Nach der Rekordjagd Atempause an der Börse
Die Anleger haben nach den Rekorden der Vorwoche heute Gewinne mitgenommen. Der DAX gab nach. Aber steckt hinter den Abgaben womöglich mehr als nur ein Durchschnaufen?
Nach dem Rekordlauf der Vorwoche bestimmten Gewinnmitnahmen das Bild zum Wochenstart. Der DAX zollte seiner jüngsten Rekordjagd Tribut und gab nach.
Nachdem der Index am Freitag noch bis auf das neue Rekordhoch bei 16.427 Punkten gestiegen war, ging es heute um 0,96 Prozent auf 16.201 Punkte bergab. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, gab ebenfalls 1,08 Prozent nach auf 27.183 Stellen. Am Freitag hatte er 27.480 Punkte erreicht, ebenfalls ein neues Allzeithoch.
Nach der ereignisreichen Vorwoche heiße es für die Anleger jetzt erst einmal Atemholen, schrieben die Expertinnen und Experten der italienischen Bank Unicredit. Auf neue Impulse aus den Vereinigten Staaten mussten die Anlegerinnen und Anleger heute zudem verzichten. An der Wall Street wird wegen eines Feiertages nicht gehandelt. Auch insgesamt war der Terminkalender ausgedünnt.
Zu den größten Verlieren gehörten die als zyklisch geltenden Chemiewerte. Der europäische Chemiesektor gab mit einem Minus von rund 2,7 Prozent deutlich nach.
Belastend wirkte sich auch eine von der britischen Investmentbank HSBC gestrichene Kaufempfehlung für die Titel von BASF aus. "Die Erholung löst sich in Rauch auf", schrieb Analyst Martin Evans in einer aktuellen Studie zum Ludwigshafener Chemiekonzern.
Er befürchtet eine Senkung der Jahresziele und erwartet Besserung nun erst 2024. BASF rutschten mit einem Minus von rund 3,5 Prozent unter die größten Verlierer im DAX, auch Covestro und Merck KGaA geben nach.
Zum schwachen Abschneiden der Chemieaktien heute passt die Prognosesenkung von Lanxess am Abend nach Börsenschluss. Die bereits zu Jahresbeginn sehr schwache Nachfrage sowie ein Lagerabbau bei Kunden hätten sich im zweiten Quartal fortgesetzt, teilte das Spezialchemieunternehmen aus dem MDAX-Unternehmen mit.
Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) werde voraussichtlich etwa 100 Millionen Euro betragen und damit die durchschnittlichen Markterwartungen unterschreiten. Analysten gingen bislang von einem bereinigten Ebitda von 198,9 Millionen Euro aus.
Für den Juni sei keine Erholung erkennbar, erklärte Lanxess. Der Konzern geht davon aus, dass sich die Schwäche in der zweiten Jahreshälfte fortsetzt. Sollte es nicht zu einer größeren Nachfrage kommen, rechnet Lanxess mit einem bereinigten Ebitda von 600 Millionen bis 650 Millionen Euro für das Gesamtjahr. Bislang hatte das Unternehmen zwischen von 850 Millionen und 950 Millionen Euro in Aussicht gestellt.
Im DAX stand die Aktie von Sartorius mit deutlichen Kursverlusten von über 14 Prozent am Ende. Denn der Laborausrüster hat Anlegerinnen und Anleger mit einer Gewinnwarnung am späten Freitagabend weit nach Börsenschluss verprellt.
In der Spitze brachen die Papiere um über 15 Prozent auf 295,80 Euro ein - der niedrigste Wert seit fast drei Jahren und der höchste Kursverlust seit acht Monaten. Das Ausmaß der Gewinnwarnung gebe Anlass zur Sorge, hieß es von Morgan Stanley. "Der neue Ausblick liegt unter den pessimistischsten Erwartungen des Marktes."
Die Gewinnwarnung von Sartorius an sich sei keine Überraschung gewesen, sagten Analysten unisono, die Größenordnung aber schon. Das Ausmaß, schrieb etwa Berenberg-Analyst Odysseas Manesiotis nach einem Gespräch mit dem Management am Wochenende, deute darauf hin, dass es auch im zweiten Quartal keine Besserung geben werde
Es ist sicher nicht überraschend, wenn die Anleger auf dem extrem hohen Niveau inne halten. Immer wieder haben vor allem technische Analysten vor einem heiß gelaufenen Markt gewarnt.
Zudem haben die Bären (Verkäufer) einige gewichtige Argumente auf ihrer Seite, die aber, wie das an der Börse öfter passiert, zuletzt nicht gehört wurden. So etwa der nach wie vor nicht beendete, scharfe Zinszyklus der großen Notenbanken, konjunkturelle Unsicherheiten vor allem im Hinblick auf die Lage in China, sowie weiterhin hohe geostrategische Risiken.
Insgesamt aber haben sich die großen westlichen Volkswirtschaften nicht so stark abgeschwächt wie noch im Herbst des vergangenen Jahres von Expertinnen und Experten erwartet worden war. Deutschland etwa ist "nur" in eine technische Rezession geraten. Hinzu kommt der jüngste "KI"-Boom, der vor allem die US-Technologiebörse Nasdaq angetrieben hat.
Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von Robomarkets sorgt sich derweil, dass der DAX-Rekord ein Strohfeuer bleiben und der Index in eine "längere Ruhephase mit leichten Abwärtstendenzen" rutschen könnte. Molnar bereitet zudem der Zeitpunkt des neuen DAX-Rekords am großen Verfallstag etwas Kopfzerbrechen:
"Statt überzeugter Käufer, die das aktuelle Niveau durchaus noch nicht als zu hoch ansehen, könnten also lediglich Eindeckungen von Short-Positionen am Terminmarkt für diese Bewegung verantwortlich gewesen sein."
Molnar spielt damit darauf an, dass es zu den großen Verfallstagen an den Terminbörsen oft heftige Kursschwankungen gibt. Dahinter stehen Marktteilnehmer, deren Frist zur Verwirklichung ihrer Derivategeschäfte abläuft.
Der Euro tendiert zu Beginn der neuen Woche leicht schwächer. Am Abend kostete die Gemeinschaftswährung 1,0918 Dollar und damit etwas weniger als am Morgen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0922 (Freitag: 1,0966) US-Dollar fest
Der Wochenstart fiel aus Datensicht ruhig aus. Es standen kaum nennenswerte Konjunkturzahlen auf dem Programm. In den USA wurden lediglich Daten vom Immobilienmarkt bekannt. Die Stimmung auf dem US-Häusermarkt hat sich dabei im Juni stärker als erwartet verbessert. Der NAHB-Hausmarktindex stieg um 5 Punkte auf 55 Punkte, wie die National Association of Home Builders (NAHB) in Washington mitteilte. Es ist bereits der sechste Anstieg in Folge und der höchste Stand seit Juli 2022. Ansonsten wird feiertagsbedingt nichts veröffentlicht.
In der laufenden Woche dürften Anlegerinnen und Anleger vor allem die parlamentarischen Anhörungen von US-Notenbankchef Jerome Powell in den Blick nehmen. Er wird sich am Mittwoch vor dem Repräsentantenhaus und am Donnerstag vor dem Senat äußern. Datenseitig dürften die Einkaufsmanagerindizes aus dem Euroraum am Freitag für großes Interesse sorgen.
Die Ölpreise haben heute mehrfach das Vorzeichen gewechselt und stehen aktuell wieder leicht im Minus. Am Abend kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im August 76,07 Dollar. Das waren 0,2 Prozent weniger als am Freitag.
Der Wochenauftakt am Rohölmarkt fiel insgesamt ruhig aus. Am Markt wurden die leichten Preisabschläge mit dem etwas festeren US-Dollar begründet. Darüber hinaus war am Markt von einer Gegenbewegung auf die jüngsten Preisaufschläge die Rede. In der vergangenen Woche hatte Rohöl von einer Lockerung der chinesischen Geldpolitik profitiert. Zudem wird auf weitere staatliche Hilfen spekuliert. China ist einer der größten Energieverbraucher der Welt. Die konjunkturelle Erholung von der einst strikten Corona-Politik fällt bisher aber schwach aus.
Die MTU-Aktie thronte derweil an der DAX-Spitze. Der Münchner Triebwerkshersteller blickt zuversichtlicher auf das Geschäftsjahr und erhöhte seine Prognose. Das bereinigte Betriebsergebnis (EBIT) dürfte nun auf mehr als 800 Millionen Euro klettern, teilte das Unternehmen mit. Die EBIT-Marge dürfte etwas steigen. Der DAX-Konzern profitierte zuletzt vom anziehenden Flugverkehr.
Der weltgrößte Flugzeughersteller, DAX-Mitglied Airbus, hat am ersten Tag der Paris Air Show einen Rekordauftrag an Land gezogen. Die indische Billigfluggesellschaft Indigo bestellt 500 Maschinen aus der Modellfamilie A320neo, wie Vertreter beider Seiten heute auf der weltgrößten Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris mitteilten.
Dies sei der größte Einzelauftrag in der Geschichte der Luftfahrt. Derzeit betreibt Indigo eine Flotte von rund 300 Maschinen und hat aus bisherigen Bestellungen noch mehrere Hundert Jets zu bekommen.
Nach positiven Analysten-Stimmen waren auch die Aktien von Beiersdorf gefragt, konnten anfänglich stärkere Gewinne aber nicht behaupten. So hat die französische Großbank Société Générale den DAX-Titel gleich um zwei Stufen von "Sell" auf "Buy" hochgestuft. Analyst David Hayes zeigte sich sehr optimistisch für die Wachstumsdynamik der Marke Nivea. Beiersdorf nehmen wieder Kurs auf das Rekordhoch von 128,60 Euro von Anfang Mai.
Die Ratingagentur Moody's honoriert den Umbau von Siemens mit einer besseren Bonitätsnote für den Münchner Technologiekonzern. Siemens komme dank seines in den vergangenen Jahren geänderten Geschäftsprofils besser mit Konjunkturzyklen zurecht, lobte der für Siemens verantwortliche Moody's-Analyst Martin Fujerik heute.
