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Teure G7-Gipfel Hoher Aufwand, wenig Nutzen?

Stand: 26.06.2022 15:26 Uhr

Alle Jahre wieder finden die G7-Gipfel in kleinen abgelegenen Orten statt, streng abgeriegelt von der Außenwelt. Lohnen sich die Millionen-Kosten? Oder ist alles nur ein nutzloses PR-Spektakel?

Von Notker Blechner, tagesschau.de

Wenn Touristen ins idyllische bayerische Örtchen Elmau kommen, suchen sie vor allem eine Attraktion: die Holzbank mit der Alpenkulisse im Hintergrund. Schließlich wurde auf der kargen Holzbank Weltpolitik gemacht. Dort saßen vor sieben Jahren die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige US-Präsident Barack Obama und diskutierten über das Weltklima. Das Bild von den beiden mächtigen Politikern ging um die Welt.

Merkel und Obama unterhalten sich vor Bergkulisse am Rande des G7-Gipfels in Garmisch-Patenkirchen

Die damalige Bundeskanzlerin Merkel und der damalige US-Präsident Obama unterhielten sich im Jahr 2015 vor Bergkulisse am Rande des G7-Gipfels in Elmau.

Touristen wollen die "Obama-Bank" sehen

Einen ähnlichen Effekt hatte der Besuch von Obama mit Merkel beim Weißwurst-Frühstück in Krün ein paar Kilometer weiter. Bei strahlendem Sonnenschein feierte das ganze Dorf - Männer in Lederhosen und mit Gamsbarthüten und Frauen im Dirndl - den coolen Auftritt des US-Präsidenten. Der strahlende Obama mit Wurst und Weißbier auf der Bierbank wurde im Fernsehen und in Zeitungen in der ganzen Welt abgebildet. Die "Obama-Bank" ist seither zum Kultobjekt geworden und lockt auf dem Rathausplatz zahlreiche Touristen an.

Solche menschelnden Momente der Top-Politiker mit Postkartenmotiv schaffen Vertrauen und bleiben im kollektiven Gedächtnis der Menschen hängen. Doch müssen dafür über 100 Millionen Euro ausgegeben werden? Das fragen sich viele. Allein der letzte G7-Gipfel in Schloss Elmau 2015 kostete gut 135 Millionen Euro. 2,2 Millionen Euro wurden davon für einen Grenzzaun investiert, der die Demonstranten vom Tagungsgelände fernhalten sollte.

Kritik an den zu hohen Kosten

"Die Kosten sind unverhältnismäßig", schimpfte schon damals der Präsident des bayerischen Steuerzahlerbunds. In München werde die Sicherheitskonferenz mit einem ähnlich hohen Sicherheitsanspruch alljährlich für rund drei Millionen Euro veranstaltet. "Elmau macht da keinerlei Sinn."

Lohnt sich diese große teure PR-Inszenierung mit den mächtigsten Staats- und Regierungschefs der sieben größten westlichen Industrieländer? Oder sendet der Gipfel doch politische und wirtschaftliche Impulse, die mehr wert sind als ein dreistelliger Millionenbetrag? Kritiker werfen den G7-Gipfel-Machern vor, dass auf dem jährlich wiederkehrenden Treffen schöne politische Absichtserklärungen gemacht werden, die kaum die Welt voranbringen.

Die meisten G7-Verpflichtungen werden erfüllt

Eine Forschungsgruppe an der Universität Toronto weiß es genauer. Sie analysiert regelmäßig, in welchem Umfang die Verpflichtungen der G7-Gipfel umgesetzt werden. Ihr Ergebnis ist erstaunlich: 75 bis 85 Prozent der Verpflichtungen wurden erfüllt.

So brachte das G7-Treffen in Schloss Elmau einen Durchbruch bei den Klimaverhandlungen. Im Abschluss-Kommuniqué versprachen die sieben größten westlichen Industriestaaten, die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Das trug maßgeblich zur Einigung der Weltgemeinschaft auf dieses Klimaziel wenige Monate später in Paris bei.

Gruppenfoto des G7-Gipfels im Juni 2015 auf Schloss Elmau in Bayern

Gruppenfoto des G7-Gipfels im Juni 2015 auf Schloss Elmau in Bayern.

