Nicole Bögel aus Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) bei einem Hochsitz auf der Jagd - die überzeugte Veganerin erlegt und isst auch Wildbret aus heimischen Wäldern.

Fleisch nur von selbsterlegtem Wild

Jeganismus: Warum diese Veganerin aus Blaubeuren zur Jagd geht

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Katja Stolle-Kranz
Katja Stolle-Kranz

Nicole Bögel aus Blaubeuren ist überzeugte Veganerin. Trotzdem geht sie zur Jagd und isst das Fleisch von Tieren, die sie selbst getötet hat. Wie passt das zusammen? 

Nicole Bögel aus Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) ernährt sich bewusst vegan und verzichtet auf Fleisch und andere tierische Produkte. Mit einer Ausnahme: Sie genießt Wildbret. Denn sie ist in ihrer Freizeit auch Jägerin und isst das Fleisch von Rehen und Hasen, die sie selbst erlegt hat. Damit gehört sie zu den sogenannten Jeganerinnen. Ein Widerspruch ist dies aber für sie nicht.

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Veganerin aus Blaubeuren: "Beim ersten Schuss raste der Puls"

Ihr allererster Schuss in einem Waldstück bei Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) traf ein Reh, erzählt Nicole Bögel: "Habe ich heute noch immer vor Augen. Es ist absolut keine Normalität, das Herz rast, man hat erst mal mit sich zu kämpfen, dass man den Puls runter bringt und sich aufs Wesentliche konzentriert", so die 30-Jährige.

Für mich kam nur Fleisch infrage, das von Tieren stammt, die ich selbst gesehen habe.

Denn der Schuss müsse sitzen, um das Tierleid zu minimieren, so die junge Jägerin. Zum Glück habe sie damals ihr Mann Andreas begleitet, mit dem sie meist zusammen bei fremden Jagdgrundpächtern in der Umgebung auf die Pirsch geht. Auch er ist Jäger.

Nicole Bögel aus Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) bei einem Hochsitz auf der Jagd - die überzeugte Veganerin erlegt und isst auch Wildbret aus heimischen Wäldern.
Nicole Bögel aus Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) bei einem Hochsitz auf der Jagd. Die überzeugte Veganerin erlegt und isst auch Wildbret aus heimischen Wäldern.

Neuer Trend: Jeganer und Jegetarier essen Wildbret

Der Trend kommt aus Österreich. Dort gibt es immer mehr, vor allem junge Menschen, die sich etwa in den sozialen Netzwerken als Jeganer bezeichnen, weil sie sich vegan und eigentlich ohne tierische Produkte ernähren, aber zur Jagd gehen und Selbsterlegtes essen. Parallel dazu gibt es die Jegetarier, die im Wesentlichen Vegetarier sind, aber ebenfalls bei Wildbret aus der eigenen Jagd eine Ausnahme machen.

Manfred Chaloun - erst Vegetarier, dann Jäger

Auch bei Vegetarier Manfred Chaloun kommt schon seit Jahren kein Fleisch auf den Tisch. Es sei denn, er hat es auf seinem gepachteten Jagdgrund in Dornstadt-Scharenstetten (Alb-Donau-Kreis) selbst geschossen: "Reh, Schwarzwild, Hasen oder Dachse gehören dazu", so Chaloun. Er ist Kreisjägermeister bei der Jägervereinigung Ulm.

Manfred Chaloun - der Vegetarier geht auch zur Jagd. Einen Widerspruch sieht er darin nicht.
Manfred Chaloun ist Vegetarier und geht dennoch zur Jagd. Einen Widerspruch sieht er darin nicht.

"Man muss sich das aber nicht so vorstellen, als würden wir Jäger dauernd mit der Büchse nach dem Abschuss Ausschau halten. Die Jägerschaft ist zum größten Teil Hege und Pflege des Waldes und seiner Bewohner", erklärt Chaloun.

Jagd trotz veganer oder vegetarischer Ernährung - ein Widerspruch?

Für Manfred Chaloun steht seine gemüsereiche und vegetarische Ernährung keinesfalls im Widerspruch zu seiner Leidenschaft fürs Jagen. Die hat er auch erst in den vergangenen Jahren entdeckt. "Man kann sich sehr gut fleischlos ernähren. Darauf bin ich irgendwann vor vielen Jahren gekommen". Aber es gebe auch gute Mischformen, so Chaloun. Durch einen Geschenkgutschein, den er erstmal beiseite gelegt habe, sei er zur Jägerschaft gekommen und habe so die Leidenschaft für die Natur entwickelt.

