Winfried Kretschmann (Bündnis 90Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, zeigt während eines Besuchs der Universität Stuttgart einen Aufkleber mit der Aufschrift „The Sätellite“. (Foto: dpa Bildfunk, Archivbild (picture alliance/dpa | Marijan Murat))

Luft- und Raumfahrtstrategie

Wie Baden-Württemberg zum "Aerospace Länd" werden will

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Das Weltall, unendliche Weiten - BW will bei der Erforschung mitmischen. Die Zusammenarbeit von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen im Land soll verstärkt werden.

Die baden-württembergische Landesregierung will die Luft- und Raumfahrtbranche stärken. Zum einen sollen 42 Millionen Euro in den Bereich investiert werden. Zum anderen setzt sie auf eine stärkere Vernetzung von Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Ziel sei, als innovativer Standort bekannter zu werden und Baden-Württemberg zum "Aerospace Länd" zu machen, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart.

Stärkung der Wirtschaft in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg sind rund 16.000 Menschen im Bereich Luft- und Raumfahrttechnik beschäftigt. Sie erwirtschaften jährlich fünf Milliarden Euro, so Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Sie sieht darin eine Schlüsselindustrie, die einen Technologietransfer auch in andere Branchen ermögliche: "Was dort ausgedacht wird, zündet im Land auch in anderen Bereichen", sagte sie.

Kretschmann betonte die Notwendigkeit einer engen Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft. "Das entscheidende ist: Schaffen wir den schnellen Transfer von Wissenschaft in die Wirtschaft und in Geschäftsmodelle?", sagte er. Man müsse mehr Studierende dazu ermutigen, selbst unternehmerisch tätig zu werden - da gebe es noch "Luft nach oben".

"Dass wir ein Zentrum der Luft- und Raumfahrttechnik sind ist zu wenig bekannt."

Der Weg zur Klimaneutralität in Flugverkehr und Raumfahrt?

Die Forschung soll letztlich auch dazu beitragen, Luft- und Raumfahrt umweltfreundlicher zu machen. Nachhaltigkeit bis 2050 sei das Ziel, erklärte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne). Flugverkehr müsse auch in Zukunft möglich bleiben, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), aber klimaneutral.

Die Branche habe das Thema zu lange ignoriert, übernehme jetzt aber Verantwortung. Projekte im Bereich Wasserstoffantrieb für Flugzeuge und sogenannte "Sustainable Aviatin Fuels" (nachhaltige Treibstoffe, die Kerosin ersetzen sollen) sehe er als vielversprechend. Der Mobilitätsforscher Stefan Gössling hält das Ziel einer klimaneutralen Luftfahrt bis 2050 dagegen für utopisch. Das sagte er im März dem SWR. Er bezweifelt, dass die notwendigen Mengen an synthetischem Kraftstoff hergestellt werden können. Bislang gebe es dafür keine großen Produktionsanlagen.

Attraktivität von Studium und Ausbildung steigern

Für Kretschmann geht es auch darum, dass Baden-Württemberg den Nachwuchs für sich gewinne. Man wolle die "entsprechenden Fachkräfte und die ganzen Cracks auf der Welt, die in diesem Bereich arbeiten, bekommen". Die Ausgangslage in Baden-Württemberg sei dafür "herausragend gut", schwärmte Wissenschaftsministerin Olschowski. Die Universität Stuttgart habe immer noch eine der größten Fakultäten in dem Bereich.

Olschowski und Kretschmann hatten die Einrichtung dieses Jahr besucht. Die Begeisterung der Menschen, die dort arbeiten, sei beeindruckend gewesen, berichtet Kretschmann. "Das hat mich daran erinnert, wie wir alle bei der ersten Mondlandung vor der Glotze gehockt sind und total fasziniert waren." Dieser "Spirit" habe sich auch bei den Studierenden erhalten.

Winfried Kretschmann (Bündnis 90Die Grünen, l), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, und Petra Olschowski (Bündnis 90Die Grünen), Wissenschaftsministerin von Baden-Württemberg, betrachten während eines Besuchs der Universität Stuttgart einen studentischen Satelliten 3-Unit Cube Sat. (Foto: dpa Bildfunk, Archivbild (picture alliance/dpa | Marijan Mura))
Ministerpräsident Kretschmann und Wissenschaftsministerin Olschowski (beide Grüne) bei einem Besuch an der Universität Stuttgart im Februar.

Zusammenarbeit auf europäischer Ebene

Wissenschaftsministerin Olschowski sieht die Luft- und Raumfahrt vor einem Paradigmenwechsel - nicht nur im Bereich Nachhaltigkeit. Es gehe auch um den Zugang zum Weltraum. Angesichts privater Unternehmen sei der anders als das zu Zeiten der Mondlandung der Fall war.

Für Kretschmann handelt es sich dabei auch um eine Frage der Sicherheit und des Schutzes kritischer Infrastruktur. Europa brauche einen unabhängigen Zugang zum All. Dafür mache sich das Land auch in Berlin und Brüssel stark. Zwar stehe man auch in Konkurrenz zu anderen Standorten in Deutschland und Europa, letztlich konkurriere man aber zusammen gegen China und die USA.

Raumfahrttechnik made in Baden-Württemberg

Nach Angaben der Landesregierung arbeiten etwa 40 Prozent aller in Deutschland im Bereich Raumfahrt Beschäftigten in Baden-Württemberg. Auch Technik für internationale Forschungsprojekte wird im Land entwickelt. In Lampoldshausen bei Heilbronn beispielsweise wurden Raketentriebwerke getestet. Die Raumsonde "Juice" wurde teilweise bei Airbus Immenstaad am Bodensee entwickelt - sie befindet sich derzeit auf dem Weg zum Jupiter um dessen Monde zu erforschen. Weltraumforschung und Militärtechnik gehen dabei oft Hand in Hand - das Unternehmen Airbus Defence and Space etwa ist einer der größten Rüstungskonzerne Europas.

Das Land wolle den Bereich künftig noch stärker finanziell unterstützen, erklärte Kretschmann. Zum Auftakt der Luft- und Raumfahrtstrategie mit dem Titel "The Aerospace Länd - on to new horizons" ist Anfang Juli eine Veranstaltung an der Universität Stuttgart mit dem Künzelsauer Astronauten Alexander Gerst geplant.

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SWR