Mit einer Kamera auf dem Dach fährt ein Auto von Google Street-View durch das Gerichtsviertel in Frankfurt.

Neue Bilder für Google Street View Die Rückkehr der Kamera-Autos

Stand: 21.06.2023 10:25 Uhr

Nach 13 Jahren erneuert Google sein Bildmaterial für Street View in Deutschland. Damals hatte es wegen des Datenschutzes eine massive Welle an Widerspruch gegeben. Was sich seitdem geändert hat.

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Urlaubsorte inklusive Cafés und Restaurants erkunden, das Viertel von neuen Wohnorten kennenlernen sowie afrikanische Nationalparks oder die Arktis bestaunen: Google Street View bietet eine dreidimensionale Ansicht öffentlicher Straßen, Gebäude und Landschaften aus mehr als 100 Ländern. In Deutschland war das Tool bislang jedoch nur eingeschränkt nutzbar. Das soll sich nun ändern. Ab morgen sind überall im Land Street View-Autos unterwegs, die neue Bilder aufnehmen. Ab Mitte Juli sollen sie dann veröffentlicht werden.

Google Street View ist wieder unterwegs

Konstanze Nastarowitz, NDR, Morgenmagazin, 22.06.2023 06:00 Uhr

Massiver Widerstand vor 13 Jahren in Deutschland

Google hatte seinen 360-Grad-Kartendienst im Sommer 2010 nach Deutschland gebracht. Aus rund 20 Städten wurden damals Fotos verwendet, die bereits in den Jahren zuvor gemacht wurden. Doch während der Suchmaschinen-Betreiber seitdem im restlichen Europa seine Bilder regelmäßig aktualisierte, kam hierzulande in 13 Jahren kein neues Material hinzu. Der Grund: Innerhalb weniger Wochen erreichte den Konzern eine Vielzahl von Beschwerden.

Ein Google-Street-View-Auto fährt in der Nähe des Brandenburger Tors in Berlin. (Archivbild: 9. Juli 2008)

Ein Google-Street-View-Auto fährt im Jahr 2008 in der Nähe des Brandenburger Tors in Berlin.

Vor allem fehlende Informationen im Vorhinein hätten im Jahr 2010 zu 245.000 Widersprüchen geführt, erklärt Thomas Fuchs, der als Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit die datenschutzrechtlichen Fragen in Deutschland mit Google klärt, im Gespräch mit tagesschau.de. Das Unternehmen sei damals "mit seinen Autos einfach losgefahren" und habe die Aufnahmen gemacht. "Darauf war die Gesellschaft schlicht nicht vorbereitet - die Bürgerinnen und Bürger wurden ein Stück weit überrollt", so Fuchs. Es sei alles neu gewesen und viele hätten sich in ihrer Privatsphäre eingeschränkt gefühlt.

Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern beschreibt es gegenüber tagesschau.de ähnlich: "Es ist immer etwas schwierig, wenn bei Menschen oder ihren Fahrzeugen zu viel erkennbar ist und daraus nachvollzogen werden kann, wer sich wann wo befunden hat." Im schlimmsten Fall könne aus dem Kontext geschlossen werden, was derjenige dort getan hat - beispielsweise vor einem Bordell oder am Gesundheitsamt. "Wenn man dabei gefilmt wurde, ohne dass man es mitbekommen hat, und es dauerhaft öffentlich dokumentiert ist, ist das ein Verlust der Hoheit über die persönlichen Informationen", sagt die Verbraucherschützerin.

Verhandlungen über Datenschutzbestimmungen laufen seit März

Diese Gemengelage hatte den Experten zufolge eine politische Debatte losgetreten, die Google nicht mehr in den Griff bekam. Auf Antrag der Bewohner mussten daraufhin knapp eine Viertelmillion deutscher Wohnhäuser verpixelt werden und Google gab bekannt, die Daten nicht mehr erweitern zu wollen. Noch im Dezember des vergangenen Jahres sagte ein Sprecher gegenüber der "Bild"-Zeitung: "Wir haben derzeit keine Pläne, neues Bildmaterial von deutschen Straßen in Street View verfügbar zu machen."

In den vergangenen Monaten habe es allerdings immer mal Vorgespräche gegeben, wie Google Street View datenschutzkonform wieder aktualisiert werden kann, erzählt Fuchs. "Ende März wurde es dann konkret." Seitdem hätten Konzernvertreter ihre Pläne vorgestellt und es sei verhandelt worden, sagt der Datenschutzbeauftragte. Aber wieso hat Google seine Meinung geändert? Liegt es etwa an dem Konkurrenz-Angebot Look Around von Apple, das seit Sommer 2022 auch Deutschland abdeckt?

