Rauchender Schornstein
interview

Haushaltsberatung im Bundestag "Klimaschutz ist keine unvorhergesehene Notlage"

Stand: 01.02.2024 07:59 Uhr

Der Sachverständigenrat Wirtschaft dringt auf eine Lockerung der Schuldenbremse im Grundgesetz. Aber: Beim Klima zu sehr auf Subventionen zu setzen, sei auch nicht sinnvoll, warnt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm im Interview.

tagesschau.de: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts musste der Haushalt neu justiert werden. Bei einigen Klima-Förderprogrammen hat die Regierung daraufhin gekürzt; andere, wie die Investitionen ins Bahn-Schienennetz, bleiben erhalten und werden aus anderen Töpfen finanziert. Hat die Bundesregierung die richtigen Kompromisse gemacht?

Veronika Grimm: Ich glaube, man hätte konsequenter sein können. So stark mit Subventionen und Förderungen zu arbeiten, wie die Bundesregierung sich das vorstellt, das kostet viel zu viel Geld. Schon deswegen hätte man umschwenken sollen auf die CO2-Bepreisung und in dem Kontext gleich das Klimageld mit verankern sollen. Damit man den Leuten die Angst nimmt, durch die dann steigenden CO2-Preise zu stark belastet zu werden.

tagesschau.de: Wenn aus Ihrer Sicht CO2-Preis plus Klimageld die Instrumente der Wahl sind - heißt das andererseits: Subventionierung und Förderung für mehr Klimaschutz zurückfahren?

Grimm: Ja, wir brauchen die CO2-Bepreisung als Leitinstrument, weil es ja darum geht, die ganze Wirtschaft, alle Haushalte, alle großen und kleineren Unternehmen in die Richtung Klimaschutz zu bewegen. Das wird man durch Fördermaßnahmen nie hinbekommen. Wenn man es über die CO2-Bepreisung macht, dann lohnen sich die klimafreundlichen Geschäftsmodelle von selbst.

tagesschau.de: Andere sagen: Wir brauchen aber diese großen Investitionen in die Wirtschaft und müssen sie dann eben mit Schulden finanzieren.

Grimm: Ja, dieses Spiel beobachten wir schon seit Jahrzehnten. Immer wenn Akteure in Schwierigkeiten geraten, gerade große Akteure, dann wird nach dem Staat gerufen. Und das ist dann vielleicht im Interesse der großen Konzerne, aber es ist nicht immer im Interesse der gesamten Volkswirtschaft. Es ist meistens nicht klug, einzelwirtschaftliche Förderungen zu vergeben.

Veronika Grimm
Zur Person

Veronika Grimm ist eine deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin und seit 2008 Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 2020 wurde sie in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den Kreis der sogenannten Wirtschaftsweisen, berufen.

Am Ende nützt es den Akteuren von heute. Und nicht zukünftigen Generationen. Nach denen wird üblicherweise nicht gefragt, weil die Betroffenen ja entweder noch nicht wahlberechtigt sind oder vielleicht sogar noch gar nicht geboren sind. Zum Beispiel Bildung, massive Bildungsinvestitionen: Das sind Investitionen in unsere Zukunft, und das sichert zukünftiges Wirtschaftswachstum. Das kann man möglicherweise auch schuldenfinanziert machen.

Aber das ist ja nicht das, was politisch passiert. Politisch passiert es eher, dass man der Mehrheit der Wähler hinterherläuft. Und die sind nun mal leider aktuell in unserer alternden Gesellschaft im Schnitt sehr alt.

"Effektiveres Instrument ist die CO2-Bepreisung"

tagesschau.de: Klimaschutz ist eine Herausforderung für die Menschheit, die es so noch nie gab. Es gibt Politikerinnen und Ökonomen, die argumentieren, dass wir für diese Herausforderung jetzt ein paar Jahre im großen Stil Schulden machen müssen. Wie stehen Sie dazu?

Grimm: Na ja, ich würde es mal andersherum sagen: Die Verfechter eines starken Staates und einer hohen Verschuldung haben schon immer jedes Thema, das die Gesellschaft gerade bewegt, gekapert, um zu behaupten, dass höhere Verschuldung die Lösung dieses Problems sei. Und aktuell ist es eben der Klimaschutz. Und ich glaube, da muss man doch sehr aufpassen, dass man dem nicht auf den Leim geht. Dass die berechtigte Popularität von Klimaschutz ausgenutzt wird, um einen stärkeren, sehr stark gestaltenden Staat zu fordern.

