Ein Wärmespeicher des Heizkraftwerkes Reuter West.

Klimaneutrale Wärme Deutschlands größte Thermoskanne

Stand: 10.07.2022 08:22 Uhr

Bis 2040 will Vattenfall in Berlin fossilfrei und klimaneutral Energie produzieren. Dafür stellt das Unternehmen auch das Stadtwärmesystem um und setzt auf Abwärmerecycling und effizientere Stromnutzung.

Ein Koloss aus Stahl und Beton ragt in den Spandauer Himmel. Höhe: 45 Meter. Durchmesser: 43 Meter. Fassungsvermögen: 56 Millionen Liter. Allein das Befüllen dauert ungefähr zwei Monate. Umgerechnet 350.000 Badewannen voll Wasser müssen in den neuen Wärmespeicher der Heizkraftwerkes Reuter West in Berlin eingefüllt werden. Ende September soll der riesige Tank voll sein, Anfang 2023 geht er dann ans Netz und damit Deutschlands größter Stadtwärmespeicher in Betrieb.

Speicher-Problem gelöst?

"Wir sind der beste Speicher", sagt die Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Wärme Berlin AG, Tanja Wilgoß. Der Stadtwärmespeicher sei ein Symbol für die Zukunft der Wärmeversorgung - und Teil der Lösung für das größte Problem beim Einsatz von Erneuerbaren Energien: Denn nach wie vor kann Windenergie nicht wirklich gespeichert werden. Das bedeutet, wenn kein Strom mehr ins Netz eingespeist werden kann, kann der Wind noch so stark wehen - es nützt nichts. Und bei Windstille wird auch nichts produziert.

2017 begann Vattenfall mit der Planung des Projektes. Schon beim Bau setzte das Team auf Klimaschutz. 25 Prozent der Betonfundamente wurden aus Recyclingbeton hergestellt. Direkt neben dem Speicher befindet sich die größte Power-to-Heat-Anlage Europas. Dort erhitzen Wind- und Sonnenenergie das Wasser wie in einem Wasserkocher. Wenn der Wassertank ans Netz geht, kann die Energie dann auch zwischengespeichert werden.

Ein Wärmespeicher des Heizkraftwerkes Reuter West.

Noch ist er im Bau, aber Anfang kommenden Jahres soll der neue Wärmespeicher ans Netz gehen.

Wasserkocher trifft Thermoskanne

Noch müssen die Windanlagen zeitweise abgeschaltet und Abwärme, die in Reuter West ebenfalls genutzt wird, im wahrsten Sinne des Wortes in die Luft gepustet werden, wenn sie im Stadtnetz nicht gebraucht wird. Die Abwärme landet quasi im Müll, und der Wind hat Pause. Wenn beides knapp ist, muss dafür teuer Strom zugekauft werden. Wenn die Anlage fertig ist, wird überschüssiger Strom zur Wärmegewinnung genutzt und im Speicher für knappe Zeiten gebunkert.

"Es ist eigentlich eine große Thermoskanne. Hier kann ich bestimmen, wann die Wärme an die Haushalte abgegeben wird", sagt Vattenfall-Vertreterin Wilgoß. So könne man viel mehr Effizienz ins System bringen und die Preise niedriger halten. 55 Grad hat das Wasser beim Einfüllen und 98 Grad, wenn aufgeheizt werden kann.

Zum überschüssigen Strom aus Windkraft kommt noch Abwärme dazu. Auch die wird genutzt, um das Wasser zu erhitzen. 200 Megawatt thermische Leistung hat der neue Speicher - im Sommer reicht das rechnerisch für alle Kunden. Immerhin jede dritte Berliner Wohnung hängt am Stadtwärmenetz von Vattenfall Berlin, bezieht also Heizung und Warmwasser. Im Winter allerdings ist der Speicher zu klein - 5200 Megawatt werden dann benötigt.

Das Heizkraftwerkes Reuter West.

Standort des Abwärmespeichers ist das Heizkraftwerk Reuter West in Berlin.

Klimaneutral bis 2040

Seit 2017 verzichtet Vattenfall Berlin auf Braunkohle zur Wärmeerzeugung, bis 2030 soll auch die Steinkohle weichen. Stattdessen sollen Biomasse, Abfallverbrennung, Erdgas, Power-to-Heat und Großwärmepumpen die Stadt heizen.

Um das große selbstgesteckte Ziel - die Klimaneutralität und Fossilfreiheit der Berliner Wärmeversorgung - bis 2040 zu erreichen, müsse man aber noch viel investieren. Der neue Koloss in Spandau ist da nur ein kleiner Baustein.

Neben Wärmespeichern werden und wurden von Vattenfall in Berlin auch andere Ideen erprobt: 2019 startete das Pilotprojekt SaltX - ein Salzspeicher. Nach drei Jahren wird der Speicher in Berlin ab- und in Stockholm neu aufgebaut. Dort soll die chemische Energiespeicherung bis zur Marktreife weiterentwickelt werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 01. Juli 2022 um 08:35 Uhr.