"Wir Jäger haben einen gesellschaftlichen Auftrag, zu schauen, dass die Nahrungsmittelkette für das Wild stimmt. Und dass Tiere nicht grundlos entnommen werden, sondern ein sinnvoller Ausgleich der Wildtierpopulationen stattfindet. Das verkennen nur sehr viele", so der 65-Jährige, der auch beim Veterinäramt der Stadt Ulm arbeitet und dort im Namen der Prüfbehörde für die Einhaltung von Tierwohl steht.

Nicole und Andreas Bögel an der Theke ihres kleinen Lokals in Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis). in ihrem kleinen Lokal in Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis). Hier verarbeiten und bereiten sie neben veganen Gerichten auch Fleisch aus der eigenen Jagd zu.
Nicole Bögel und ihr Mann Andreas in ihrem kleinen Lokal in Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis). Hier verarbeiten und bereiten sie neben veganen Gerichten auch Fleisch aus der eigenen Jagd zu.

Nicole Bögel wurde vor einigen Jahren Veganerin, auch aus dem Gedanken heraus: "Es wird immer mehr Fleisch produziert, teilweise unter schwierigen Bedingungen und auf Kosten der Tiere." Bei ihr spielten auch gesundheitliche Gründe eine Rolle.

Doch irgendwann entschloss sie sich wegen der Ausgewogenheit, auch wieder ein wenig Fleisch zu essen. "Da kam für mich aber nur Fleisch infrage, das von Tieren stammt, die ich selbst gesehen habe", so Bögel. So machte sie 2021 ihr "grünes Abitur", wie sie den Jagdschein wegen seiner Komplexität bezeichnet. Dabei lerne man so viel über das Gleichgewicht in der Natur.

Einen Widerspruch zu ihrer sonst veganen Ernährung sieht sie nicht: "Auch uns Jägern geht es um das Tierwohl. Die Tiere da draußen haben ein gutes Leben." Sie aus dem Bestand zu nehmen, sei immer sehr gut überlegt und die Ausnahmesituation, die auch eine solche bleiben solle, so Bögel. Sie ist von Beruf Zollbeamtin und betreibt zudem mit ihrem Mann Andreas in Blaubeuren das kleine Restaurant "Odin".

Nicole Bögel: "Manche reagierten mit Unverständnis"

Am Anfang habe das Umfeld allerdings teilweise mit Unverständnis reagiert, dass sie nun als Veganerin zur Flinte greift, erzählt Nicole Bögel: "Manche meinten, die Veganer suchen sich's raus, wie es gerade passt". Doch mit der Zeit haben Freunde und Bekannte verstanden, warum sie zur Jeganerin wurde.

Fragt man Passanten auf der Straße, sind die Reaktionen unterschiedlich: "Ich kann mir natürlich aus Fleisch auch eine Möhre formen", meint eine Frau." Andere finden es dagegen okay, selbst erlegtes Wild zu verzehren und sehen durchaus einen gemeinsamen Nenner zur veganen Haltung. Wieder andere finden es inkonsequent.

Nachfrage nach Wildbret steigt

"Wenn es gerade Fleisch gibt, verarbeiten wir dies auch in unserer Küche. Denn wir bieten vor allem vegane Speisen und Wildgerichte an", so Andreas Bögel. "Vegan auch deshalb, weil wir festgestellt haben, wie schwierig es ist, sich auswärts so zu ernähren".

Auch bei Wildgerichten sei die Nachfrage und das Bewusstsein für gutes Fleisch enorm gestiegen. Andreas Bögel sei am heimischen Herd aber, im Gegensatz zu seiner Frau, der Allesesser- und probierer.

Wie in Großbritannien: Bald Wildbret in der Kita?

Wegen der zu hohen Wildbestände in Großbritannien sollen dort in Kitas mehrmals die Woche Rehgerichte serviert werden. Das brachte auch hierzulande die Diskussion um Wildbret in Kitas oder Schulen auf. "Das sind allerdings ganz andere Größenverhältnisse als hier, hohe Überpopulationen an Wildtieren dort", so der Ulmer Kreisjägermeister Manfred Chaloun. Außerdem müsse man das Wildfleisch ja erstmal bei Kindern bekannt machen und das Angebot an die Erziehungsberechtigten herantragen. Ein solcher Trend zeichne sich hierzulande nicht ab, glaubt er.

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