Gipfel beschließt Beteiligung der Banken "Das machen wir nur für Griechenland"

Stand: 22.07.2011 13:12 Uhr

Die Euro-Länder nehmen im Kampf gegen die Schuldenkrise einen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands in Kauf. Dazu wird es wohl kommen, weil erstmals private Gläubiger an den Kosten des neuen Rettungspakets beteiligt werden. Der Euro-Gipfel beschloss Hilfen in Höhe von 109 Milliarden Euro. Kanzlerin Merkel sprach von bedeutenden Ergebnissen. Der Bundestag solle im September über das neue Rettungspaket abstimmen.

Die Euro-Sondergipfel hat ein Rettungspaket für Griechenland beschlossen. Das neue Hilfspaket der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird einen Umfang von 109 Milliarden Euro haben. Die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten einigten sich auf mehrere Einzelmaßnahmen, die als Gesamtpaket zur Stabilisierung der griechischen Staatsfinanzen beitragen und ein Übergreifen der Schuldenkrise auf weitere Euro-Länder verhindern soll.

Zum ersten Mal beteiligen sich private Gläubiger auf freiwilliger Basis an der Hilfe für Griechenland. Banken und Versicherungen sollen einen eigenen Beitrag in Höhe von 37 Milliarden Euro bis zum Jahr 2014 leisten. Nach wochenlangem Ringen gaben die Euro-Staaten und die Europäische Zentralbank (EZB) damit dem Drängen Deutschlands nach. Laut Abschlusserklärung willigten Banken und Versicherungen ein, über Anleihetausch oder Laufzeitenverlängerungen griechischer Bonds die Kosten der Rettung mit den Staaten zu teilen. Die Regierungen der Euro-Länder betreten damit Neuland. Denn die vorgesehene Einbeziehung privater Gläubiger dürfte dazu führen, dass Ratingagenturen Griechenland zumindest vorübergehend als zahlungsunfähig einstufen und einen Zahlungsausfall feststellen. Wie die mitgeteilte Summe in Höhe von 37 Milliarden Euro zusammenkommen soll, ist aber bislang weitgehend unklar.

"Europa ist ohne den Euro nicht denkbar"

Nach ihrer Rückkehr vom Sondergipfel sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel von "bedeutenden Ergebnissen". Sie betone zugleich, dass der Weg aus der Krise nur durch einen Prozess abgestimmter Schritte möglich sei. Der Euro sei "jede Anstrengung wert", und es sei eine historische Aufgabe, ihn zu schützen. "Europa ist ohne den Euro nicht denkbar", erklärte sie. Was in der derzeitigen Lage aufgewendet werde, "bekommen wir um ein Vielfaches zurück".

Mit Blick auf die möglichen Folgekosten für die deutschen Steuerzahler beharrte Merkel darauf, dass es keine Transferunion geben dürfe. "Eine Transferunion, so wie ich sie verstehe, wäre ein automatischer Finanzausgleich", sagte sie. Die Abstimmung des Bundestags über das neue Griechenland-Rettungspaket erwartet sie für September. Sondersitzungen des Parlaments seien nach dem derzeitigen Zeitplan nicht notwendig, weil die Zustimmung bis zur Auszahlung der nächsten Kredittranche in der zweiten Septemberhälfte genüge.

Nun sei das Allerwichtigste, "dass Griechenland sein Programm umsetzt", sagte die Bundeskanzlerin. Dazu gehöre auch eine auf europäischer Ebene gegründete Task Force, die das Land unterstützen solle, sowie "eine quasi Treuhand-artige Gruppe", die die Privatisierungen begleiten solle. Die Bundeskanzlerin verwies zudem darauf, dass die Beteiligung des Privatsektors an dem Rettungspaket ein Einzelfall sei, weil Griechenland mit seiner besonderen Schuldensituation ein Einzelfall sei. Die günstigeren Kreditbedingungen mit längeren Laufzeiten und niedrigeren Zinsen gewähre der EFSF nicht nur Griechenland, sondern auch Irland und Portugal.

Sarkozy sieht Griechenland als Sonderfall

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagte mit Blick auf die Bankenbeteiligung: "Das machen wir nur für Griechenland, wir werden es für kein anderes Land der Euro-Zone machen. Wir sagen klar und deutlich, dies ist ein Sonderfall."

