Im Prozess gegen den Inspekteur der Polizei sitzt der Angeklagte (r) mit seiner Frau vor der Urteilsverkündung im Gerichtssaal.

Urteil im Prozess gegen Polizei-Inspekteur

Meinung: Freispruch ein verheerendes Signal für belästigte Frauen

Stand
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Edda Markeli

Der Inspekteur der Polizei ist im Prozess um sexuelle Nötigung einer Kollegin freigesprochen worden. SWR-Redakteurin Edda Markeli kommentiert das Urteil.

Ich bin entsetzt - das will ich gleich vorweg sagen. Mir geht es wie vielen Frauen und Männern, die die Urteilsverkündung im Gerichtssaal verfolgt haben. Ein Freispruch, wie bitte? Es gab doch so viele Indizien, die die Glaubwürdigkeit der Polizistin untermauert haben. Und im Gegenzug deutlich gemacht haben, dass Andreas R. seine Machtposition gegenüber jüngeren Kolleginnen nicht zum ersten Mal ausgenutzt haben soll. Ich weiß natürlich, auch in diesem Prozess gilt: Im Zweifel für den Angeklagten aus Mangel an Beweisen. An diesem Grundsatz ist nicht zu rütteln. Darauf stützt sich im Kern die Begründung des Richters. Ob er damit richtig liegt, überprüft die nächste Instanz.

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Opfer sind machtlos

Deshalb möchte ich diesen Freispruch auch nicht juristisch bewerten, sondern gesellschaftspolitisch. Es ist aus meiner Sicht ein verheerendes Signal, das von dem heutigen Urteil für Frauen ausgeht, die von sexueller Nötigung oder Missbrauch betroffen sind. Sie könnten den Eindruck gewinnen: Wenn sie sich durch eine Anzeige wehren, wird ihnen nicht geglaubt, im Zweifel würde für den mutmaßlichen Täter entschieden.

Edda Markeli
Edda Markeli, SWR-Redaktion Landespolitik

Quälender Prozess

Ich versuche mich mal in die Lage dieser Frauen zu versetzen: Erst erleben sie die Gefühle von Ohnmacht und Demütigung durch den sexuellen Übergriff, dann den Nervenkrieg im Gerichtssaal und am Ende ein Urteil, das den Mann aus Mangel an Beweisen freispricht. Das Urteil wird womöglich viele Frauen davon abhalten, sich gegen sexuelle Übergriffe juristisch zu wehren. Es gehört ohnehin viel Mut dazu.

 Revision der Staatsanwaltschaft richtiger Schritt

Bei diesem "Me-too"-Prozess geht es nicht nur um eine einzelne Polizistin, die sich gegen die Übergriffe des ranghöchsten Polizisten gewehrt hat. Es geht auch ums Prinzip. Nämlich darum, dass Frauen sich auch in Zukunft trauen, Anzeige zu erstatten - wenn ihnen Ähnliches widerfährt. Gut, dass die Staatsanwaltschaft in Revision geht - damit bekommt die Sichtweise der Frau eine zweite Chance. Das ist ein gutes Signal.

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