Schneereste sind auf einem Skihang am Skikarussell Altastenberg zu sehen. Altastenberg ist ein Vorort von Winterberg im Sauerland und liegt auf fast 800 Metern Höhe.
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Klimawandel und Wintersport War's das mit Skifahren in Deutschland?

Stand: 01.04.2024 15:02 Uhr

Der Winter war sehr warm, viele Skigebiete mussten den Betrieb früher als geplant einstellen. Hat Wintersport in Deutschland überhaupt noch eine Zukunft? Es kommt drauf an.

Eine Analyse von Holger Schwesinger

In zwei deutschen Skigebieten endet die Saison traditionell erst am 1. Mai. Und das sollte auch nach diesem viel zu warmen Winter kein Problem sein: Am 2.224 Meter hohen Nebelhorn bei Oberstdorf liegen aktuell zwei Meter Schnee, am Zugspitzplatt bei Garmisch-Partenkirchen drei.  

Von diesem Winter, der nicht nur sehr warm sondern auch sehr niederschlagsreich war, haben solche hoch gelegenen Skigebiete profitiert: Denn weit oben war der Niederschlag fast immer Schnee - und das auch schon sehr früh in der Saison. "Wir hatten in den Höhenlagen zum Saisonstart so viel Schnee wie schon lange nicht mehr", heißt es etwa von den Bergbahnen Oberstdorf Kleinwalsertal.

Ein Skifahrer fährt am 29.11.2023 im tief verschneiten Schwarzwald eine Piste hinunter

Der erste Schnee der Saison kam sehr früh und reichlich. Ende November konnte man - wie auf diesem Bild - sogar im Schwarzwald schon Skifahren. Doch zu Weihnachten kam dann das große Tauwetter.

Tauwetter ausgerechnet vor den Ferien

In tieferen Lagen gab es hingegen mehrere Perioden mit Dauerregen - mit entsprechenden Folgen: Denn selbst eine hart präparierte Kunstschneepiste schmilzt bei Dauerregen ziemlich schnell dahin. Das zeigte sich etwa im Sauerland, wo man trotz der geringen Höhenlage der Skigebiete von maximal 838 Metern, bislang gut davon lebt, dass die Ballungsräume an Rhein und Ruhr sowie die Niederlande nah genug für einen Tages- oder Wochenendausflug sind.

Insgesamt konnte man dort zwar mehr als 120 Skitage anbieten, oft aber nur mit einzelnen schmalen Kunstschneebändern in einer ansonsten grünen Landschaft. Und einige kleinere Gebiete im Sauerland waren im gesamten Winter nur fünf Tage in Betrieb. Als Grenze der Rentabilität für Skigebiete gilt unter Fachleuten: Es sollten 100 Tage Betrieb möglich sein - möglichst inklusive wichtiger Schulferien. Und das große Problem - nicht nur im Sauerland - war, dass die Perioden mit Tauwetter auch noch genau vor diesen Ferien kamen. Dass eine Hauptsaison ausfalle, komme häufig vor, heißt es von der Wintersport-Arena Sauerland. "Dass aber Weihnachtsferien wie auch Krokusferien nur ein kleines Grundangebot vorweisen konnten, ist außergewöhnlich."

Eine schmale Kunstschneepiste in Winterberg im Sauerland, aufgenommen am 27.02.2024

Nach dem Tauwetter sah es Ende Februar in vielen tief gelegenen Skigebieten dann aus, wie hier im Sauerland.

Nur die Hälfte kommt zum Skifahren auf die Zugspitze

Für viele Orte in den deutschen Alpen und den Mittelgebirgen sind Bergbahnen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor - auch für Branchen, die direkt oder indirekt daran hängen: Skischulen, Hotels oder das örtliche Handwerk. Allerdings gibt es in Deutschland keinen einzigen Urlaubsort, bei dem der Wintersport der dominierende Faktor wäre - in Zeiten des Klimawandels ein Vorteil. Auf die Zugspitze etwa kommen 60 Prozent der Gäste im Sommer und nur 40 Prozent im Winter - und von denen kommt nur rund die Hälfte zum Skifahren.

