Autoschiff am Kai des Duesseldorfer Hafens.
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Europäische Autoindustrie Tesla und die Chinesen im Nacken

Stand: 27.07.2023 18:03 Uhr

Die europäische Autoindustrie hat wachsende Sorgen: Die Margen sind mäßig, und die Konkurrenz aus den USA und China sitzt im Nacken. Wie können sich Europas Autobauer dagegen wappnen?

Große europäische Autobauer machen noch gute Geschäfte, doch die Sorgen wachsen. Die wirtschaftlichen Ergebnisse, die Volkswagen, Renault und Mercedes heute vorstellten, haben Marktbeobachter nicht beeindruckt. "Die Entwicklungen im ersten Halbjahr 2023 sind von der günstigen Situation geprägt, dass die Autohersteller hohe Auftragsbestände abarbeiten konnten", sagt Helena Wisbert vom Center of Automotive Research (CAR) dem hr, "Die neuen Kundenbestellungen liegen aber unter Vorjahresniveau. Das wird sich im zweiten Halbjahr widerspiegeln."

Mäßige Margen

Hohe Kosten drücken die europäische Industrie. Während im ersten Halbjahr 2022 noch jeder zehnte Euro Umsatz als Gewinn in der Kasse von Volkswagen blieb, waren es dieses Jahr nur noch 7,3 Prozent. Renault kann sogar nur 6,3 Prozent seiner Verkaufserlöse als Gewinn buchen. Der französische Konzern ist allerdings ein Sanierungsfall und kommt von ganz unten. Mercedes verdient dagegen mit seinen teuren Spitzenautos nach wie vor ordentlich. Die Personenautos fuhren im zweiten Quartal 2023 13,6 Prozent Gewinn ein, die leichten Transporter ("Vans") sogar 15,7 Prozent. Das Lastwagengeschäft ist vor anderthalb Jahren von Mercedes abgespalten worden.

Schwieriges E- Auto-Geschäft

Bei Elektroautos zeigen europäische Hersteller nach wie vor Schwächen. Sie verkaufen vor allem in Europa und Nordamerika. In China tun sich die teuren Europäer zunehmend schwer. "Den großen Verkaufserfolg haben andere", sagt CAR-Direktorin Wisbert zusammenfassend.

Unter den "Anderen" spielt das amerikanische Elektroautounternehmen Tesla eine große Rolle. Dank einer mittlerweile stabil hohen Umsatzredite von knapp zehn Prozent und der fortdauernden Begeisterung von Investoren konnte sich Tesla Preissenkungen erlauben. Das hat die Konkurrenz, die sich mühsam und kostspielig im Elektromarkt versucht, zusätzlich unter Druck gesetzt. Bei Volkswagen sind mittlerweile acht Prozent der verkauften Autos rein batteriegetriebene Wagen, bei Renault elf Prozent und bei Mercedes zwölf Prozent.

Stellantis hält sich aus China fern

Der aus Peugeot (mit Opel), Fiat und Chrysler gebildete Stellantis-Konzern sei ein gutes Beispiel für die Branche, sagt Wisbert. "Der Autobauer zeigt mit einer Umsatzrendite von 14,4 Prozent und einen steigenden Anteil an E-Autos, dass die Transformation auch mit Volumenmarken gelingen kann." Allerdings hat sich Stellantis weitgehend vom größten Automarkt China ferngehalten.

"Die Zeitenwende der Branche wird durch die Erfolge von neuen Akteuren wie Tesla und BYD immer sichtbarer", urteilt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM), "Dies verstärkt den Veränderungsdruck auf Volkswagen, Ford oder Renault." Ford wird am Abend neue Wirtschaftszahlen veröffentlichen.

Der chinesische Markt

BYD ist ein chinesischer Hersteller, der in seinem Heimatmarkt Volkswagen als Marktführer verdrängt hat. "Die chinesischen Hersteller zeigen sich immer innovativer", sagt Bratzel, "China ist wie ein Brennglas der Transformation".

Schwere Zeiten für europäische Autoindustrie

Mandy Sarti, NDR, tagesthemen, 27.07.2023 22:15 Uhr

China hat besonders große Lagerstätten seltener Erden, die für Batterien und Elektronik gebraucht werden. Chinesische Autohersteller werden vom Staat bei der Belieferung deutlich bevorzugt. Zudem können sie viel billiger produzieren als ihre europäischen und amerikanischen Konkurrenten. In China werden monatlich eine halbe Million Autos zugelassen. Das ist mehr als in Deutschland im ganzen Jahr.

VW kündigte neue Partnerschaften mit chinesischen Autoherstellern an. Vorstandsvorsitzender Oliver Blume sagte in einer Investoren- und Pressekonferenz, in China gelte es, schneller zu entwickeln und Zusammenarbeit mit örtlichen Zulieferern zu stärken. "So gewinnen wir Geschwindigkeit im chinesischen Markt", sagte Blume. "Unsere Partnerschaften sind entscheidend für den Erfolg in China." Renault-Chef Luca de Meo blieb allgemeiner und sprach von "Herausforderungen". Das ohnehin schwache Chinageschäft von Renault ist im ersten Halbjahr geschrumpft. De Meo nannte es eine Notwendigkeit, mit China zu arbeiten, um Erfolg zu haben.

"Der ultimative Kauf"

Entspannter zeigte sich Mercedes-Chef Ole Källenius. Sein Unternehmen leide zwar an der aktuellen Wirtschaftsschwäche in China. Mercedes werde sich aber nicht an dortigen Rabattschlachten beteiligen. Die S-Klasse sei in China nach wie vor "der ultimative Kauf". "Auf lange Sicht bleiben wir dabei, dass China ein Wachstumsmarkt ist", sagte Källenius.

Alle europäischen Autohersteller arbeiten an ihren Kosten. Sie sind sich einig, dass sie viel zu teuer produzieren, um weltweit erfolgreich gegen neue Konkurrenten gewinnen zu können. Einig sind sich die hiesigen Produzenten auch, dass der Weg zu besseren und nachhaltigen Geschäften über immer mehr Technik führt: Automatisiertes Fahren, Steuerung von Technik durch Sprache, Unterhaltung - jedenfalls jede Menge Elektronik und Ingenieurskunst.