttelt Ron Prosor die Hand

Hendrik Wüst (links) und Ron Prosor

Wüst überreichte Prosor ein großes Pappschild, in der Mitte ein Foto von Konrad Adenauer und dem ersten israelischen Ministerpräsidenten David Ben-Gurion. Dazu der Text: "Solidarität mit Israel - Nie wieder ist jetzt." Unterschrieben war die Papptafel zur Bekräftigung von Mitgliedern der NRW-CDU.

Prosor dankte erneut und endete seinen Auftritt mit einem Zitat von Ben-Gurion, das in dieser schwierigen Lage auch den Delegierten einen Hoffnungsschimmer zeigte: "Wenn man in Israel nicht an Wunder glaubt, ist man kein Realist."

Abstimmung der Antragssammlung im Schnellverfahren

Neben Leitanträgen des Vorstands, wie der zur Migration, gab es auch von Seiten der Basis Anträge, die inhaltliche Akzente setzen. Mehr als 30 wurden vorab von einer Antragskommission gesichtet. Intensiv diskutiert wurden die Anträge nicht, denn eine Technik-Panne hatte den Zeitplan des Parteitags kräftig durcheinandergewirbelt.

Das Revival der Papp-Wahlkabine

Die CDU wollte auf ihrem Landesparteitag Digitalgeschichte schreiben. Zum ersten Mal sollte es ein elektronisches Wahlverfahren für den Vorstand geben. Das Ergebnis gebe es sofort, auf Knopfdruck, hieß es im Vorfeld aus der Partei verheißungsvoll. Doch nachdem in Hürth alle Delegierten ihre digitalen End- und Leihgeräte gezückt und versucht hatten, sich für einen Testlauf ins WLAN einzuloggen, ging dies schon in die Knie.

Der Anbieter der digitalen Infrastruktur konnte nicht gewährleisten, dass wirklich alle Stimmen gezählt werden. Darum wurde wieder ganz klassisch mit Stimmzetteln und Tischkabinen, also Pappaufstellern als Sichtschutz, gewählt und mit der Hand am Arm ausgezählt.

Entsprechend lang war die Wahl des Landesvorstands und der 31 Mitglieder für den erweiterten Vorstand. Doch der Leiter des Parteitags-Präsidiums, Nathanael Liminski, gab Gas und die Kandidatinnen und Kandidaten übten sich bei ihrer Vorstellung im Schnellsprechen.

Das Signal des Parteitages

Am Ende steht das Signal des Parteitags, dass die NRW-CDU als größter Landesverband geschlossen ist - und fest hinter ihrem Vorsitzenden Hendrik Wüst steht. Dessen Gewicht in der Bundespartei war mit der gewonnenen Landtagswahl 2022 stark gewachsen und wurde in Hürth bestätigt.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 28.10.2023 auch im Fernsehen in der Aktuellen Stunde ab 18.45 Uhr.

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