Ein Stapel Euroscheine.
hintergrund

Deutsche Wirtschaft in der Krise Was der Kampf gegen die Inflation bewirkt

Stand: 08.08.2023 17:51 Uhr

Die Inflation in Deutschland geht langsamer zurück als in anderen europäischen Ländern, etwa Spanien. Woran liegt das? Und was hat die Teuerung mit Konsumgewohnheiten zu tun?

Wer im Urlaub die Hitze sucht, wird in Spanien überreich bedient. Und es ist auch wirtschaftlich vernünftig, auf die Iberische Halbinsel zu fahren. Die Kaufkraft des in Deutschland verdienten Euro ist dort hoch. Nach Angaben der OECD gab es im Juni in Spanien fürs selbe Geld zwölf Prozent mehr als in Deutschland.

Und das dürfte so bleiben, denn der Euro ist in Spanien stabil. Die dortige Inflationsrate wird von der Europäischen Statistikbehörde für Juli auf 2,1 Prozent geschätzt. Nur in Luxemburg sind die Preise mit 2,0 Prozent Teuerungsrate noch stabiler. Dafür bekommt man aber im Vergleich zu Deutschland ein Fünftel weniger fürs Geld - und das bei mangelndem Meereszugang. Spanien ist und bleibt also ein preisgünstiges Ferienland.

Viel Industrie, hoher Energiebedarf

Dabei lag die Inflationsrate dort vor einem Jahr noch bei mehr als zehn Prozent. Seitdem sank sie nach und nach, während in Deutschland die Geldentwertung deutlich schneller zunahm. Offenbar gelang es der spanischen Volkswirtschaft weit besser als der deutschen, mit den seit einem Jahr steigenden Zinsen klarzukommen. Deutschlands Wirtschaft schwächelt, in Spanien wächst derweil das Sozialprodukt. Die dortige hohe Arbeitslosigkeit sinkt deutlich.

Die Energieversorgung ist ein wesentlicher Grund für die gegenläufige Entwicklung: Deutschland war weitgehend von russischem Gas abhängig, was 2022 zu teuren Ausweichmanövern führte. Da Deutschland ein Industrieland ist, wurde das Gasproblem unmittelbar zu einem allgemeinen Wirtschaftsproblem. Zwar wurde auch Spanien durch steigende Weltmarktpreise für Energie belastet. Doch Spanien hat kaum energieintensive Industrie - und es kann dank viel Sonne und leerer Flächen enorme Mengen billiger Solarenergie herstellen.

Auf den Warenkorb kommt es an

Inflation gibt an, wie sich der Preis eines von Statistikern zusammengestellten Warenkorbs entwickelt. Wenn die Inflationsrate für Juli vom Statistischen Bundesamt mit 6,2 Prozent berechnet wird, heißt das: Für eine durchschnittliche Ware, die im Juli 2022 einhundert Euro kostete, müssen nun 106,20 Euro gezahlt werden. Daher wird die Inflationsrate auch "Teuerungsrate" genannt.

Wegen unterschiedlicher Methoden gibt es Unterschiede zwischen den Angaben verschiedener Statistikbehörden. Das deutsche Statistikamt sieht die aktuelle Inflationsrate in Deutschland bei 6,2 Prozent, die Europäische Statistikbehörde (Eurostat) bei 6,5 Prozent. Wenn europäische Länder verglichen werden, nimmt man immer die Daten von Eurostat.

Verschiedene Einkaufskulturen

Um vergleichbare Daten zu gewinnen, muss der gedachte Warenkorb für alle Länder gleich sein. Doch private Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen in Finnland anders ein als auf Malta. In Ländern mit niedrigem Einkommen müssen Menschen einen viel größeren Anteil ihres Geldes für Lebensmittel ausgeben als in Hochlohnländern.

Vergleich in der Eurozone: Entwicklung der Teuerung in Spanien

Sebastian Kisters, ARD Madrid, tagesschau24, 08.08.2023 16:00 Uhr

Deutsche brauchen für Essen zum Beispiel nur 12 Prozent ihres Budgets, Spanierinnen und Spanier hingegen 18 Prozent. Umgekehrt geben Menschen in Spanien 10 Prozent ihres Geldes für Auto, Bus und Bahnen aus. Im autobegeisterten Deutschland werden 13,5 Prozent für Transport verwendet.

Die reale Inflation in verschiedenen Ländern ist deshalb auch von den jeweiligen Konsumgewohnheiten und Notwendigkeiten abhängig. Generell trifft sie Menschen, die ihr gesamtes Einkommen fürs tägliche Leben brauchen, weit mehr als Leute, die viel verdienen und regelmäßig Geld übrig haben. 

"Ein bisschen Versuch und Irrtum"

Die Europäische Zentralbank strebt zwei Prozent Inflation für die Eurozone an. Im Juli lag sie bei 5,3 Prozent. "Es ist jetzt Aufgabe der EZB, dafür zu sorgen, dass der Inflationsgeist wieder sicher in der Flasche verkorkt wird", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka- Bank. "Das bedeutet, dass man die Inflation bekämpfen muss, und zwar auch im nächsten Jahr. Die Notenbanken machen zur Zeit einen guten Job."

Wirtschaftsforscher rechnen insgesamt mit sinkenden Inflationsraten. Sowohl das Münchner ifo-Institut als auch das Kiel Institut für Weltwirtschaft erwarten für das Gesamtjahr 2023 eine Teuerung 5,8 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 6,9 Prozent.

Wenn die EZB die Zinsen weiter erhöht, wird das Geld teurer. Bekommt man dann wieder mehr Waren und Dienstleistungen fürs selbe Geld? Zumindest sollen die Einkäufe nicht mehr dauernd rapide teurer werden. "Das ist keine Automatik, an der man etwas auf einer Feinskala einstellt und dann kommt automatisch ein genau definiertes Ergebnis heraus," sagt Volkswirt Kater, "ein bisschen ist es auch Versuch und Irrtum. Die Notenbanken tasten sich an das Maß heran, das notwendig ist, um die Inflation zurückzudrängen".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 08. August 2023 um 13:04 Uhr.