Fragen und Antworten - Warum der SC Potsdam ins Chaos schlitterte - und wie es nun weitergeht

Di 30.04.24 | 13:43 Uhr | Von Anton Fahl
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Symbolbild | SC Potsdam, Volleyball (Quelle: IMAGO / Eibner)
IMAGO / Eibner
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 29.04.2024 | Christian Dexne | Bild: IMAGO / Eibner

Der größte Sportverein Brandenburgs hat erhebliche Schulden, an der Vereinsspitze wird gestritten, Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender des SC Potsdam treten zum Monatsende zurück. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Lage des Vereins. Von Anton Fahl

Was wirft Präsident Andreas Klemund dem Vorstand vor?

Der Präsident des SC Potsdam, seit 2021 im Amt, gab in einer öffentlichen Mitteilung an, die er gemeinsam mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden Stephan Goericke veröffentlicht hat, erst zu spät über den neu ermittelten Finanzbedarf der ausgegliederten Spielbetriebs-GmbH der Bundeliga-Volleyballerinnen informiert worden zu sein. Als Konsequenz verkündeten Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender ihren Rücktritt zum Monatsende.

Der Betrag liege bei rund 400.000 Euro und somit weit höher als bislang mitgeteilt. Mit anderen Worten: Der Verein habe Liquiditätsprobleme, so Klemund. "Der Liquiditätsplan für Mai und Juni weist selbst beim Hauptverein ein operatives Minus von fast 60.000 Euro aus", sagte der Präsident gegenüber dem rbb.

Wie reagiert der SC Potsdam auf die Vorwürfe?

Die Vereinsverantwortlichen weisen darauf hin, dass Klemund als ehrenamtlicher Präsident nicht für den Klub sprechen könne – im Gegensatz zum hauptamtlichen Vorstand. Man wolle rechtliche Schritte gegen Klemund prüfen, "ob er sein Amt bezüglich der Außendarstellung missbraucht hat", so Hendrik Schade, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, im Gespräch mit dem rbb. "Und wir prüfen, ob er diesbezüglich - da er schon mit der Presse redet, auch über einen etwaigen Insolvenzantrag - die Kreditwürdigkeit des Vereins in erheblicher Weise gefährdet hat und damit auch echte Schäden eintreten."

Rico Freimuth, der seit Anfang 2024 als Vorstandsvorsitzender des SC Potsdam fungiert, spricht gar von einem "extremen Vertrauensbruch zwischen dem Präsidenten, dem Verwaltungsratsvorsitzenden und dem Rest des Vereins". Er habe, so Freimuth weiter, schon früh gemerkt, "dass die Art und Weise, wie sich der Präsident in jegliche Belange einmischt, zumindest fragwürdig ist. Das Vertrauen zwischen Herrn Klemund und mir ist schon länger geschädigt." Freimuth spricht von Verfehlungen, Kompetenzüberschreitungen und Amtsmissbrauch seitens des Präsidenten.

Auf der anderen Seite wirft Präsident Klemund dem Vorstandsvorsitzenden vor, nicht rechtzeitig auf die sich anbahnende Finanzkrise reagiert zu haben. Freimuth habe Klemund indes mitgeteilt, dass die Zusammenarbeit für ihn beendet sei.

Klar ist: Die Protagonisten des SC Potsdam sprechen vornehmlich nur noch übereinander statt miteinander.

Wie ist der Verein in finanzielle Schieflage geraten?

In der jüngeren Vergangenheit haben die Profi-Volleyballerinnen des SCP – als Flagschiff des mit über 5.000 Mitgliedern größten Sportvereins im Land Brandenburg – große Erfolge gefeiert, aber auch hohe Kosten verursacht.

Nach Vorwürfen des Steuer- und Sozialversicherungsbetrugs im Vorjahr wurde der Spielbetrieb der Bundesliga-Volleyballerinnen in Form der neu gegründeten "SC Potsdam Sport & Marketing GmbH" ausgegliedert, die Profi-Verträge dorthin übertragen. Die Volleyball-Bundesliga (VBL) erteilte den Potsdamern die Lizenz für die Saison 2023/24 schon nur noch unter Auflagen. Zum Ende der Hauptrunde wurden dem Erstligisten sechs Punkte abgezogen und eine Geldstrafe ausgesprochen.

