Oberbürgermeister Boris Palmer und swt-Geschäftsführer Ortwin Wiebecke in der Baugrube am Tunneleingang. Tübingen will 2030 klimaneutral sein und baut deshalb sein Fernwärmenetz aus. (Foto: Stadtwerke Tübingen)

Besonderes Bauprojekt

Fernwärmeausbau in Tübingen: Stadt bohrt Tunnel unter dem Neckar

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Anne Jethon

In Tübingen bohren Fachleute einen Tunnel unter dem Neckar. Das Ziel: Die Innenstadt bis 2030 ans Fernwärmenetz anschließen. Tübingen könnte dabei Vorbild für andere Städte sein.

Tübingen will sein Fernwärmenetz ausbauen - und bohrt deshalb auch einen Tunnel unter dem Neckar hindurch. Damit soll die Innenstadt ans Wärmenetz angeschlossen werden. Am Mittwoch haben sich Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) und die Verantwortlichen der Stadtwerke Tübingen die Bohrung angesehen.

Rohr soll Innenstadt mit Fernwärmenetz verbinden

Um zum Tunnel zu kommen, muss man eine Leiter hinuntersteigen - in eine acht Meter tiefe Grube. Dort unten liegt der Tunnel, den Fachleute der Stadtwerke Tübingen (swt) momentan unter dem Neckar bohren. Das Rohr ist mehr als 1,70 Meter hoch und soll 50 Meter lang werden. Es wird den Neckar unterqueren, damit die Innenstadt an das Fernwärmenetz "Alte Weberei" angeschlossen werden kann.

"Ein solches Bauvorhaben gab es bisher in Tübingen noch nicht", erklärt Ortwin Wiebecke, Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen. Es sei eine Herausforderung, eine Leitung unter einem Fluss zu verlegen.

Die Grube, in der der Tunnel gebohrt wird, ist acht Meter tief. Hinter der Schutzwand fließt direkt der Neckar. Tübingen will 2030 klimaneutral sein und baut deshalb sein Fernwärmenetz aus. (Foto: Stadtwerke Tübingen)
Die Grube, in der der Tunnel fürs Fernwärmenetz gebohrt wird, ist acht Meter tief. Hinter der Schutzwand fließt direkt der Neckar.

"Neckardüker" heißt das Projekt, das laut swt einen entscheidenden Schritt für den Fernwärmeausbau in der Tübinger Innenstadt darstellt. Denn wenn der Tunnel fertig ist, können weitere Leitungen gebaut werden, zum Beispiel eine entlang des Fußes des Österbergs bis zum ehemaligen Schlachthofgelände. "Wir haben hier in Tübingen unterschiedliche Fernwärmeausbaugebiete. Die müssen wir jetzt miteinander verknüpfen, damit wir unsere Produktion auch an die Orte der Abnahme bringen können", so Wiebecke.

Wenn erneuerbare Energie erzeugt werde, geschehe das in der Regel außerhalb einer Stadt - "zum Beispiel mit einer Solarthermieanlage, deren Bau im Mai beginnt", erklärte Palmer. Um da eine Verbindung zur Innenstadt herzustellen, brauche es Projekte wie den "Neckardüker".

Palmer: Fernwärmenetz wichtig für Klimaneutralität

"Der Ausbau des Fernwärmenetzes ist entscheidend für unseren Weg zur Klimaneutralität", so Palmer. Bis 2030 will Tübingen klimaneutral sein, das hatte der Gemeinderat im Juli 2019 beschlossen. Zum Vergleich: Baden-Württemberg will 2040 klimaneutral sein. Das Projekt sei ein Meilenstein für eine effiziente und klimafreundliche Wärmeversorgung.

Das Fernwärmenetz wird allerdings nicht ausschließlich von erneuerbaren Energien gespeist. Laut Wärmeplanungsgesetz müssen Fernwärmenetze bis 2030 lediglich einen Anteil von 30 Prozent erneuerbarer Energien haben. Bis 2040 seien es 80 Prozent, so die swt.

Große Betonröhrenteile liegen nebeneinander neben dem Neckar auf der Erde.  Tübingen will 2030 klimaneutral sein und baut deshalb sein Fernwärmenetz aus. (Foto: Stadtwerke Tübingen)
Die Spezialfirma verlegt insgesamt 15 Betonröhrenteile mit einem Innendurchmesser von 1.400 Millimetern.

Fernwärmenetz soll wieder günstiger werden

Für die Tübingerinnen und Tübinger habe das Fernwärmenetz viele Vorteile. "Für die Verbraucher heißt das: Das Heizungsgesetz von Habeck ist mir egal, ich ruf einmal die Stadtwerke an und schon legen die die Warmwasserleitung in den Keller und damit hat sich‘s", so Palmer. Man habe dann keine Probleme mehr mit der Auswahl der Heizungstechnik, oder wann der Handwerker komme.

Und dennoch haben momentan einige Verbraucherinnen und Verbraucher Probleme mit den Kosten bei Fernwärme. Anfang des Jahres wurden deutschlandweit manche von hohen Summen in der Jahresabrechnung überrumpelt. Verbraucherinnen und Verbraucher berichteten unter anderem von rund 2.000 Euro Nachzahlung.

"Mittelfristig ist die Fernwärme sicher günstiger als die Einzelversorgung, weil Sie Erdgas aus der Leitung auch bald nicht mehr kriegen", so Palmer. Zudem fielen die Preise momentan wieder. Auch das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Wärmepreise bis zur Jahresmitte 2024 weiter sinken werden.

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