Ein anderes hehres Ziel wurde dagegen verfehlt: In Elmau verständigten sich die Teilnehmer des G7-Gipfels darauf, bis 2030 rund 500 Millionen Menschen aus dem Hunger zu befreien. Tatsächlich ist in den vergangenen sieben Jahren die Zahl der Menschen, die an Hunger leiden weiter gestiegen auf über 810 Millionen. Der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung habe sich gar erhöht, moniert Klaus Seitz, Abteilungsleiter Politik bei der Organisation "Brot für die Welt". "Die bisherigen Strategien haben offensichtlich versagt."

Gemischte Bilanz

Auch bei anderen Gipfeln gab es durchaus Erfolge. Im Kampf gegen Aids versprachen die G8-Staaten beim Gipfel in Heiligendamm 2007 (damals noch mit Russland), in den kommenden Jahren 60 Milliarden Dollar für den Kampf gegen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose zur Verfügung zu stellen. Sechs Jahre später urteilte das UN-Programm zur Bekämpfung von HIV/Aids, dass die Verpflichtungen erfüllt worden seien.

Beim Treffen im italienischen L’Aquila sagten die G8-Länder Entwicklungshilfen von 20 Milliarden Dollar für Bauern in Afrika innerhalb von drei Jahren zu. Die OECD ermittelte 2012, dass knapp die Hälfte der Zusagen ausbezahlt wurden. Einige Länder hätten die Entwicklungshilfen vollständig gezahlt.

Allerdings sollte das nicht darüber hinweg täuschen, dass viele der Versprechen nur kleine Schritte sind. "Bei den 300 bis 400 Einzelverpflichtungen jedes Gipfels bleibt vieles auf der Strecke", weiß Experte Seitz von "Brot für die Welt". Die Gipfel vermitteln die Botschaft, dass die Politiker sich um die großen Probleme der Menschheit kümmern. Gelöst werden sie damit aber noch lange nicht.

Ist G7 noch zeitgemäß?

Kritik gibt es auch am Format. Einige Experten fragen sich, ob das G7-Treffen noch zeitgemäß ist. Denn sie versammeln lediglich die wichtigsten Vertreter der westlichen Welt und schließen China, Indien und seit 2015 auch Russland aus. Doch ohne die aufstrebenden Schwellenländer sind die weltwirtschaftlichen Probleme nicht zu lösen. Deshalb wurde 2008 der alljährliche G20-Gipfel gegründet. Er ist repräsentativer und hat mit Russland und China zwei UN-Sicherheitsratsmitglieder an Bord.

Die G7-Befürworter verweisen darauf, dass es keine Möglichkeit für kleine informelle Treffen gibt. Der G7-Gipfel sei eine der wenigen Runden, in denen sich die mächtigsten Staats- und Regierungschefs der westlichen Welt ohne Entscheidungsdruck über globale Fragen austauschen könnten.

Lohnt sich der Aufwand?

Angesichts der zunehmend hohen Kosten für Sicherheit und Logistik stellt sich aber schon die Frage, ob die zweitägigen Gipfeltreffen an abgeschiedenen Orten diesen Aufwand wert sind. Der jetzige Gipfel in Schloss Elmau kostet gut 166 Millionen Euro - nochmals rund 30 Millionen mehr als sieben Jahre zuvor. Das Gros davon, rund 147 Millionen Euro, sind für den Polizeieinsatz vorgesehen. Dass es auch billiger geht, zeigt der Gipfel im südfranzösischen Biarritz. Für ihn waren nur rund 36 Millionen Euro veranschlagt.

"Man trifft sich für schöne Fotos, die Erklärungen sind schon vorher abgestimmt", kritisierte 2015 Benjamin Ruß, Sprecher des Bündnisses "Stop G7 Elmau". Für zehn schwierige Themen habe man 24 Stunden Zeit. "Keiner kann behaupten, dass da eine ernsthafte Debatte möglich ist." Er fordert die Abschaffung der G7-Treffen. "Man muss nicht bis 200 Millionen Euro ausgeben dafür, dass ein paar Menschen in einem Luxushotel schlafen."

Angst vor Randalen

Und nicht überall laufen die Treffen friedlich ab. Rund um den G8-Gipfel in Heiligendamm gab es Randale in Rostock mit vielen Verletzten. Unvergessen sind die gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Polizei und Globalisierungskritikern beim G8-Gipfel 2001 in der italienischen Stadt Genua. Und beim G20-Gipfel in Hamburg überschatteten die Krawalle im Schanzenviertel die politische Annäherung zwischen Donald Trump und Wladimir Putin.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 26. Juni 2022 um 15:00 Uhr.