Schneekanonen können Verlust nicht gänzlich wettmachen

An Deutschlands höchstem Berg, wo es keine Talabfahrten gibt, kommt man auch noch ohne Kunstschnee aus. Doch in den meisten Skiorten sind Beschneiungsanlagen heute Standard. Sie können helfen, den Verlust eines "schlechten" Winters abzufedern, gänzlich wettmachen können sie ihn aber nicht. Forscher der Uni München haben das am Beispiel des Skigebietes Sudelfeld bei Bayrischzell untersucht. Dort habe sich die Umsatzdifferenz zwischen dem "guten" Winter 2005/06 und dem darauffolgenden "schlechten" Winter auf nahezu zwölf Millionen Euro belaufen. Nach dem Ausbau der Beschneiungsanlage habe die Differenz zwischen dem "guten" Winter 2017/18 und dem "schlechten" Winter 2015/16 lediglich 4,5 Millionen Euro betragen.

Eine Schneekanone am Wurmberg im Harz

Schneekanonen - wie hier am Wurmberg im Harz - sind in Skigebieten heute Standard.

Die künstliche Beschneiung ist umstritten. Anders als das Wort Kunstschnee suggeriert, besteht zwar auch dieser ausschließlich aus gefrorenem Wasser, Zusatzstoffe sind in Deutschland verboten. Aber die Beschneiung verändert den Wasserhaushalt, weil vor der Skisaison Wasser aus Bächen oder Speicherseen entnommen wird, was dann nach der Saison als zusätzliches Schmelzwasser wieder abfließen muss. Und Schneekanonen verbrauchen viel Strom, verursachen hohe Kosten und können nur bei Minustemperaturen betrieben werden.

Der zurückliegende Winter hat klar die Grenzen dieser Technik aufgezeigt. Die frühe Kälteperiode war eigentlich ideal, um die Grundlage für die Skipisten zu schaffen. Doch während diese "Grundbeschneiung" vor Weihnachten früher meist für die gesamte Saison bis Ostern ausgereicht hat, mussten diesmal wegen des Weihnachtstauwetters viele Schneekanonen im Januar erneut angeworfen werden. Die Kosten fielen also zweimal an - ökonomisch wie ökologisch.

CO2-Bilanz von Flugreisen deutlich schlechter

Der Anteil von Schneekanonen an der gesamten Ökobilanz eines Urlaubs wird oft überschätzt. Laut einer Studie des österreichischen Umweltbundesamtes tragen zur Treibhausgasbilanz eines klassischen Skiurlaubs die Freizeitaktivitäten (wozu in der Studie u.a. der Energie- und Materialeinsatz für Liftanlagen, Pistenpräparation und eben die Beschneiung gezählt werden) weniger als 20 Prozent bei.

Ein größerer Teil des "CO2-Fußabdrucks" entfällt auf die Unterkunft und der weitaus größte auf die Anreise, die im Skiurlaub fast immer mit dem Auto erfolgt. Auch andere Studien bestätigen im Grundsatz, dass die Anreise in den Urlaub für dessen CO2-Bilanz die größte Rolle spielt. Eine Flugreise schneidet damit praktisch immer erheblich schlechter ab als ein klassischer Skiurlaub. 

"Unter 1.500 Metern sieht es schlecht aus"

Aber wann liegt ein Skigebiet nun hoch genug, um auch in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten noch halbwegs schneesicher zu sein? "Unter 1.500 Metern sieht es schlecht aus", sagt der Präsident des Deutschen Alpenvereins (DAV), Roland Stierle. Und damit ist nicht gemeint, dass der höchste Punkt eines Skigebiets über dieser Marke liegt, sondern die wichtigsten Pisten, wegen derer die Skifahrer kommen. 

In den deutschen Mittelgebirgen erreicht kein Berg die 1.500-Meter-Marke. Und selbst in den deutschen Alpen liegt nur eine Handvoll Skigebiete klar darüber. Der DAV hat bereits vor zehn Jahren untersuchen lassen, wie es um deren Zukunft bestellt ist. Bei einer Erwärmung um zwei Grad wären demnach ohne technische Beschneiung nur noch Nebelhorn, Fellhorn und Grasgehren im Allgäu sowie die Zugspitze schneesicher. Und selbst mit Beschneiung blieben neben diesen vier nur noch drei weitere über: das zweite Garmischer Skigebiet "Classic" sowie die beiden Münchner "Hausberge" Wendelstein und Taubenstein. 