"Natürlich dreht sich die Welt weiter und verändert sich. So können Aufnahmen, die zwischen 2008 und 2009 gemacht wurden, Straßen und Gebäude von heute nicht mehr angemessen abbilden", schreibt die Alphabet-Tochter in einem Blog-Eintrag. Im Laufe der Jahre hätten sie "immer mehr Menschen und Unternehmen in Deutschland nach den Unterschieden zwischen den Street View-Bildern und der realen Welt, in der sie leben, gefragt". Zudem bewerten laut Google 91 Prozent der 1500 Befragten, die den Dienst kennen, ihn im Rahmen einer mit Statista durchgeführten Umfrage als positiv.

Google und Datenschützer rechnen mit keiner neuen Widerspruchswelle

Datenexperte Fuchs rechnet dieses Mal nicht mit einer Widerspruchswelle im Ausmaß von 2010: "Erstens kennt man jetzt das Produkt und man weiß, worum es bei Google Street View geht." Dazu komme, dass die Digitalisierung sehr viel stärker in der Gesellschaft angekommen sei und vielleicht das Gefühl überwiege, im digital eher rückständigen Deutschland wieder etwas zeitgemäßer sein zu wollen.

Außerdem sei die Informationslage eine andere, erklärt Fuchs. "Der zentrale Unterschied zu 2010 ist, dass vorher gründlich informiert wurde." Google habe bereits Anfang Juni bekanntgegeben, dass Bilder in der zweiten Julihälfte aktualisiert werden. "Das heißt, es gibt einen Vorlauf von sechs Wochen, in dem die Bürgerinnen und Bürger Widerspruch einlegen und verhindern können, dass ein Foto von ihrem Wohnhaus hochgeladen wird", so Fuchs.

"Google ist mittlerweile auf die Problematik vorbereitet und hat im Vorfeld besser über die Regelungen informiert", sagt auch Verbraucherschützerin Halm. Die Diskussion darüber, was erlaubt oder nicht erlaubt ist, bestehe nicht mehr. Das sei auch durch die europäische Datenschutz-Grundverordnung sehr viel klarer.

Gesichter und Kennzeichen werden automatisch verpixelt

Rein datenschutzrechtlich ändert sich bei der Aktualisierung derweil kaum etwas. Der Widerspruch kann per E-Mail, per Online-Formular oder per Brief bei Google eingereicht werden - online auch noch im Nachhinein. Sowohl Eigentümerinnen und Eigentümer als auch Mieter von Häusern oder Wohnungen können einen Antrag stellen. Sollte etwa in einem Mehrfamilienhaus lediglich ein Bewohner keine Bilder seiner Fenster oder der Fassade im Internet wollen, verpixelt Google auch Teile eines Gebäudes. Alte Widersprüche von 2010 gelten nicht mehr.

Automatisch unkenntlich gemacht werden Kfz-Kennzeichen und Gesichter von Personen. Falls die Erkennbarkeit dennoch erhalten bleibt und Menschen anhand bestimmter Merkmale identifizierbar sind, können Probleme nachgemeldet und die Verpixelung ausgeweitet werden. "Das alles führt dazu, dass die Aktualisierung der Bilder datenschutzkonform ist", sagt Fuchs.

Bilder teilweise schon 2022 aufgenommen

Wann und wo genau die Street-View-Autos ab morgen unterwegs sein werden, ist noch unklar. Routen können sich "oft aufgrund von Faktoren wie Wetter, Fahrbedingungen, Dauer der Aufnahmen usw. ändern", schreibt Google auf eine Anfrage von tagesschau.de. Geplante Touren können sich Interessierte aber online einsehen. Nach Angaben des Unternehmens wurden jedoch bereits 2022 eine Reihe neuer Bilder aufgenommen, die nun ebenfalls ergänzt werden sollen.

"Das ist kein Problem, weil jeder noch die Chance hat, sich gegen das Hochladen zu wehren", meint Fuchs. Halm von der Verbraucherzentrale Bayern verweist allerdings darauf, dass es "sicherlich noch transparenter" gewesen wäre, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor den ersten Aufnahmen zu informieren. "Dann hätten sie zumindest die Chance gehabt, gar nicht erst gefilmt zu werden und müssten sich nicht gegebenenfalls wehren", so Halm.

Menschen, die ihr Haus nicht im Internet veröffentlicht sehen wollen oder befürchten, unbewusst gefilmt worden zu sein, empfiehlt die Expertin die Nutzung des Widerspruchs gegenüber Google und Apple. "Im Nachhinein sollten sie dann einmal überprüfen, ob das auch umgesetzt wurde, und ansonsten nachjustieren."

Nils Dampz, ARD Los Angeles, tagesschau, 22.06.2023 05:33 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Juni 2023 um 13:26 Uhr.