Mit eingeschaltetem Blaulicht fährt ein Rettungswagen auf einer Straße. Die Landesregierung in Baden-Württemberg muss die Hilfsfrist für Rettungsdienste neu regeln. Bisher sei das noch nicht passiert, meinen Richter.

Urteil fiel im Mai

Hilfsfristen für Rettungsdienste: Gericht macht BW Druck

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Anne Jethon

Die baden-württembergische Landesregierung muss die Hilfsfrist für Rettungsdienste neu regeln. Bisher sei das noch nicht passiert, meinen Richter. Jetzt erhöhen sie den Druck.

Das Land muss rasch neu regeln, in welcher Zeit Rettungskräfte bei einem Notfall am Einsatzort sein sollen. Das haben die Richterinnen und Richter am Verwaltungsgericht Stuttgart dem Land auferlegt. Die Verwaltungsrichter bemängeln, dass die Landesregierung die Vorgaben eines Urteils vom Mai nicht umgesetzt hat.

Gericht: Innenministerium missachtet Urteil

Das Verwaltungsgericht Stuttgart beanstandet, dass das Land die Hilfsfristen, die im Rettungsdienstgesetz des Landes festgeschrieben sind, weiterhin umgeht. Dabei geht es um die Zeit, in der Rettungskräfte bei einem Notfall am Einsatzort sein sollen. Im Rettungsdienstgesetz des Landes heißt es, die Hilfsfrist solle "aus notfallmedizinischen Gründen möglichst nicht mehr als 10, höchstens 15 Minuten betragen". Im Rettungsdienstplan 2022 hingegen schrieb das Ministerium: "Als Zielerreichung ist vom Einsatzannahmeende bis zum Eintreffen der Hilfe am Notfallort an Straßen eine Zeit von 12 Minuten in 95 Prozent der Notfalleinsätze anzusetzen."

Diese Vorgabe erklärte der VGH bereits im Mai für unwirksam. Laut dem Verwaltungsgericht Stuttgart hat sich das Innenministerium darüber hinweggesetzt. Indem es die Regierungspräsidien sinngemäß angewiesen habe, die Hilfsfrist einstweilen nicht neu zu berechnen, laufe das Ministerium der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes inhaltlich zuwider.

Kurze Fristen wichtig für körperliche Unversehrtheit

Die Klägerinnen und Kläger, darunter Notärzte und Kommunalpolitiker, wollen möglichst kurze Fristen. Sie argumentieren, als potenzielle Notfallpatienten in ihren Grundrechten - vor allem ihrem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit - betroffen zu sein.

Die Kläger haben aus Sicht der Richter einen Anspruch auf die Umsetzung des Urteils vom Mai. Außerdem erinnern sie daran, dass die strikte Umsetzung verbindlicher Gerichtsentscheidungen unerlässlich für die Rechtsstaatlichkeit ist. Das Land hat 14 Tage Zeit, Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen.

Je schneller der Arzt beim Patienten, desto besser stehen die Rettungschancen. Notarzt Dr. med. Benjamin Conzen aus Friedrichshafen spricht bei SWR 1 Leute darüber, wie schnell ein Rettungswagen in Baden-Württemberg vor Ort sein sollte:

Friedrichshafen

Notarzt Dr. Benjamin Conzen | 16.6.2023 So schnell sollte der Rettungswagen bei einem Notfall vor Ort sein

Im Notfall rettet Zeit Leben. Notarzt Benjamin Conzen aus Friedrichshafen über die sog. Hilfsfrist und wie schnell Notarzt und Rettungswagen vor Ort sein sollten.

Leute SWR1 Baden-Württemberg

Innenministerium arbeitete "mit Hochdruck" an Gesetzentwurf

Das Innenministerium habe seit dem Urteil im Mai "mit Hochdruck an einem umfangreichen Gesetzentwurf gearbeitet", hieß es am Dienstag in einer Pressemitteilung. Man werde den Entwurf des neuen Rettungsdienstgesetzes "schnellstmöglich dem Landtag" schicken. Auch die jetzige Entscheidung des Verwaltungsgerichts werde das Ministerium analysieren und in das weitere Verfahren einbeziehen.

Das Wohl der Patientinnen und Patienten sei ein zentrales Anliegen. Der Rettungsdienst solle wachsende Herausforderungen in einem Flächenland wie Baden-Württemberg weiterhin bewältigen können.

Kläger fordern Rücktritt von Innenminister Strobl

Die Kläger erklärten: "Wir fordern nach dieser erneuten und herben gerichtlichen Niederlage für das Land Baden-Württemberg den Rücktritt von Innenminister Thomas Strobl, der die volle politische Verantwortung für die Rechtsbeugung und damit auch für die Missachtung von Leib und Leben in Baden-Württemberg trägt." Strobl sei verantwortlich für unwirksame und unzureichende Regelungen. Er habe es versäumt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

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