Insbesondere die Europäische Zentralbank (EZB) hatte sich lange gegen die Einbeziehung privater Gläubiger gewehrt, weil sie Turbulenzen an den Finanzmärkten fürchtet, wenn Ratingagenturen den Zahlungsausfall Griechenlands feststellen. Fitch kündigte dies bereits an. "Wir werden sehen, was passiert," sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Die EZB nimmt bisher griechische Anleihen von Banken als Sicherheit an - das wäre aber nicht möglich, wenn Griechenland als zahlungsunfähig gilt. Dies hätte vor allem für griechische Banken enorme Probleme zur Folge, weil sie dann große Schwierigkeiten hätten, bei der EZB noch Geld zu leihen.

Deshalb hatte Trichet sich lange gegen alle Optionen gestemmt, die einen Zahlungsausfall zur Folge haben. Dieser galt aus EZB-Sicht als Tabu. Doch hierfür fanden die Euro-Staaten eine Lösung: Sie stellen als Absicherung bis zu 35 Milliarden Euro bereit, damit die EZB weiter griechische Anleihen als Sicherheit akzeptieren kann. Zusätzlich stehen laut der Einigung 20 Milliarden Euro für Finanzspritzen an griechische Banken bereit.

"Ja, das trifft uns hart"

Banken und Versicherungen sehen ihren freiwilligen Beitrag an dem neuen Hilfspaket für Griechenland als Opfer. "Ja, das trifft uns hart", sagte Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann im ZDF. Ackermann hatte als Vorsitzender des internationalen Bankenverbands IIF an dem Gipfel in Brüssel teilgenommen. Die Abschreibungen, die die Banken auf griechische Positionen vornehmen, belaufen sich nach seinen Worten auf 21 Prozent. Er sprach dennoch von einem guten Kompromiss zwischen den Interessen Griechenlands, des Steuerzahlers und der Investoren. Dies reduziere die Gefahr einer Ausbreitung der Schuldenkrise auf weitere Länder: "Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass wir einen ganz wichtigen Schritt gemacht haben, indem wir eine gute Lösung für Griechenland gefunden haben", sagte Ackermann. "Damit sollte das griechische Problem gelöst sein."

"Die Last für Griechenland wird leichter"

Für Griechenland summieren sich die seit dem vorigen Jahr eingeräumten internationalen Hilfen nun auf insgesamt knapp 260 Milliarden Euro. "Die Last für Griechenland wird nun leichter", sagte Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Dank des neuen Rettungspakets rechnet er mit einer Reduzierung der Schulden seines Landes um 26 Milliarden Euro bis zum Ende des Jahres 2014. "Das verschafft Griechenland und der Eurozone eine Atempause." Nun könne Griechenland früher als erwartet an die Finanzmärkte zurückkehren, um selbst Kredite aufzunehmen. Derzeit ächzt das Land noch unter einer Schuldenlast in Höhe von rund 350 Milliarden Euro.

Schritt zum Europäischen Währungsfonds?

Inzwischen hängen auch Portugal und Irland am internationalen Finanztropf; Italien und Spanien gelten als potenzielle Kandidaten. Die Staats- und Regierungschefs wollen jenseits der Hilfe für Griechenland vor allem verhindern, dass sich die Krise zu einem nicht mehr beherrschbaren Flächenbrand auswächst. Der europäische Krisenfonds für finanzschwache Eurostaaten EFSF soll daher schon vorbeugend Geld bereitstellen, falls Euro-Länder in Gefahr geraten. Zudem soll er Finanzinstitutionen rekapitalisieren können auch in Ländern, die nicht unter seinen Schutz geschlüpft sind und sogar Anleihen aufkaufen können. Nach Worten von Frankreichs Präsident Sarkozy beginnt damit der Aufbau eines Europäischen Währungsfonds.

Die internationalen Märkte reagierten erleichtert auf die Gipfel-Entscheidungen: An allen wichtigen Börsen kletterten die Kurse; vor allem Finanzwerte profitierten. Der Eurokurs stieg bis zu 1,44 Dollar. Die Risikoaufschläge für Anleihen angeschlagener Euroländer gaben deutlich nach.