Das effektivere Instrument für den Klimaschutz ist die CO2-Bepreisung. Und wenn man staatliche Gelder in die Hand nehmen möchte, dann um die Auswirkungen dieser Transformation für diejenigen abzufedern, die diese Härten finanziell nicht leisten können. Diejenigen, die sozial schwach dastehen oder eben auch für Unternehmen, die strategisch für uns wichtig sind. Womit man sehr aufpassen muss: Am Ende ist jede Keksfabrik strategisch wichtig, und wenn man dem nachgibt, kann man auch sehr viel Geld verschwenden und der zukünftigen Generation dadurch Probleme hinterlassen.

tagesschau.de: Muss Klimaschutz denn unbedingt viel kosten?

Grimm: Vorab: Natürlich wird es uns was abverlangen, Klimaschutz zu betreiben. Das kann man nicht wegreden. Nochmal: Wichtig ist, das Preissystem anzupassen, neu zu justieren, über die CO2-Bepreisung. Dann ist nicht derjenige der Dumme, der das Klima schützt durch sein Verhalten, sondern er profitiert finanziell im Vergleich zu denen, die das Klima nicht schützen.

tagesschau.de: Und wo sollte mit Förderungen gesteuert werden?

Grimm: Wenn es darum geht, Technologiekompetenzen im Land zu halten, in der Chemie, im Bereich Stahl, in der Zementindustrie. Oder um Wasserstoffimporte nach Deutschland zu finanzieren. Diesen Hochlauf muss man schon mit massiven staatlichen Geldern betreiben und die nötigen Infrastrukturen aufbauen. So können wir die Industrien in Deutschland in die Lage versetzen, tatsächlich auf der Basis von klimaneutralen Prozessen zu produzieren. Aber das sind eben keine einzelwirtschaftlichen Förderungen.

tagesschau.de: Stichwort Abbau von Subventionen. War es richtig, die Agrardieselsubventionen zu streichen?

Grimm: Ja, ich glaube, es ist richtig, Subventionen für fossile Energieträger zu streichen. Ein Problem beim Vorgehen der Bundesregierung war: Wenn man in der Landwirtschaft Subventionen kürzt und das im Winter macht, wo alle Trecker im Hangar stehen, dann ist das natürlich politisch nicht wahnsinnig klug. Man hätte es besser kommunizieren sollen, ausgewogener machen sollen. Wenn nicht nur eine Gruppe betroffen ist, sondern jeder gleichermaßen Abstriche machen muss, dann ist vielleicht auch die Akzeptanz von Wandel größer.

"Eine langfristige, dauerhafte Aufgabe"

tagesschau.de: Welche Subventionen hätte man denn noch streichen müssen?

Grimm: Zum Beispiel die Pendlerpauschale: Muss man das wirklich in dem Umfang, wie es jetzt geschieht, fördern, dass die Menschen weitab von ihrem Arbeitsort wohnen? Andererseits möchte man denjenigen, die es sich nicht leisten können, in den Metropolen zu wohnen, nichts streichen. Insofern muss man da, wenn man das System umbaut, glaube ich, sehr vorsichtig vorgehen und aufpassen, dass man das nicht sozial unausgewogen tut.

tagesschau.de: Bei Corona hat man gesagt, das ist eine Ausnahmesituation, da brauchen wir jetzt einen Sondertopf jenseits der Schuldenbremse. Ebenso bei der Ukraine. Warum definiert man fürs Klima nicht die gleiche Sondersituation?

Grimm: Ja, die Ausnahmeregelung von der Schuldenbremse, die Karte kann man ziehen, berechtigterweise, wenn eine unvorhergesehene Notlage eintritt, die die finanziellen Spielräume, die man in normalen Zeiten hat, komplett überlastet. Und das ist auch sinnvoll so, denn dann bleibt der Staat handlungsfähig. Der Klimaschutz ist aber keine unvorhergesehene Krise. Der Klimaschutz ist eine langfristige, dauerhafte Aufgabe.

Und gerade deshalb muss man darauf achten, dass der Staat zu jedem Zeitpunkt handlungsfähig bleibt und nicht zum Beispiel durch steigende Zinsen für Staatsanleihen an den Kapitalmärkten irgendwann in die Bredouille gerät. Irgendwann, auch wenn man die Schuldenbremse aussetzt, gibt es sonst eine automatische Schuldenbremse über die Kapitalmärkte.

Das Gespräch führte Judith Kösters, HR.