Demonstration von Klimaaktivisten der Organisation "Letzte Generation". (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/Fabian Sommer (Symbolbild))

Blockaden und Bobbycars

"Letzte Generation" kündigt Klimaproteste in BW an: Das sind die neuen Pläne

Stand

Die "Letzte Generation" will unter anderem in Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe demonstrieren. Die "Klimakleber" von einst wollen auf neue Protestformen setzen - und haben neue Ziele.

Sechs Wochen nach dem Ende ihrer umstrittenen Klebe-Blockaden plant die "Letzte Generation" weitere Klimaproteste. Zum Start eines "Widerstandsfrühlings" soll es am kommenden Samstag, 16. März, an zehn Orten in Deutschland "ungehorsame Versammlungen" geben, wie die Aktivistinnen und Aktivisten mitteilten. In Baden-Württemberg finden in Stuttgart am Flughafen, in Freiburg am Hauptbahnhof und in Karlsruhe am Großmarkt in der Durlacher Allee "ungehorsame Versammlungen" statt. Damit meint die Gruppe Blockaden durch größere Menschenmengen auf Gehwegen und Straßen.

Baden-Württemberg

Anstelle von Klebe-Protesten Nach Straßenblockaden: "Letzte Generation" plant neue Proteste in BW

Nach zwei Jahren hatten die Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" ein Ende ihrer Straßenblockaden erklärt. Nun kündigte die Gruppe eine Reihe von Protestversammlungen an - auch in Baden-Württemberg.

Die "Letzte Generation" Region Stuttgart etwa hat angekündigt ab 12 Uhr am Flughafen Stuttgart zu protestieren, da dies "ein symbolischer Ort der Klimazerstörung" sei, wie sie mitteilte. Der Protest sei nicht angemeldet. Ein Sprecher erwartet mehr als 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Aktion, wie er auf Anfrage des SWR mitteilte. Was genau geplant ist, wollte er jedoch nicht verraten. "Ein wenig Überraschung soll natürlich auch dabei sein", hieß es weiter.

Die Gruppe kritisiert, dass der "Flugverkehr aus den Klimaschutzzielen ausgeschlossen" werde, obwohl viele Besserungsmaßnahmen denkbar seien. Genannt werden etwa Beschränkungen der Kurzstreckenflüge nach München und Frankfurt, Verbote von Privatjets. "Und auch die unfaire Subventionierung von Flügen über die Steuerbefreiung von Kerosin, wärend z.B. der ÖPNV besteuert bleibt, inklusive des dafür benötigten Stromes und Treibstoffs".

Abschied vom Festkleben auf Straßen

Für die "Letzte Generation" starte damit ein neues Kapitel der Proteste. Mit Blockaden, bei denen sich Aktivistinnen und Aktivisten auf die Straße klebten, machten sie eine Menge Wirbel, bevor sie Ende Januar das Ende dieser Protestform verkündeten. Unter anderem will die Gruppe eine sofortige Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl oder Gas, bei deren Verbrennung klimaschädliches Kohlendioxid entsteht.

"Wir lassen uns nicht mehr von der Regierung belügen", sagte Sprecherin Carla Hinrichs am Montag bei einer Pressekonferenz. Die Parlamente hätten versagt, die Parteien hätten "absolut keinen Plan". "Ziviler Ungehorsam ist unsere letzte Hoffnung", ergänzte die junge Aktivistin Laura Bischoff. Seit gut zwei Jahren versucht die "Letzte Generation", mit dieser Rhetorik auf die Klimakrise hinzuweisen und eine Kehrtwende zu bewirken.

"Letzte Generation" will Reformen des Wirtschaftssystems

In ihrer Erklärung forderte sie jetzt zudem tiefgreifende Reformen des gesamten Wirtschaftssystems. Ihr geht es um Umverteilung zulasten von Reichen etwa mit einer Vermögenssteuer, um Verzicht auf Konsum, um "gerechte Rationierung" von Ressourcen, um den Rückbau von Industrien wie Auto- oder Chemiebranche. "Die Herausforderungen sind so groß, dass die Politik vor ihnen zurückschreckt", heißt es in einer an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gerichteten Erklärung. 

Tatsächlich verfolgt die Bundesregierung weniger radikale Ziele beim Klimaschutz. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 keine zusätzlichen Klimagase mehr in die Atmosphäre zu blasen. Doch schon das sogenannte Heizungsgesetz zur schrittweisen Abschaffung von Öl- und Gasheizungen löste im vergangenen Jahr ein politisches Beben aus. Wegen der Haushaltskrise fehlt Geld, um die Kosten des Klimaschutzes sozial abzupuffern.

Suche nach neuen Verbündeten

Daher muss sich auch die "Letzte Generation" Gedanken machen, wie sie wieder mehr an die Gesellschaft andocken kann. Inzwischen macht nicht nur die AfD Front gegen weitere Maßnahmen. Auch CDU/CSU und das Bündnis Sahra Wagenknecht sehen Klimaschutz offenbar nicht mehr als Priorität. Offen stellt sich eigentlich nur die Linke an die Seite der "Letzten Generation".

Fridays for Future (FFF), seit jeher breiter aufgestellt als die "Letzte Generation", ging dabei zuletzt neue Wege. Ihren Klimastreik am 1. März veranstaltete die Bewegung gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di und für das gemeinsame Ziel, den öffentlichen Nahverkehr besser auszustatten und zu organisieren.

Sowohl ver.di als auch FFF werteten ihre Zusammenarbeit anschließend als Erfolg. Die Gruppe zeigt sich auch zuversichtlich, dass die Menschen weiter mitziehen: "Bis heute ist die Zustimmung für Klimaschutz in Deutschland durch die breite Gesellschaft hinweg hoch", erklärte FFF auf Anfrage. "Jetzt bräuchte es allerdings noch einen Kanzler, der entsprechend handelt."

"Letzte Generation" will "Tür öffnen für andere Gruppen"

Die "Letzte Generation" versucht nun auf ihre Art, sich besser zu vernetzen. Ihre "ungehorsamen Versammlungen" sollen auch Menschen anziehen, die sich nicht trauten, sich vor wütenden Autofahrern auf die Fahrbahn zu kleben. Man mache "die Tür auf für andere Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung", sagte der Geologe Nikolaus Froitzheim, der die "Letzte Generation" unterstützt.

Wie diese Versammlungen genau aussehen sollen, blieb letztlich offen. Das könne ganz unterschiedlich sein, sagte Sprecherin Carla Hinrichs auf Nachfrage. Denkbar sei zum Beispiel eine "Bobbycar-Parade" von Müttern mit ihren Kindern. "Absolut friedlich" sollten die Versammlungen sein - aber auch "deutlich ungehorsamer" als eine normale Demonstration.

In Berlin, Bremen, Köln, Leipzig, Karlsruhe, Freiburg, Stuttgart, Regensburg, München und auf Rügen wird sich am Samstag zeigen, was das genau heißt.

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SWR