Viele Berge in Bayern eher was für Individualisten

Doch in gewissem Sinne ist diese Studie von der Realität längst eingeholt. Am Fellhorn etwa werden praktisch alle Pisten technisch beschneit - ansonsten wäre ein wettbewerbsfähiger Skibetrieb dort kaum mehr denkbar. Die Skilifte am Wendelstein - wo es keine Schneekanonen gibt - liefen in der Saison 2023/24 gerade mal acht Tage. Und die Betreiber der Bergbahn am Taubenstein haben schon 2015 entschieden, den Skibetrieb einzustellen, weil er sich nicht mehr lohnt. Bergbahnen sind Wirtschaftsunternehmen, die Geld verdienen müssen. Und das hängt nicht alleine an der Schneesicherheit. 

Hier spielt auch eine Rolle, ob es finanzkräftige Investoren gibt, die die Verluste einer schneearmen Saison oder die Kosten der Beschneiung schultern können. Oder ob die Bergbahn mit Menschen, die einfach nur die Aussicht genießen wollen, genug Geld verdient, um den Skibetrieb quasi nebenbei laufen zu lassen.

Wichtig ist natürlich auch wie attraktiv ein Skigebiet insgesamt ist - und für welche Zielgruppe. Viele der bayerischen "Hausberge" sind mit wenigen Liften und oft anspruchsvollen, schmalen Abfahrten eher was Individualisten. Das war auch am Taubenstein eines der Probleme: Die breite Masse, mit der man Geld verdienen kann, wählte lieber das Skigebiet auf der anderen Seite des Spitzingsees - oder fuhr gleich weiter nach Österreich.

Die einen stellen den Betrieb ein, die anderen stellen um

Das Sterben von Skigebieten in Deutschland ist also nichts, was in der Zukunft liegt, es begann schon nach einigen schneearmen Wintern in den 1980er/90er-Jahren. Früher gab es in Deutschland selbst an Orten Skilifte, an denen das heute keiner mehr für möglich hält - etwa am 167 Meter hohen Bungsberg in Schleswig-Holstein. Diese "Dorflifte" sind heute auch in den Mittelgebirgen und den Alpen vielerorts verschwunden. Aber auch viele größere, traditionsreiche Skigebiete in Deutschland haben den Betrieb entweder komplett eingestellt oder zumindest ihr Geschäftsmodell geändert.

Wie unterschiedlich Seilbahnbetreiber bereits auf den Klimawandel reagiert haben, lässt sich gut am Beispiel von vier benachbarten Bergen im Allgäu illustrieren - alle unter der 1.500-Meter-Marke: Am Gschwender Horn hat man den Betrieb schon in den 1990er-Jahren eingestellt und das Skigebiet komplett renaturiert - damals ein viel beachtetes Pilotprojekt. Nebenan am Alpsee setzt man statt aufs Skifahren auf Attraktionen wie einen "Coaster" - eine Art Rodelbahn auf Schienen. Und am Immenstädter Hausberg Mittag hat man die Schlepplifte stillgelegt, die beiden Sesselbahnen laufen aber für Fußgänger und Rodler weiter. Und sie befördern - wenn denn tatsächlich mal viel Schnee liegt - auch weiterhin Skifahrer, ohne für sie extra Aufwand zu betreiben. Im Tourismusdeutsch nennt sich das "Freeriding", was übersetzt bedeutet, dass man auf das teure Präparieren oder gar das Beschneien von Pisten verzichtet.

Naturschützer warnen vor "Größenwahn"

Das vierte Gebiet, das Ofterschwanger Horn bei Sonthofen, ist einen anderen Weg gegangen. Auch dort stand man in den 1990er-Jahren vor der Frage: investieren oder zusperren. Mit finanzkräftigen Geldgebern im Rücken hat man sich fürs Investieren in moderne Bahnen und eine leistungsfähige Beschneiungsanlage entschieden - und zumindest in den rund 25 Jahren seitdem war man damit erfolgreich.