Wie hoch sind die Schulden?

Ein "erhebliches Defizit" steht nun im Raum, über die exakte Höhe der Schulden sind jedoch unterschiedliche Zahlen im Umlauf. Klemunds Kritikpunkt: Der Vorstand nenne keine konkreten Summen. "Die Saison ist jetzt zu Ende und ich weiß, was ich ausgegeben habe. Das müsste in meiner Welt geradegezogen sein", so der Präsident. "Aber am Montag sagen: 450.000 Euro, am Dienstag schreibt der Geschäftsführer: Ich brauche 404.000 Euro Liquidität. Am Donnerstag lese ich in der Zeitung: Nee, es sind nur 330.000. Heute hat mir einer gesagt, sie haben nochmal geguckt: Es sind nur 200.000. Da muss ich sagen: Was willst du da ernst nehmen?"

Wogegen Vorstandsvorsitzender Freimuth kontert: "Das ist ein Geschäftsgeheimnis. Deswegen werde ich keine Zahl in den Mund nehmen. Wir prüfen das gerade, aber das obliegt dem Geschäftsgeheimnis und darf nicht nach außen getragen werden."

Wer muss für die Schulden aufkommen?

Unabhängig von der genauen Höhe der roten Zahlen stellt sich die Frage, wer für die Schulden aufkommen muss. Der Verein erklärte gegenüber dem rbb dazu lediglich: "Der Sport-Club Potsdam e.V. unterliegt keiner direkten Zahlungsverpflichtung zum Ausgleich eines Defizits gegenüber der SC Potsdam Sport & Marketing GmbH, weder als Gesellschafter noch aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag." Ausgang und endgültige Beantwortung dieser essenziellen Frage: offen.

Wie geht es weiter?

Zunächst soll auf dem Delegiertentag am 30. Mai ein neues Präsidium gewählt werden. Doch die Gräben und Verwerfungen sind tiefgreifender, die Zukunft des Vereins scheint ungewiss.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 29.04.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Anton Fahl

5 Kommentare

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  1. 5.

    Das Konstrukt eingetragener und vielleicht auch gemeinnützig anerkannter Verein und einer GmbH für andere Geschäftsbereiche, die nicht dem eigentlichen gemeinnützigen Satzungszweck dienen und Gewinn bringen, ist durchaus üblich bei großen Vereinen. Die Reingewinne der GmbH (z.B Vermietung / Verpachtung von Vereinshäusern oder Lokalen) werden dann dem eigentlichen gemeinnützigen (Mutter-)Verein übergeben bzw. gespendet. Viele große gemeinützigen Vereine sichern so ihr finanzielles Überleben. Nur: Dieser Geschäftsbereich sollte dann auch gewinnbringend sein und kein Zuschussgeschäft, in das der eigentlich gemeinnützige Verein dann einzahlt. Wenn es so kommt, läuft mit der vereinseigenen GmbH was gehörig schief. Aber da muss normalerweise gleich bei der ersten negativen Halbjahresbilanz gegengesteuert werden, sonst reißt die Pleite der GmbH den gesamten Verein mit.

  2. 4.

    Wenn aus einem Sportverein ein Unternehmen in Form einer GmbH wird, dann geht es meist bergab. Einem Verein hilft man noch uneigennützlich, etwa als Spende. Bei einem Unternehmen ist das nicht mehr möglich, wegen der erforderlichen Sozialabgaben und Steuern.

  3. 3.

    Teilweise stimme ich ihnen zu aber wollen sie mit Hobbyspielerinnen in der höchsten deutschen Spielklasse im Volleyball etwas reißen? Die romantische Denkweise einiger Sportsfreunde in allen Ehren, aber ohne Geld geht nun mal nix. Man kann aus wenig viel machen. Dazu gehört allerdings Verstand und sicherlich auch ein bisschen Glück. Hier fehlte vlt. einer der beiden Teile oder doch sogar beide.

    Alles Gute dem Hauptverein und auch der Volleyball-GmbH!

  4. 2.

    Das scheint ja ein richtiger Chaos Verein zu sein. Jeder will was zusagen haben ,was dabei rauskommt sieht man ja. Mir tun nur die Sportler leid.

  5. 1.

    Im Profi Sport geht es nur noch um Geld. Es ist schlimm, mit diesem Kapitalismus.

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