Manfred Lucha (Grüne), Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg, spricht im Landtag bei einer Regierungs-Pressekonferenz.

Debatte um Zuwanderung

BW-Minister Lucha: "Migration nicht nur auf Belastungen reduzieren"

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Johannes Böhler

In der Migrationsdebatte geht es derzeit vor allem um die Frage, wie die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, begrenzt werden kann. Integrationsminister Lucha kommt dabei ein anderer Aspekt zu kurz.

Aus Sicht von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) wird in der Migrationsdebatte zu wenig über die Erfolge von Integration gesprochen. "Wir haben in Baden-Württemberg viele gute Beispiele für unsere Integrationsleistung: Viele Tausend Menschen, die hier Fuß fassen konnten und ein wichtiger Bestandteil dieser Gesellschaft sind", sagte der Minister für Soziales, Gesundheit und Integration der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Das müsse man stärker betonen. "Wir sollten das Thema Migration nicht nur auf Belastungen reduzieren, sondern deutlich machen, dass Migration auch eine Bereicherung ist."

Lucha will Geflüchtete schneller in Arbeit bringen

Die Anstrengungen des Landes bei der Integration seien nach wie vor hoch, sagte Lucha. "Jeder Geflüchtete, der hierbleibt, kann drei Jahre lang begleitet werden, bevor er in das soziale Regelsystem übergeht." Dafür gebe es 1.200 Migrationsmanager im ganzen Land, die man nun in der mittelfristigen Finanzplanung gesichert habe. Neben der Begleitung der Menschen brauche es aber auch weitere Schritte. "Wir müssen die Probleme am Wohnungsmarkt angehen und die Menschen, die Bleibeperspektiven haben, schneller an den Arbeitsmarkt bringen", sagte der Minister. Besonders die schnelle Integration in den Arbeitsmarkt sei auch eine Entlastungschance. "Wenn wir die Menschen, die jetzt da sind, schnell in Arbeit bringen, dann bekommen wir etwa eine Entlastung beim großen Mangel an Arbeits- und Fachkräften."

Einige Städte in Baden-Württemberg stoßen bei der Unterbringung von Geflüchteten an ihre Grenzen. Entscheidungsträger befürchten, mit einer Notunterbringung von Geflüchteten in Turnhallen den Unmut der Bürgerinnen und Bürger zu erregen:

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Lucha: Gesellschaft an vielen Punkten überlastet

Es brauche aber auch Anstrengungen, um die Migration zu begrenzen. Aufnahmegesellschaften seien immer limitiert, sagte Lucha. Im Moment sei die Gesellschaft an vielen Punkten überlastet - die Gründe für die Überlastung müssten reduziert werden. Damit unterstützt Lucha den Kurs von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in der Migrationsdebatte. Der hatte sich jüngst offen für einen schärferen Kurs gezeigt und auch bei der eigenen Partei für mehr Kompromissbereitschaft geworben. "Wenn wir im Namen der Humanität die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft auf Dauer massiv überfordern, dann werden wir die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger verlieren", warnte Kretschmann beim Landesparteitag der Grünen Mitte Oktober.

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Minister will mehr legale Migration ermöglichen

Das sei auch die Haltung, die er vor Ort von den in der Integration Engagierten höre, sagte Lucha. "Wenn ich mit Ehrenamtlichen spreche, sagen die mir: 'Herr Minister, Sie müssen dafür sorgen, dass nur die kommen, die auch wirklich eine Chance haben, hierbleiben zu können. Und Sie müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass die Menschen im Mittelmeer nicht mehr ertrinken.'"

Lucha plädiert deswegen dafür, mehr Möglichkeiten zur legalen Migration zu schaffen. "Wir sollten Ländern wie Afghanistan Chancenpools anbieten, damit die Menschen regulär kommen können und nicht über das Ausweichsystem Asyl. Die Ehrenamtlichen vor Ort berichten uns, dass viele unbegleitete Minderjährige, etwa aus Afghanistan, zu uns kommen, weil sie Schulbildung wollen. Das ist kein verwerfliches Ziel", sagte Lucha der dpa.

Kritik von FDP und AfD

"Die Realität ist doch, dass Integrationserfolge verhindert werden, weil Menschen in Ausbildung oder Arbeit abgeschoben werden, weil diese leicht aufzufinden sind", teilte Baden-Württembergs FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke als Reaktion auf Luchas Äußerungen am Sonntag mit. "Wir müssen auf die Probleme in der Migrationspolitik schauen und messen an Taten, nicht an warmen Worten", sagte Rülke. Gleichwohl erkenne er erleichtert, Lucha nun wohl auch an der Seite der FDP zu wissen, um essenzielle Anpassungen im Migrationsrecht voranzubringen.

Der migrationspolitische Fraktionssprecher der AfD, Ruben Rupp, teilte mit, es sei blanker Hohn, in der derzeitigen Lage bei Migration noch von "Bereicherung" zu sprechen. Die Migration müsse stark begrenzt werden.

Lucha wehrt sich gegen Brandbrief aus Südbaden

In der Debatte um den Umgang mit der steigenden Zahl unbegleiteter Minderjähriger verteidigte sich Lucha gegenüber der Kritik von Oberbürgermeistern sowie Landrätinnen und Landräten aus Baden. "Wir sind bei den unbegleiteten Minderjährigen schon viel weiter, als das in den Brandbriefen der Landräte und Bürgermeister den Eindruck macht", sagte Lucha. Weil immer mehr Minderjährige nach Baden-Württemberg flüchten, hatten sich die Großstädte Freiburg, Karlsruhe und Mannheim sowie mehrere Landkreise bereits Ende September direkt an Ministerpräsident Kretschmann gewandt. Ohne Hilfe aus Stuttgart könne eine Notunterbringung dieser Kinder und Jugendlichen nicht dauerhaft abgesichert werden, hieß es in dem Brandbrief.

Man habe bereits eine bundesweite Verteilung der Geflüchteten begonnen, zudem übernehme das Land alle Kosten und habe das Jugendrecht so angepasst, dass es leichter administrierbar sei. "Wir benötigen jetzt noch von der Bundespolitik, vom Bundesfinanzminister, mehr Mittel für Vorhaltepauschalen für die Jugendhilfeträger. Und wir brauchen natürlich auch mehr wirksame Kontrollen an der Grenze zur Schweiz", sagte Lucha.

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