Symbolbild: Ein Mann nimmt an einer Demonstration von hunderten Ärzte und Ärztinnen teil, die mehr Geld und die Sicherung ihres Tarifvertrages fordern, dabei trägt er ein Stethoskop und eine Trillerpfeife um den Hals.

Noch bis kommenden Freitag

Ärzteprotest: Praxen in BW bleiben zwischen den Jahren geschlossen

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Filiz Kükrekol
Michael Ströbel

Der Chef des Ärzteverbands MEDI Baden-Württemberg verteidigt Praxisschließungen aus Protest gegen die Gesundheitspolitik von Karl Lauterbach. Angesichts der prekären Lage sei dies nötig.

Der Chef von MEDI Baden-Württemberg, Norbert Smetak, hat den Streik niedergelassener Ärztinnen und Ärzte gegen die Gesundheitspolitik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigt. Der Medizinerverband ist nach eigenen Angaben mit rund 5.000 niedergelassenen Fach- und Hausärztinnen und Psychotherapeuten der größte seiner Art im Land.

Smetak sagte am Mittwoch in Stuttgart, die prekäre Lage der ambulanten Versorgung sei der Grund für die Protestaktion zwischen den Jahren. "Die Patientinnen und Patienten spüren es jeden Tag, beispielsweise auf der Suche nach Facharztterminen mit zum Teil monatelangen Wartezeiten." In vielen Regionen in Deutschland seien auch kaum noch Hausärztinnen und -ärzte vor Ort, was die desaströse Lage der ambulanten Versorgung nur noch deutlicher mache.

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MEDI-Chef beklagt mangelnde Wertschätzung

Der MEDI-Chef kritisierte eine "mangelnde Wertschätzung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte durch die Politik". Diese drücke sich in einer noch immer fehlenden Entbudgetierung, einer zögerlichen Ambulantisierung und einer unzureichenden Digitalisierung aus, deren Umsetzung auf dem Rücken der Ärzteschaft ausgetragen werden, so Smetak.

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Kritik kommt vom baden-württembergischen Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Auch wenn er Verständnis für das Anliegen der Ärztinnen und Ärzte habe, "der Konflikt kann nicht auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten ausgetragen werden - schon gar nicht mitten in einer Atemwegserkrankungs-Welle."

Praxen sollen bis Freitag geschlossen bleiben

Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik hatten Ärzteverbände bundesweit dazu aufgerufen, Tausende Haus- und Facharztpraxen zwischen dem 27. und 29. Dezember geschlossen zu halten. Für dringende Notfälle sollten Vertreter benannt werden. Die Aktion ist Teil der Kampagne "Praxis in Not", die von mehr als 20 Verbänden unterstützt wird. Zur Anzahl beteiligter Praxen in Baden-Württemberg konnte Medi am Mittwoch zunächst keine Angaben machen. Der Streik werde dezentral organisiert, so der Ärzteverband.

Die Kreisärzteschaft Schwäbisch Hall hat sich darauf verständigt, sich nicht an dem Protest zu beteiligen. "Weil wir im Prinzip dreimal die falsche Zielgruppe treffen würden", sagte die Vorsitzende Elisabeth Koerber-Kröll dem SWR. Die Hälfte der Praxen habe ohnehin wegen Urlaubs geschlossen. Wenn der Rest auch noch schließen würde, würden nur die übrigen Kollegen im Bereitschaftsdienst und die Krankenhäuser mit Bagatell-Erkrankungen überlastet, so Koerber-Kröll.

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Das sind die Forderungen der Ärzte

Die Niedergelassene Ärzteschaft beklagt finanzielle Nachteile durch politische Entscheidungen. So sei die Neupatientenregelung, die Anfang des Jahres in Kraft getreten war, auf Kosten der Kranken gegangen. Sie hätten drastisch längere Wartezeiten für Facharzttermine, so der Ärzteverband MEDI in Baden-Württemberg. Die Honorarsteigerung von 3,85 Prozent reiche nicht aus, um die ambulante Versorgung ausreichend zu finanzieren.

Mit dem Streik wolle man vor allem auf die Lage der Medizinischen Fachangestellten aufmerksam machen. Sie arbeiteten durch Personalmangel und wegen steigendem Patientenaufkommen an der Belastungsgrenze. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts, dass Poolärztinnen und Ärzte im Bereitschaftsdienst sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden müssten, habe dazu geführt, dass nicht nur Notdienstzeiten sondern auch Sprechstundenzeiten reduziert werden mussten.

Rems-Murr-Kliniken stark belastet

Eine Sprecherin der Rems-Murr-Kliniken sagte dem SWR, am Standort in Winnenden hätten sich dadurch die Patientenzahlen in der Klinik-Notaufnahme durchschnittlich um 10 bis 15 Prozent erhöht, zu Spitzenzeiten mehr als verdoppelt. Ähnlich sei die Lage in der Klinik-Notaufnahme Schorndorf. Dies dürfe kein Dauerzustand werden - "daher muss rasch eine Lösung her, damit die Ärztlichen Notfallpraxen wieder die reguläre Patientenversorgung aufnehmen können", mahnte sie.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte sich am vergangenen Donnerstag beim RBB zu dem geplanten Streik geäußert. "Die Forderungen der Ärzteschaft sind bekannt, sie müssen nicht noch einmal vorgetragen werden, daher braucht jetzt nicht gestreikt werden, insbesondere wo so viele Menschen krank sind", sagte er. Zuvor hatte der Minister einen Krisengipfel für Januar angekündigt.

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Kritik am Streik - und an Lauterbach

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte die Haltung von Lauterbach: "Außer öffentlich wirksame Verständnislosigkeit zeigt der Bundesgesundheitsminister keine Initiative, die wilden Maßnahmen zu stoppen", sagte er.

Für den angekündigten Streik der niedergelassenen Ärzte nach Weihnachten hat Brysch dennoch kein Verständnis: "Selbst die Gewerkschaft der deutschen Lokführer verzichtet zwischen Weihnachten und Anfang des neuen Jahres auf Streiks. Deshalb ist es unverständlich, dass in Zeiten vieler Kranker zu Praxisschließungen aufgerufen wird", sagte er.

AOK BW: Aktion auf dem Rücken der Patienten

Kritik an den Protesten kam auch von der AOK Baden-Württemberg. Deren Landeschef Johannes Bauernfeind sagte, in Zeiten, in denen der Krankenstand im Land besonders hoch sei und die gesundheitliche Versorgung oberste Priorität haben sollte, seien die temporäre Schließung von Arztpraxen und die damit einhergehende zusätzliche Belastung des Bereitschaftsdienstes bedenklich. "Gerade ältere und kranke Menschen sind auf eine kontinuierliche Versorgung angewiesen."

Es stehe außer Frage, dass überbordende Bürokratie in den Praxen und die dauerhafte Überlastung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte dringend angegangen werden müssten. Dafür sei jedoch ein konstruktiver Austausch der relevanten Akteure zielführender als eine Aktion auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten.

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