Ein Offshore-Windpark vor Großbritannien

Erneuerbare Energien Vattenfall stoppt Windkraft-Projekt in der Nordsee

Stand: 02.08.2023 08:17 Uhr

Großbritannien will die Windenergie massiv vorantreiben. Jetzt wird der Ausbau eines der größten Windparks des Landes gestoppt. Vattenfall begründet dies mit gestiegenen Kosten. Steht die Windkraft-Branche vor einer Krise?

Östlich von Norfolk soll einer der größten Windparks Großbritanniens entstehen. Der Konzern Vattenfall will hier drei Areale mitten in der Nordsee ausbauen, unter anderem das Projekt Norfolk Boreas mit bis zu 140 Turbinen, die den Strom für 1,5 Millionen Haushalte liefern könnten.

Doch der schwedische Energiekonzern hat den Bau nun gestoppt. Zur Begründung sagte die Vorstandsvorsitzende von Vattenfall, Anna Borg, auf einer Veranstaltung für Investoren und Journalisten: Die Kosten seien drastisch gestiegen, Preise von Zulieferern um bis zu 40 Prozent.

Windkraft-Ausbau droht zu stocken

Für die britische Regierung ist das ein alarmierendes Signal. Bis 2050 soll Großbritannien klimaneutral werden, so sehen es internationale Vereinbarungen vor. Bis 2030 soll die Produktion der Windkraft deswegen massiv ausgebaut werden, von derzeit 14 Gigawatt auf dann 50 Gigawatt.

Die Beratungsgesellschaft Carbon Trust warnt, die Preisanstiege und der Baustopp von Vattenfall könnten der Beginn einer Krise für die Windkraft-Branche im Vereinigten Königreich markieren.

Bestehende Vereinbarungen setzen nicht genug Anreiz

Wie konnte das passieren? Vattenfall spricht das ausgesprochen offen an: "Die Förderung ist nicht an den Markt angepasst", sagte Vattenfall-Chefin Borg. Der Konzern hatte mit der Regierung einen sogenannten "contract for difference" abgeschlossen. Dieser Vertrag soll beide Seiten absichern.

Das bedeutet einfach ausgedrückt: Wenn die Strompreise sehr hoch sind, wird die Regierung am Gewinn beteiligt. Sind die Strompreise sehr niedrig, fließt Geld an das Unternehmen. Doch diese Absicherung reicht offenbar nicht mehr, sagt Jess Ralston, Windkraft-Expertin der Beratungsgesellschaft Energy and Climate Intelligence Unit: "Andere Länder setzen vermehrt auf den Ausbau der Windkraft. Das Vereinigte Königreich steht im Wettbewerb. Die Regierung muss Signale setzten, um Investoren zu halten."

Massive Förderungen in den USA und der EU

Im Herbst werden beispielsweise die neuen Konditionen für die Absicherungen zwischen Konzernen und britischer Regierung verhandelt. In der Branche werde der Ausgang der Gespräche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, sagt Ralston. Die Befürchtung einiger Experten: Sollten die Bedingungen für die Konzerne schlecht ausfallen, könnten weitere Unternehmen Projekte stoppen. Wichtig ist aber auch politische Stabilität, betont Ralston. Allein in diesem Jahr führten drei Premierminister die britische Regierung, auch die Klimapolitik wird immer wieder verändert.

Das Vereinigte Königreich müsse sich behaupten angesichts massiver Förderungen in den USA und in der Europäischen Union. Die US-Regierung hat 2022 den sogenannten Inflation Reduction Act eingeführt, ein Investitionspaket, dass über 800 Milliarden Euro schwer ist - mit einem Fokus auf den Klimaschutz. Die Europäische Union bringt gerade den "Net Zero Industry Act" auf den Weg, ein Instrument, um grüne Technologien zu fördern. In Europa gibt es jedoch auch schon zahlreiche Subventionen für klimafreundliche Technik.

Druck auf die Windkraft-Branche wächst

Insgesamt bleiben die Aussichten für den Ausbau der Windkraft weltweit positiv - trotz der steigenden Preise, trotz hoher Inflation. Aber der Druck ist größer als noch vor Jahren, und es gibt einen zunehmend starken Wettbewerb um staatliche Hilfen.

Der Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore (BWO) in Deutschland, dem große Konzerne wie Vattenfall, Shell oder RWE angehören, teilte auf Anfrage mit, dass die gestiegene Inflation und gestiegenen Kapitalkosten den globalen Offshore-Wind-Sektor betreffen, also auch in Deutschland wirken. Hier hat die Bundesnetzagentur gerade erst vier Flächen für den Ausbau in Nord- und Ostsee versteigert - für 12,6 Milliarden Euro. Die eingenommenen Gelder sollen zur Senkung der Stromkosten dienen.

Doch der BWO hatte die Versteigerung kritisiert und vor der Verteuerung der Energie gewarnt. Auf Anfrage wies der Geschäftsführer des BWO, Stefan Thimm, auf den Druck auf die Lieferketten hin. Engpässe in der Produktion müssten beseitigt werden, beispielsweise beim Bau der Windenergieanlagen. Dafür müsse der Staat die Rahmenbedingungen setzen.

Christoph Prössl, ARD London, tagesschau, 02.08.2023 08:19 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. August 2023 um 05:45 Uhr.