Straßenbahnen stehen an einer Haltestelle am Hauptbahnhof in Karlsruhe. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Uli Deck)

Vier Varianten möglich

Nahverkehrsabgabe in BW: Kommunen könnten Millionen einnehmen

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Matthias Breitinger

Damit die Städte den Nahverkehr ausbauen können, will das Land ihnen dafür eine neue Abgabe ermöglichen. Das Verkehrsministerium hat ermittelt, wie viel Geld reinkommen könnte.

Städte und Landkreise in Baden-Württemberg könnten mit der Einführung eines Mobilitätspasses viele Millionen Euro für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) erzielen, wie das Landesverkehrsministerium errechnet hat. Je nach Modell und Größe der Kommune seien Einnahmen von bis zu knapp 90 Millionen Euro im Jahr möglich, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montag in Stuttgart. "Das kann in erheblicher Weise zur Stärkung der Finanzierung des ÖPNV beitragen."

Der geplante Mobilitätspass des Landes soll den Kommunen die Möglichkeit geben, den Ausbau des ÖPNV zu finanzieren. Der Mobilitätspass sieht dazu eine Nahverkehrsabgabe vor, die von den Kommunen erhoben werden kann. Im Gegenzug müssen die Bürgerinnen und Bürger ein Guthaben für die Nutzung des ÖPNV vor Ort erhalten. Das Guthaben könnten sie für den Kauf von Zeitkarten einlösen.

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Vier Varianten einer Nahverkehrsabgabe möglich

Im Entwurf des Mobilitätsgesetzes sieht die Landesregierung vier verschiedene Varianten für die Nahverkehrsabgabe vor:

  • Alle Einwohnerinnen und Einwohner in der betreffenden Kommune müssen die Abgabe zahlen.
  • Alle Autobesitzer werden zur Kasse gebeten ("Kfz-Halterbeitrag").
  • Alle Arbeitgeber mit mehr als zehn Beschäftigten müssen pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter einen bestimmten Betrag bezahlen.
  • Die Kommune führt eine Citymaut ein, also eine Art Straßenbenutzungsgebühr. Allerdings müssten hier Bundesstraßen und Autobahnen ausgeklammert werden.

Die Kommunen sollen sich aussuchen können, welches Modell vor Ort am besten passt und wie hoch die Gebühr sein soll. Gedacht ist an niedrige zweistellige Eurobeträge im Monat. Das Verkehrsministerium hatte in den vergangenen zwei Jahren die Potenziale der verschiedenen Varianten für 21 Modellkommunen berechnet.

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Oberbürgermeister begrüßen Mobilitätspass

Vertreter dieser Kommunen zeigten sich am Montag offen für die Einführung des Passes. Man sehe damit eine zusätzliche Einnahmemöglichkeit, sagte der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). Die Finanzierung des ÖPNV sei eine "irrsinnige Belastung" für den städtischen Haushalt, man sei dringend auf andere Finanzierungen angewiesen.

Der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) sagte, eine Nahverkehrsabgabe werde dringend gebraucht. Durch die schwierige Haushaltslage und den Preisdeckel durch das 49-Euro-Ticket gebe es kaum mehr Spielräume für neuen ÖPNV. Der Landrat des Ortenaukreises, Frank Scherer (parteilos), zeigte sich ebenfalls offen für den Mobilitätspass.

Einnahmen sollen ausschließlich in den ÖPNV fließen

Die Kommunen sehen aber auch Probleme. So gebe es noch viele offene Fragen, wie eine Citymaut oder auch eine Arbeitgeberabgabe konkret umgesetzt werden könnte. Einig sind sich die kommunalen Vertreter und der Verkehrsminister darin, dass die Einnahmen - egal, welches Modell gewählt wird - zweckgebunden sein müssten, also nur für die Finanzierung des ÖPNV und vor allem für neue Angebote.

Der Landkreistag betont, die Abgabe dürfe nicht dafür verwendet werden, die geplante Mobilitätsgarantie - also ein garantiertes ÖPNV-Grundangebot im Land - zu finanzieren. "Denn die Mobilitätsgarantie soll die künftige ÖPNV-Grundversorgung sicherstellen, während der Mobilitätspass bestenfalls ein Instrument für Zusatzangebote sein kann, die darüber hinausgehen", sagte Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski.

FDP und Unternehmer warnen vor Arbeitgeberabgabe

Die Nahverkehrsabgabe ist umstritten, auch innerhalb der grün-schwarzen Koalition im Land. Nach längerem Streit zwischen CDU und Grünen über das geplante Landesmobilitätsgesetz hatte Verkehrsminister Hermann seine Pläne überarbeitet.

Kritisch steht dem Vorhaben auch die FDP gegenüber, insbesondere der Variante der Arbeitgeberabgabe. "Dieser zusätzliche Kostenblock schwächt die Wettbewerbsfähigkeit", sagte Hans Dieter Scheerer, ÖPNV-Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag.

Auch der Verband Unternehmer Baden-Württemberg sieht die Arbeitgeberabgabe kritisch. "Schließlich finanzieren die Betriebe über die Gewerbesteuer bereits einen Teil der Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs in den Kommunen", teilte der Verband mit.

Für DGB ist Mobilitätspass nur Notlösung

Dagegen sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) das arbeitgeberfinanzierte Modell als die gerechteste Variante. Allerdings sei der Mobilitätspass insgesamt eine Notlösung, da Bund und Länder nicht genügend Geld in den ÖPNV stecken wollten, sagte Maren Diebel-Ebers, stellvertretende DGB-Vorsitzende in Baden-Württemberg. "Der ÖPNV ist Teil der Daseinsvorsorge. Der klimafreundliche Ausbau von Bus und Bahn muss aus Steuermitteln finanziert werden", forderte Diebel-Ebers.

Hintergrund des Mobilitätspasses ist, dass Baden-Württemberg bis 2040 klimaneutral sein will. Deshalb will das Land den ÖPNV attraktiver machen, damit mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen. Der Individualverkehr trägt maßgeblich zu den CO2-Emissionen bei.

In zahlreichen Städten in Europa werden ähnliche Nahverkehrsabgaben bereits erhoben. So gibt es in London, Mailand, Göteborg und weiteren Städten eine Citymaut, in Paris und Wien wird die Abgabe von den Arbeitgebern eingefordert.

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