Das Wort "smash" steht auf dem Bildschirm eines Smartphones. Das Wort "smash" ist das Jugendwort des Jahres 2022". (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/Deutsche Presse-Agentur GmbH | Fabian Sommer)

Einschätzung einer Sprachwissenschaftlerin

"Jugendwort des Jahres" 2023: Verkommt unsere Sprache durch Slay und Co?

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Sara Rehm

"Slay" oder "Rizz" könnte zum "Jugendwort des Jahres" 2023 gekürt werden. Verkommt durch solche Begriffe die deutsche Sprache? Eine Expertin ordnet Jugendsprache ein.

"Verdummung nochmal wörtlich dargestellt", findet eine Userin auf Instagram. "Sage ich doch, es geht nur noch abwärts!", schreibt eine weitere. Solche Kommentare sind, neben vielen anderen, unter einem Post zur Auswahl für das "Jugendwort des Jahres" 2023 von SWR Aktuell Baden-Württemberg zu lesen. Vielleicht, weil die Mehrheit der nominierten Begriffe und Redewendungen aus dem Englischen kommt:

  • NPC ("Non-Player-Charakter"; Außenseiter, Mitläufer, nicht selbst denkende Person)
  • Darf er so? (Ausdruck der Verwunderung)
  • Kerl*in (Anrede für einen Freund oder eine Freundin)
  • Slay (Ausdruck der Bewunderung)
  • YOLO ("you only live once", also "man lebt nur einmal")
  • Digga(h) (oft die Anrede für einen Kumpel oder einen Kollegen)
  • Auf Lock (Abkürzung von "auf locker")
  • goofy ("tollpatschig")
  • Rizz (Fähigkeit zu flirten und charmant zu sein)
  • Side eye (drückt Verachtung oder Missbilligung aus)

Schon im vergangenen Jahr gewann ein Anglizismus: "smash". Der Begriff wird in der Jugendsprache oft verwendet, um auszudrücken, dass man jemanden attraktiv findet. Sind die Sorgen, dass es mit unserer Sprache abwärts geht und deutsche Wörter verschwinden, berechtigt?

So hat das ARD-Morgenmagazin zum "Jugendwort des Jahres" 2022 berichtet:

Entlehnung aus dem Englischen kein neues Phänomen

Dr. Annette Klosa-Kückelhaus ist Leiterin des Programmbereichs "Lexikographie und Sprachdokumentation" am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim. Sie sagt: "Der Einfluss des Englischen auf den deutschen Wortschatz lässt sich nicht verleugnen." So verzeichne das "Deutsche Fremdwörterbuch" des IDS schon lange viele ältere Entlehnungen aus dem Englischen. Das sind Begriffe wie "Action", "Band" oder "Stress". Einige davon seien schon an die deutsche Rechtschreibung und Aussprache angepasst, sodass man ihren Ursprung nicht mehr erkennt, beispielsweise "Streik" zu Englisch "strike".

Rund 30 Prozent der Neologismen (Wortneuschöpfungen) der 1990er, 2000er und 2010er Jahre im entsprechenden IDS-Wörterbuch stammen laut Klosa-Kückelhaus aus dem Englischen - zwei Drittel jedoch aus dem Deutschen. So sind beispielsweise "Gefällt mir", "Dieselaffäre" oder "Freundschaft plus" längst im Sprachgebrauch angekommen. Grundsätzlich zeigt die Entwicklung unserer Sprache laut Klosa-Kückelhaus, dass deutsche Wörter nicht verschwinden. Vielmehr werde der Wortschatz weiterhin durch die Bildung neuer Wörter ausgebaut.

Jugendsprache: Teil des Erwachsenwerdens

Auch die Jugendlichen bedienen sich nicht nur im Englischen, sondern überall. Sie gehen laut Klosa-Kückelhaus kreativ mit dem Sprachmaterial um, um immer wieder neue Ausdrucksmöglichkeiten zu finden. Das trage auch zur Kurzlebigkeit von Jugendsprache bei. All das helfe jungen Menschen, sich untereinander zu solidarisieren, zu identifizieren und zugleich gegenüber anderen abzugrenzen.

"Jugendsprache ist für junge Menschen ein wichtiger Schritt hin zu einer erwachsenen und gesamtgesellschaftlich akzeptierten Ausdrucksweise."

Die jetzt zur Auswahl stehenden Wörter der Jugendsprache gehören zum Teil in den Freundschaftskontext ("Digga", "Rizz"). Andere dienen dazu, bestimmte Emotionen auf neue Weise auszudrücken ("slay", "goofy"). Die Sprachwissenschaftlerin bewertet diese Auswahl als erwartbare Kategorien. Sie deute darauf hin, dass sich auch die aktuelle Generation der 13- bis 19-Jährigen wohl "insbesondere mit sich selbst beschäftigt".