Dass solche Investitionen aber auch eine grandiose Fehlentscheidung sein können, zeigt sich gerade am anderen Ende der deutschen Alpenkette bei Berchtesgaden: Für 57 Millionen Euro - darunter auch Steuergelder - hat man das Skigebiet am Jenner 2019 ausgebaut. In diesem Frühjahr kam dann die Entscheidung, den klassischen Skibetrieb einzustellen: Auch neue Sessellifte haben den Jenner nicht zu einem Skigebiet gemacht, mit dem man Geld verdienen kann - im Gegenteil: Die Betreibergesellschaft ist hoch verschuldet. Kritiker, etwa Naturschützer oder der Alpenverein, hatten von Anfang an vor diesem "Größenwahn" gewarnt.

Der "Time-Switcher" bleibt, der "Destination-Switcher" geht

Und was bedeutet das nun für die Zukunft der noch bestehenden deutschen Skigebiete? Viel wird davon abhängen, wie treu die Gäste "ihrem" Urlaubsort in Zeiten des Klimawandels sind. Die Forscher der Uni München haben auch das untersucht und dabei fünf Typen herausgearbeitet. Um drei davon müssen sich die deutschen Wintersportorte keine großen Sorgen machen: Der "Business-as-usual"-Typ bleibt "seinem" Ort treu, solange das Skifahren dort noch irgendwie möglich ist. Auch der "Activity-Switcher" wird wohl weiter kommen, weicht in schlechten Wintern aber auf andere Aktivitäten wie Wandern oder Mountainbiken aus. Und der "Time-Switcher" kommt einfach dann, wenn zum Skifahren genug Schnee liegt. 

Verlieren werden wenig schneesichere deutsche Orte aber den "Stop-it-Typen", der sich komplett vom Wintersporttourismus abwendet, und den "Destination-Switcher": Wenn sich die Skibedingungen in "seiner" Destination deutlich verschlechtern, wechselt dieser Typus zum Skifahren in ein anderes Skigebiet, das ihm höhere Schneesicherheit bietet - und das wird vermutlich eher nicht in Deutschland liegen.

Mit dem Angebot großer Skiarenen etwa in Österreich können in Deutschland ohnehin nur zwei Orte halbwegs mithalten: Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf. In diesen Orten mit ihren hoch gelegenen Skigebieten setzt man neben dem wichtigen Sommerbetrieb auch weiter auf Wintersport. Der Wintertourismus trage wesentlich zur Wertschöpfung in der Region bei, so Jörn Homburg von den Bergbahnen Oberstdorf Kleinwalsertal. Angebote wie Winterwandern könnten das Angebot abrunden, "die Wertschöpfung aus dem Skisport aber nicht ersetzen".

Skipiste mit gegenbüberliegender Bergkulisse

Die Allgäuer Alpen vom Kleinwalsertal aus gesehen mit den Skibergen Nebelhorn und Fellhorn im Hintergrund. Von Schneemangel kann hier Ende März keine Rede sein.

"Keinesfalls ein Auslaufmodell"

Auch von den Bergbahnen am Spitzingsee - wo man so gerade 100 Betriebstage erreicht hat - heißt es: "Skisport ist aus unserer Sicht keinesfalls ein Auslaufmodell." Am benachbarten Wendelstein hingegen spielt das Skifahren schon lange nur noch eine Nebenrolle. Auch hier bleibt man beim Blick in die Zukunft aber gelassen. Der Fokus liege klar auf dem Sommergeschäft, sagt Claudia Steimle von der Bergbahngesellschaft.

Aber auch mit der zurückliegenden Wintersaison sei man sehr zufrieden. Bei dem schönen Wetter in den Faschingsferien seien viele Fußgänger mit der Seilbahn oder der Zahnradbahn auf den Berg gefahren. Und an den acht Skitagen sei der Zuspruch der Skifans sehr gut gewesen. Solange für den Skibetrieb am Wendelstein keine größeren Investitionen nötig werden, stehe dieser "betriebswirtschaftlich nicht auf dem Prüfstand", sagt Steimle. Frei übersetzt: Wenn die beiden Schlepplifte (Baujahr 1951 und 1968) durchhalten, bleibt auch der Wendelstein ein Skiberg - zumindest in "guten" Wintern. Und die gibt es auch in Zeiten des Klimawandels, nur halt seltener.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. März 2024 um 06:00 Uhr.