Peter Adrian

DIHK-Präsident "Es geht erst einmal bergab mit der Konjunktur"

Stand: 02.07.2023 18:03 Uhr

Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Adrian, sieht keine Anzeichen für einen breiten wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland. Vor allem die Energiepolitik und die Bürokratie verunsicherten die Unternehmen.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht eine große Verunsicherung in der deutschen Wirtschaft und vorerst keine Zeichen für einen breiten Aufschwung in Deutschland. DIHK-Präsident Peter Adrian sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Deutschland ist in einer Rezession. Wir sind eines der wenigen Länder in Europa, die wieder unter dem Vor-Corona-Niveau bei der Wirtschaftsleistung sind. Das ist ein Alarmsignal."

Seit Langem fordern Wirtschaftsverbände wie der DIHK mehr Wachstumsimpulse von der Politik, zum Beispiel steuerlicher Art - sowie mehr Tempo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie.

Lage der deutschen Wirtschaft sei insgesamt schwierig

Schrumpft das Bruttoinlandsprodukt zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer technischen Rezession. Das war im letzten Quartal 2022 sowie im ersten Quartal 2023 der Fall. Die Inflation ist außerdem weiter auf einem hohen Niveau. Experten rechnen aber mit einer schrittweisen Entspannung bei den Preisen. Die Lage der deutschen Wirtschaft sei insgesamt schwierig, so Adrian.

Vor allem bei mittelständischen Unternehmen sei die Stimmung teilweise sehr schlecht. "Es gibt eine große Investitionszurückhaltung. Wir liegen im Moment noch ganz deutlich mit den Ausrüstungsinvestitionen auf dem Stand vor Corona 2019. Eigentlich müssten wir einen deutlichen Impuls erfahren, weil Corona vorbei ist. Dass dieser Effekt bislang ausbleibt, ist bedenklich."

Peter Adrian
Zur Person

Peter Adrian, geboren 1957, ist seit Anfang 2023 Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Adrian leitet außerdem die Triwo-Unternehmensgruppe, zu deren Geschäftsfeldern Immobilien, Flugplätze sowie Test-, Prüf- und Entwicklungsverfahren in der Autoindustrie zählen.

"Anzeichen für einen breiten Aufschwung fehlen"

Und die Aussichten? "Anzeichen für einen breiten Aufschwung fehlen weiterhin", so Adrian. "Wir werden im zweiten Halbjahr wohl einen massiven Einbruch in der Bauwirtschaft erfahren." Gestiegene Zinsen und teurer Baumaterialien hätten negative Folgen für die gesamte Wirtschaft, so der DIHK-Präsident. "Es geht erst einmal bergab mit der Konjunktur."

Eine Prognose, wann es wieder bergauf gehe, wolle der Verbandspräsident nicht wagen. "Wir können wahrscheinlich schon froh sein, wenn wir beim Wirtschaftswachstum am Jahresende eine Null sehen und kein Minus." Das bedeute aber bestenfalls Stillstand. Um den Wohlstand zu sichern, bräuchte es "enorme Fortschritte", so Adrian.

Die Unternehmen seien verunsichert

Obwohl die Unternehmen genug Geld hätten, würde zu wenig investiert. Die Verunsicherung sei "sehr groß", meint der DIHK-Präsident. "Weiten Teilen unserer Wirtschaft fehlt die Zuversicht, dass sich Investitionen angesichts der hohen Kosten und teilweise sogar widersprüchlicher Regelungen am Standort Deutschland rechnen."

Adrian nannte als Beispiel für die Verunsicherung die Energiewende: Welche Rolle spiele Gas noch als Übergangstechnologie, bis es zu einer CO2-freien Energieversorgung komme? "Wir haben bisher keinen grünen Wasserstoff. Wir haben auch keinen grünen Strom in der Weise, dass sich Firmen damit verlässlich und günstig versorgen können."

Klagen über "bürokratische Hemmnisse"

Die Wirtschaft klage außerdem über "bürokratische Hemmnisse": "Ich kann das aus meiner eigenen Praxis bestätigen", sagt Adrian, der selbst ein Unternehmen leitet. "Der Umgang mit Vorschriften, Anträgen, Meldungen und Berichtspflichten ist das, was mich rein zeitlich am stärksten beansprucht." Er müsse in seinem Unternehmen erhebliche Kapazitäten dafür einsetzen, aufwendige Prozesse abzuarbeiten. Die Zeit fehle dann, um "kreativ an neuen Lösungen und an unternehmerischen Konzepten zu arbeiten".

Die Politik sollte jetzt etwas Ruhe einkehren lassen, fordert Adrian. "Wir haben im Moment die Situation, dass eine Firma ständig aus Brüssel, aus Berlin oder auch aus den Bundesländern mit neuen Verordnungen, Rechtsvorschriften, Maßnahmen, Gesetzen konfrontiert wird."

Deutsche Unternehmen investieren mehr im Ausland

Deutschland drohe laut dem Verbandspräsidenten international weiter zurückzufallen und gehöre schon jetzt EU-weit beim Wachstum zu den Schlusslichtern. Laut einer DIHK-Umfrage aus dem April wolle jede dritte Firma, die im Ausland investiert, damit vor allem Kosten sparen. Das sei der höchste Wert seit 15 Jahren.

Vergleichsweise hohe Kosten bei Energie, Arbeitskräften und Steuern belasteten die Wettbewerbsposition der hiesigen Unternehmen. "Wir stellen über unsere Auslandshandelskammern eine große Nachfrage an außereuropäischen Standorten in Nordamerika, Südamerika und Asien fest." Deutsche Unternehmen seien weltweit aktiv und das stärke sie in der Regel auch am Stammsitz zu Hause.

Aus Kostengründen würden deutlich mehr deutsche Unternehmen inzwischen in anderen Ländern investieren. Das führe auf Dauer zu einer schleichenden Verlagerung: "Das hat natürlich Auswirkungen auf Jobs in Deutschland", meint Adrian. "Denn hier können wir auch Branchen dauerhaft verlieren."