Auch Abkürzungen oder verkürzte Ausdrucksformen aus den sozialen Medien finden sich in der Jugendsprache wieder. Beispiele hierfür: "YOLO" oder "Darf er so?". Solche Begriffe hätten auf WhatsApp und Co. einen besonderen Stellenwert, so Klosa-Kückelhaus. "Ich meine aber nicht, dass sich unsere Sprache dadurch verschlechtert, sondern sie entwickelt sich dem Medium entsprechend weiter." Die Kritik, dass wir durch solche Ausdrucksweisen "verdummen", weist sie zurück: "Die meisten Sprecherinnen und Sprecher wissen - und darunter nicht nur die Jugendlichen - zu unterscheiden, was in einer Textnachricht angemessen, in einem offiziellen Brief aber unmöglich wäre."

Jugendwort? Von wegen!

Manche unserer jüngeren Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzer, geben an, die potenziellen "Jugendwörter des Jahres" 2023 gar nicht zu kennen oder zu benutzen: "Wenn man grad mal 18 ist und nur 3 davon kennt", schreibt eine Userin. Andere finden, die Auswahl sei längst wieder out: "Wer sagt denn noch Yolo?" oder "Digga haben wir uns vor 20 Jahren schon in der Clique genannt", ist auf unserem Instagram-Kanal zu lesen. Wie schaffen es diese Wörter dann überhaupt auf die Liste?

Jury sortiert bestimmte Begriffe aus - dann entscheiden die Jugendlichen

Vorschläge für das "Jugendwort des Jahres" 2023 konnten bis Anfang August auf der Website des Langenscheidt-Verlages von jedem und jeder jeden Alters eingereicht werden. Danach werden die Begriffe zunächst quantitativ, dem Alter entsprechend, ausgewertet, wie Nikolas Hoenig, Marketingleiter bei PONS und Langenscheidt, erklärt. Aussortiert würden dann Begriffe, die etwa offensichtlich homophob, rassistisch, beleidigend oder sexistisch sind. "Sind die Wörter ausgezählt und nach diesen Kriterien gefiltert, stellt sich der Jury die Frage: Wie verbreitet ist das Wort wirklich in der Jugendsprache?"

Es kommt laut Hoenig beispielsweise immer häufiger vor, dass Begriffe vor allem eingereicht werden, weil Influencerinnen oder Influencer dazu aufrufen. Diese Wörter können dann aber auch nur für eine bestimmte Community relevant sein und würden dementsprechend aussortiert. Auch technische Manipulationen der Abstimmung seien schon vorgekommen. Man versuche bei der Auswahl der Wörter so liberal und neutral wie möglich zu handeln. Relevant für das Voting seien zudem nur Stimmen von Teilnehmenden zwischen zehn und 20 Jahren. Hoenig kann nicht ausschließen, dass hin und wieder mit dem Alter getrickst wird und das ein Grund sein könnte, dass es so auch ältere Wörter wie "YOLO" ins Voting schaffen.

Sobald die Top Ten steht, folgt eine demokratische Abstimmung. Auch bei dieser zählen nur die Stimmen der zehn- bis 20-Jährigen. Daraus ergeben sich dann die Top Drei, aus der wiederum das "Jugendwort des Jahres" per erneut demokratischer Abstimmung gewählt wird. Das Gewinnerwort wird am 22. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse bekanntgegeben. Das Team hinter der Abstimmung besteht laut Hoenig unter anderem aus Sprach-Redakteurinnen und Redakteuren, Marketingverantwortlichen und Werkstudierenden unterschiedlichen Alters - die meisten seien zwischen 20 und 30 Jahren alt.

Mitglieder des Langenscheidt-Teams zwischen 20 und 30 Jahre alt

Sobald die Top Ten steht, folgt laut Hoenig eine demokratische Abstimmung. Auch bei dieser zählen nur die Stimmen der 10- bis 20-Jährigen. Daraus ergeben sich dann die Top Drei, aus der wiederum das "Jugendwort des Jahres" erneut per demokratischer Abstimmung gewählt wird. Das Gewinnerwort wird am 22. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse bekanntgegeben. Das Team hinter der Abstimmung besteht laut Hoenig unter anderem aus Redakteurinnen und Redakteuren, Marketingverantwortlichen und Werkstudierenden unterschiedlichen Alters - die meisten seien zwischen 20 und 30 Jahre alt.

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