Moody's stuft Siemens nun mit einem Rating von "Aa3" (bisher "A1") ein, das ist die viertbeste Note auf der 21-stufigen Skala der Agentur. 2015 hatte Moody's Siemens auf "A1" herabgestuft, erst vor zwei Jahren war der Rating-Ausblick von "negativ" auf "stabil" geändert worden.
Der erfolgreiche Umbau zeige sich auch im Fortschritt bei der Rendite. Auch im gegenwärtig herausfordernden makroökonomischen Umfeld schaffe es Siemens, den Gewinn kräftig zu steigern. Selbst bei geringerem Wachstum könne Siemens die Margen halten, weshalb der Ausblick für das "Aa3"-Rating stabil sei.
Die Deutsche Post DHL Group benennt sich um. Der global aufgestellte Konzern heißt künftig DHL Group, wie das Bonner DAX-Unternehmen am Montag mitteilte. Der Namensteil "Deutsche Post" fällt weg.
Schon jetzt stammten 90 Prozent des Konzernumsatzes aus Geschäften unter der Marke DHL, darunter das Paketgeschäft in Deutschland. Nur noch etwa ein Drittel der rund 600.000 Beschäftigten sind im einstigen Stammgeschäft tätig, also dem Brief- und Paketgeschäft in Deutschland. Andere Konzernsparten wie Expressdienste, Frachtgeschäfte und Logistikdienstleistungen haben an Bedeutung gewonnen. "Heute sind wir eines der internationalsten Unternehmen der Welt", sagte Konzernchef Tobias Meyer.
Den Namen DHL hat die Post von dem 1969 gegründeten und 2002 an sie verkauften US-Paketdienst übernommen. Die drei Buchstaben stehen für dessen Firmengründer Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn. In Deutschland werde das Unternehmen weiterhin als Deutsche Post auftreten. Auch der Name der börsennotierten Muttergesellschaft Deutsche Post AG soll bestehen bleiben. Nur das Börsenkürzel werde von "DPW" auf "DHL" geändert.
Für den US-Finanzinvestor Silver Lake ist der Weg zur Übernahme der Software AG frei. Der Konkurrent Bain Capital, der über seine Beteiligung Rocket Software ebenfalls ein Angebot für das Darmstädter SDAX-Unternehmen in Aussicht gestellt hatte, gibt seine Bestrebungen auf, wie Bain am Abend mitteilte.
"Leider waren unsere Bemühungen nicht erfolgreich", räumte Rocket-Gründer und -Chef Andy Youniss ein. Rocket werde nun seine Software-AG-Aktien - 10,02 Prozent des Grundkapitals - für je 32 Euro an Silver Lake verkaufen.
Der Vorstand der Software AG hatte sich auf die Seite von Silver Lake gestellt. Die Aktionäre hatten aber angesichts eines möglichen Gegenangebots von Bain abgewartet. Nun kann Silver Lake aber hoffen, die angestrebte Mehrheit an der Software AG doch noch zu erreichen.
Die Aktien des Wirkstoffforschers Evotec, des Anlagenbauers Krones, der Software AG und der Redcare Pharmacy werden von heute an im MDAX zu finden sein. Sie verdrängen die folgenden vier Unternehmen aus dem Index der mittelgroßen Werte in den SDAX: den Immobilienkonzern Aroundtown, den Telekommunikationsanbieter United Internet, den Waferhersteller Siltronic sowie den US-Telekomausrüster Adtran.
Der Großhandelskonzern Metro setzt an der Unternehmensspitze frühzeitig auf Kontinuität. Der Vertrag von Unternehmenschef Steffen Greubel sei frühzeitig um weitere fünf Jahre verlängert worden, teilte der im Kleinwerteindex SDAX notierte Konzern mit. Damit sei Greubel bis zum 30. April 2029 zum Vorstandsvorsitzenden bestellt. Er ist seit dem 1. Mai 2021 Chef bei Metro.
Nach monatelangem Poker ist der Vertrag für den Bau einer neuen Chipfabrik von Intel in Magdeburg in trockenen Tüchern. Die Bundesregierung lud heute zu einem Fototermin anlässlich der Unterzeichnung einer Vereinbarung im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und Intel-Chef Pat Gelsinger ein. Zuletzt hatte die Agentur Bloomberg berichtet, der Staat habe seine Fördersumme von 6,8 auf zehn Milliarden Euro aufgestockt.
Der chinesische Elektroautoriese BYD will seine Marktanteile in Deutschland kräftig ausbauen. "Wir wollen mittelfristig schon rund fünf bis zehn Prozent in dem Elektrosegment haben", sagte der Vertriebschef für Deutschland, Lars Pauly. Einen Zeitpunkt nannte er nicht. Bis Ende Mai wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt gerade einmal 165 BYD-Autos zugelassen. Insgesamt waren es in Deutschland seit Jahresbeginn 1,1 Millionen.