Menschen liegen auf dem Münsterplatz in Ulm, im Hintergrund das Münster. Sie demonstrieren im Liegen, um auf die Krankheit MECFS aufmerksam zu machen. Betroffene sind oft zu erschöpft, um das Haus zu verlassen. (Foto: SWR, Janke)

Verein geht von 500.000 Betroffenen in Deutschland aus

Chronisch erschöpft - Demo in Ulm macht auf ME/CFS aufmerksam

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Christine Janke
SWR Aktuell Autorin Christine Janke (Foto: SWR)

Erschöpft vom Einkaufen oder vom Zähneputzen - durch die Krankheit ME/CFS sind Menschen chronisch erschöpft. Am Samstag haben sie und ihre Angehörigen in Ulm demonstriert - im Liegen.

In Ulm haben sich am Samstag rund 60 Menschen auf den Münsterplatz gelegt, um so auf die Krankheit ME/CFS, kurz für Myalgische Enzephalomyelitis und das Chronische Fatigue-Syndrom, aufmerksam zu machen. Die Krankheit verursacht eine andauernde Erschöpfung. Die Corona-Pandemie hat die Zahl der Erkrankten anschwellen lassen.

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Betroffene und Angehörige bei der Demo in Ulm

Die Demonstration der Initiative #LiegendDemo wurde in Ulm von Susanne Ritter aus Westerheim (Alb-Donau-Kreis) organisiert. Wie sie berichtet, ist ihre Tochter seit zehn Jahren erkrankt, sie liegt etwa 23 Stunden am Tag im Bett.

Meine Tochter kann nicht einmal die Zahnpasta aus der Tube drücken.

Weil es für Schwerkranke unmöglich sei, zur Demo zu kommen, seien viele Angehörige da, beispielsweise Geschwister und Eltern, die ihre Familienmitglieder pflegten, so Ritter. Aber auch selbst Betroffene mit einem milderen Verlauf nahmen an der Demo teil. Susanne Ritter kennt viele der Anwesenden, denn sie hat schon vor Jahren eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen und telefoniert viel mit betroffenen Familien. Meist geht es um Praktisches wie die Organisation von Arztbesuchen.

Forderung in Ulm: Forschung, Behandlung, Anlaufstellen für Erkrankte

Susanne Ritter fordert zum Abschluss der Demo nicht nur mehr Forschung, diese habe tatsächlich an Fahrt aufgenommen. Wichtig sei, Ärzte und Kliniken aufzuklären - und auch Menschen im Gesundheitswesen. Bei Gesundheits- und Jugendämtern sei der Begriff ME/CFS häufig nicht bekannt. Ihre wichtigste Forderung lautet: "Es muss jetzt sofort anfangen mit einer Versorgungsstruktur." Es brauche Palliativteams zur Betreuung der Patientinnen und Patienten - und auch Ärzte, die Hausbesuche machten, aber vor allen Dingen: praktische Hilfe vor Ort.

Symtome sind Entkräftung, Schwindel und hohe Reizempfindlichkeit

Die Symptome von ME/CFS sind vielfältig. Viele Betroffene quälen sich Nacht für Nacht, weil sie krankheits- oder schmerzbedingt gar nicht schlafen können. Typische Symptome dieser schweren neuroimmunologischen Erkrankung sind unter anderem vollkommene Entkräftung, Schmerzen am ganzen Körper, Schwindel und extrem hohe Reizempfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen. Für manche ist es schon zuviel, sich im Bett umzudrehen.

Dauererschöpft, daher im Liegen demonstrieren

Ins Leben gerufen hat die Demonstrationen die Initiative #LiegendDemo mit einer großen Demo im Mai 2023. Die Initiative wurde bereits in mehreren Städten aufgegriffen. Unter dem Motto "Trauergang" gehen die Teilnehmenden schweigend eine kurze Route und betrauern ihre verlorene Lebenszeit. Das Liegen soll auf die unversorgten Menschen zu Hause in ihren Betten hinweisen. Auf den Ulmer Münsterplatz legten sich rund 60 Menschen am Samstag auf mitgebrachte Decken, Handtücher und Isomatten. Einige Passantinnen und Passanten blieben neugierig stehen und fragten nach dem Grund.

Corona-Pandemie löste Neuerkrankungen aus

Auch wenn ME/CFS schon zuvor existierte, hat die Erkrankung durch die Corona-Pandemie einen Schub bekommen, heißt es in einer Mitteilung der Initiative. Vor Corona wurde die Zahl der Erkrankten in Deutschland auf etwa 250.000 geschätzt, jetzt habe sie sich mindestens auf 500.000 verdoppelt.

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