Seit etwa 2016 machen die Forschenden in Dresden schon Abwassertestung im Rahmen der europaweiten Studie. Ursprünglich wollten sie herausfinden, ob sich im Abwasser Antibiotika-Resistenzen bilden. Bisher wurden nach dieser Methode nur die Zahlen für Kokain in der Stadt Rostock in Mecklenburg-Vorpommern ermittelt. Jetzt wollte der NDR wissen, ob und wie viele Drogenrückstände sich in den Abwässern der anderen größeren Städte befinden und wie sich die Zahl in Rostock verändert hat.
Die Proben wurden in den Klärwerken der Städte Rostock, Schwerin, Neubrandenburg und Greifswald genommen.
Entsprechend der strengen Auflagen der Studie wurden in jeder Stadt sieben bis acht Proben genommen: Für jede Probe wurde über einen Zeitraum von 24 Stunden Abwasser gesammelt. Es handelt sich um Tage, an denen es nicht geregnet hat. Der Zeitraum der Probenentnahme war vom 8. bis zum 29. Juni 2023.
Getestet wurde auf die Drogen Kokain, Speed, Crystal Meth, Ecstasy, Heroin - also auf die gängigsten synthetische Drogen. Bei diesem Testverfahren kann auch Nikotin und Alkohol nachgewiesen werden. Um auf Cannabis Rückschlüsse zu ziehen, wäre ein separates Verfahren notwendig gewesen.
Die Wirkstoffe beider Drogen gehören zur Substanzklasse der Amphetamine. Sie haben eine aufputschende und euphorisierende (beglückende) Wirkung. Ein entscheidender Unterschied zwischen Speed und Crystal besteht in der Reinheit der Substanz. Im Schnitt enthält eine Dosis Crystal Meth 70 bis 90 Prozent reines Meth-Amphetamin. Das heißt, es handelt sich um eine viel höhere Wirkstoffkonzentration als beim klassischen D-Amphetamin - genannt Speed (Quelle: Institut für Suchtprävention Österreich). Während Speed-Konsum in Europa vor allem in Nord- und Westeuropa einen Schwerpunkt hat, liegen die Orte mit hohem Crystal-Meth Konsum vor allem in Tschechien, der Slowakei und dem südlichen Ostdeutschland.
Ein Probenahmeautomat an den jeweiligen Klärwerken sorgt dafür, dass über 24 Stunden in bestimmten Taktungen stets zur gleichen Zeit, ein festgelegtes Volumen gesammelt wird. Die Mitarbeitenden der entsprechenden Klärwerke haben die Proben dann zur Technischen Universität Dresden geschickt. Außerhalb der Studie testet das Klärwerk ohnehin kontinuierlich auf Werte wie Sauerstoff, Nitrat, Nitrit oder Ammoniak.
Im Labor in Dresden wurden die Proben von Fäkalien gereinigt und gefiltert, anschließend wurden Feststoffe extrahiert. Danach wird mit einer Kombination aus Chromatographie und Massenspektrometrie analysiert, welche Drogenrückstände in welcher Menge vorkommen.
Chromatographie ist eine Methode, um Stoffgemische voneinander zu trennen und zu analysieren. Chromatographische Methoden können dabei helfen, den gesuchten Stoff von "Nebenprodukten" abzutrennen. Ein kurzes Video erklärt, wie sie funktionieren.
Auf eine ebenfalls weit verbreitete Droge, das Cannabis, wurde in dieser Studie nicht getestet. Der Grund hierfür ist das Testverfahren. Cannabis kann in dem oben beschriebenen Verfahren nicht analysiert werden. Dennoch ist die Uni Dresden zurzeit im Gespräch über eine umfangreiche Testung auf Cannabis - im Zuge der Diskussion um eine Legalisierung.
Anhand anderer Abwasserkennwerte, wie organische Rückstände, Stickstoff oder Phosphor, können die Forschenden ermitteln, ob die Messwerte zuverlässig sind. Denn zum Beispiel bei Phosphor gibt es Erfahrungswerte, wie hoch die Menge ist, die eine Person durchschnittlich pro Tag an das Abwasser abgibt. Die Wissenschaflter berücksichtigen außerdem verschiedene Standortfaktoren wie die Länge des Abwassersystems oder die Anzahl der angeschlossenen Personen.
Nach der Aufteilung der Stoffe im Chromatographen erhalten die Forschenden Zahlen der jeweiligen Stoffe in Nanogramm pro Liter. Zurückgerechnet auf die Anzahl der ans Abwassersystem angeschlossenen Haushalte und darin lebenden Menschen errechnet der Experte dann, wie viele Menschen theoretisch welche Droge konsumiert haben.
Es gibt derzeit keine anderen gesicherten Zahlen, wie viele Menschen Drogen konsumieren. In Befragungen ist die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumenten nicht die Wahrheit sagen, hoch. Eine Kriminalitätsstatistik berücksichtigt nur die Fälle, in denen Konsum "aufgeflogen" ist.
Es ist keine exakte Berechnung möglich, wie viele Personen welche Menge an Drogen nehmen. Auch Gründe für Drogenkonsum oder die Ermittlung von Straftätern können nicht über die Methode ermittelt werden.