Eine Frau trägt Einkäufe in zwei Papiertaschen.
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Schlechter Saisonstart Wie Wetter und Klima das Modegeschäft beeinflussen

Stand: 06.10.2023 12:20 Uhr

Bei 30 Grad schon einmal den Mantel für den Winter kaufen? Für viele Verbraucher scheint das abwegig. Einige Modeunternehmen berichten daher von fallenden Umsätzen und einem schwierigen Start in die neue Saison.

Von Michelle Goddemeier, ARD-Finanzredaktion

Dicke Pullover, Mützen und Winterjacken: Wer im September durch die Geschäfte geschlendert ist, hat schon jede Menge Herbst- und Winterkleidung gefunden. Und das bei Außentemperaturen von teilweise über 25 Grad. Denn der diesjährige September war nach aktuellen Daten der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Das ist ein Grund für die aktuell schwierige Situation in der Modebranche.

Das sommerliche Wetter im vergangenen Monat hat in den Modegeschäften das erste Minus-Quartal seit Anfang 2021 zur Folge gehabt, berichtet das Fachmedium Textilwirtschaft. In dem für den Modehandel so wichtigen Monat seien die Umsätze um zwölf Prozent zurückgegangen. Der Monat steht demnach normalerweise für mehr als ein Zehntel des Jahresumsatzes.

Kunden kaufen nach Saison

Doch bei hohen Temperaturen und Sonnenschein hat sich das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher an Herbstmode in Grenzen gehalten. "Unsere Kundschaft kauft extrem bedarfsorientiert, und im Sommer möchte niemand Skianzüge oder Winterjacken kaufen", sagt Marcello Concilio, Pressesprecher von Ernstings Family. Das Unternehmen hat über 1.900 Filialen in Deutschland und Österreich und verkauft neben Damen- und Kinderbekleidung auch Wäsche, Accessoires und Deko.

Das Wetter habe einen sehr großen Einfluss auf die Textilumsätze, sagt Concilio. Das mache sich vor allem im niedrigeren Preissegment bemerkbar. "In der Tat war der Saisonstart für uns alles andere als zufriedenstellend."

Dennoch plane das Unternehmen künftig keine drastischen Änderungen im Sortiment. Denn das Wetter lasse sich schließlich nicht planen. "Aber es ist tatsächlich festzustellen, dass sich der Anteil der saisonal unabhängigen Ware in den letzten Jahren gesteigert hat."

Rückläufige Umsätze wegen des Wetters

Auch der schwedische Modekonzern H&M teilte mit, dass die aktuelle Saison wegen des ungewöhnlich warmen Wetters in Europa nur schleppend in Gang komme. Das Unternehmen rechnet mit rückläufigen Umsätzen im Vergleich zum Vorjahresmonat. So dürfte der September-Umsatz um zehn Prozent unter dem von 2022 liegen.

Vier Prozentpunkte davon gingen auf das Ende des Russland-Geschäfts zurück. Einen "substanziell negativen Einfluss" hätten aber auch die hohen Temperaturen gehabt, die den Start in die Herbstsaison verzögerten.

"Das Wetter ist ein nicht zu unterschätzender Faktor für den Einzelhandel", sagt auch ein Pressesprecher von Peek & Cloppenburg in Düsseldorf. Dort nehme man ebenfalls wahr, dass Kundinnen und Kunden bei höheren Temperaturen im Herbst eher verhalten Herbst- und Winterkleidung kaufen. "Umgekehrt genauso: Je früher es kühl wird, desto eher steigt die Nachfrage für Herbst- oder Wintermode", so der Sprecher.

Kalkulation für den Handel schwieriger

"In Zeiten des Klimawandels verschieben sich bisherige Jahreszeitenmuster. Die Sommer werden oft heißer, auch die Wintertemperaturen steigen", sagt Klimaexpertin Birgit Georgi, die Unternehmen und Kommunen zu Fragen der Klimaanpassung berät. Die Übergangszeiten Frühling und Herbst verkürzen sich demnach oder fallen fast ganz aus. Eine Verlässlichkeit beim Wetter im jeweiligen Jahr gebe es nicht.

"Das erschwert es dem Modehandel, die richtige Art und Menge an Kleidung zu kalkulieren und zur passenden Zeit zu bestellen", so Georgi. Wem es gelinge, das zum Wetter passende Sortiment zu haben, der könne einen höheren Umsatz als andere Geschäfte erwarten.

Luxus-Modemarkt kaum betroffen

Doch es gibt Unterschiede. "Der Modemarkt tickt da nicht ganz einheitlich", erklärt Axel Augustin, Geschäftsführer beim BTE Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren. Der Luxusmarkt sei deutlich weniger abhängig vom Wetter als das mittlere und niedrige Preissegment. Bei Luxusanbietern gehe es oft darum, ein Produkt früh zu erwerben, weil die angebotenen Mengen gering sind.

Im unteren Preissegment hingegen gebe es vor allem Bedarfskäufer, da die Budgets begrenzt sind. Wer knapper bei Kasse ist, kaufe erst, wenn es nötig ist - oder verzichte ganz. "Tatsächlich gab es laut unserer Info im September bei den preisgünstigen Anbietern deutlich höhere Einbußen als im höheren Preisbereich", sagt Augustin.

Grundsätzlich sei es für Modegeschäfte daher keine schlechte Idee, die Sommersaison im mittleren und niedrigen Preisbereich zu verlängern. Doch das Wetter sei eben nicht vorhersehbar. "Als es im August kurzfristig kühl wurde, ging sofort die Nachfrage nach wärmerer Bekleidung hoch. Wer da keine Herbstware hatte, verlor Umsatz", so Augustin.

Internethandel hat klaren Vorteil

Dass die Menschen immer mehr nach Bedarf kaufen - also Kleidung, die direkt getragen werden kann -, beobachtet auch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Wie aus dem "CPS GfK Consumer Panel Fashion" hervorgeht, hat sich dieser Trend in Zeiten knapper Budgets weiter verstärkt. Der Internethandel habe da einen klaren Vorteil gegenüber dem stationären Handel, so Experten. Denn dort sei eben alles immer verfügbar - unabhängig von Jahreszeit oder Wetter.

"Die Verbraucher gewöhnen sich an die Verfügbarkeit aller Produkte zu allen Zeiten (zumindest online), insofern muss der Handel sich darüber Gedanken machen und on- und offline besser miteinander verknüpfen", teilen die GfK-Experten mit.

In den vergangenen Monaten hatten vor allem die schwache Konsumstimmung infolge des Ukraine-Krieges und die hohe Inflation die Nachfrage nach Mode gebremst. Im August etwa fielen die Umsätze im Einzelhandel der Eurozone stärker als erwartet. Die Erlöse sanken im Vergleich zum Vormonat um 1,2 Prozent, wie das europäische Statistikamt Eurostat in dieser Woche mitteilte. Ökonomen hatten im Schnitt lediglich einen Rückgang um 0,5 Prozent erwartet. Das betrifft neben der Modebranche auch Internethändler, Supermärkte, Tankstellen und andere.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. Juni 2023 um 11:18 Uhr.