Ein DNA-Speicheltest wird bei einem Mann durchgeführt.

Chronobiologie Speicheltest misst innere Uhr

Stand: 11.06.2023 08:42 Uhr

Forschende haben einen Speicheltest entwickelt, der zeigt, wie die individuelle innere Uhr unseres Körpers tickt. So soll der Test etwa den besten Zeitpunkt für medizinische Behandlungen verraten.

Von Katharina Ditschke, Sonja Emperle, Leila Boucheligua, SWR

In jeder unserer Körperzellen tickt eine biologische Uhr. Sind wir gesund, dann folgen sämtliche physiologischen Vorgänge in unserem Körper einem zeitlich abgestimmten Rhythmus, der 24 Stunden umfasst, wie der Schlaf-Wach-Rhythmus.

Wie es sich anfühlt, wenn dieser sogenannte zirkadiane Rhythmus gestört ist, erleben wir etwa, wenn wir nach einer Reise an Jetlag leiden. Bei Reisen zwischen Zeitzonen schaffen es die Rhythmen unserer Zellen und Organe nicht unmittelbar, sich mit der neuen Zeitzone zu synchronisieren, erklärt Angela Relógio von der Medical School Hamburg und der Berliner Charité.

Speichelproben zeigen, wie die innere Uhr tickt

Eine von Relógio geleitete Forschungsgruppe hat nun einen Speicheltest entwickelt, der zeigen soll, wie die persönliche innere Uhr tickt - so einfach und schmerzfrei wie wir es von den Coronatests kennen. Das Ziel der Forschenden sind personalisierte Empfehlungen für den besten Schlaf, die optimale Zeit zum Sporttreiben oder den idealen Zeitpunkt für medizinische Behandlungen, etwa bei Krebserkrankten, natürlich in Zusammenarbeit mit Ärzten und Arzneimittelherstellern.

Sind wir bei gutem Wohlbefinden, dann ticken die molekularen Uhren aller Zellen synchron, erklärt Relógio. Wenn der Rhythmus gestört ist, dann können Krankheiten wie Depressionen, Diabetes oder Krebs sich leichter entwickeln, weil Prozesse im Körper nicht optimal funktionieren oder nicht zur richtigen Zeit stattfinden, so die Forscherin weiter.

Speicheltest misst Aktivität von Genen

Für die Messung der biologischen Uhr entnahm das Forschungsteam zu vier unterschiedlichen Tageszeiten Speichelproben von den Testpersonen. Im nächsten Schritt bestimmten die Forschenden in den Zellen der Speichelproben die Aktivität mindestens zweier Gene anhand der mRNA, also den Kopien der DNA, die in den Zellen vorhanden sind.

DNA und mRNA

Die DNA enthält die Erbinformationen eines Organismus und befindet sich geschützt im Zellkern. Soll aus einem Gen ein Protein hergestellt werden, dann wird anhand der DNA eine Kopie des Proteinbauplans hergestellt, der dann aus dem Zellkern hinaus transportiert wird. Diese mRNA - auch Boten-RNA genannt - bringt so die genetischen Informationen zu den Ribosomen in der Zelle, wo die Proteine hergestellt werden.

Steuerung des Stoffwechsels

Jede Zelle des menschlichen Körpers steigert und senkt die Aktivität vieler Gene in regelmäßigen Abständen, so die Leiterin der Forschungsgruppe. So seien die Gene, die die Zellteilung oder den Stoffwechsel steuern, innerhalb von 24 Stunden je nach Tageszeit mehr oder weniger aktiv. Je mehr mRNA-Moleküle vorhanden sind, desto häufiger wurde das Gen abgelesen.

Mithilfe einer Kombination von experimentellen Analysen und mathematischen Modellen lässt sich so anhand des Speicheltests die biologische Uhr messen. Das Ergebnis sei laut Relógio eine Art Fußabdruck von unserem individuellen zirkadianen Rhythmus.

Personalisierte Medizin zur Krebsbekämpfung

Für die Behandlung von Krebserkrankten wollen sich die Forschenden zunutze machen, dass die molekulare Uhr von Krebszellen sich von der gesunder Zellen unterscheidet, so Relógio. Der Speicheltest soll den optimalen Zeitpunkt der Medikamentenvergabe zeigen - angepasst an den individuellen zirkadianen Rhythmus des Patienten oder der Patientin.

So soll es beispielsweise möglich sein, dass ein Medikament Krebszellen bekämpft, während die gesunden Zellen eine mildere toxische Wirkung erfahren. Die Forschenden gehen davon aus, dadurch die Wirksamkeit der Behandlung optimieren und die Nebenwirkungen verringern zu können. Relógio zufolge handele es sich dabei um eine extreme Form personalisierter Medizin.

Hilfe auch bei Parkinson

Erste Studien zum Speicheltest waren vielversprechend. Aktuell nehmen 35 Krankenhäuser an weiteren klinischen Studien teil, dabei wollen die Forschenden künftig auch Parkinson-Patientinnen und -Patienten helfen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 02. Juni 2023 um 09:50 Uhr.