Kanister mit E-Fuel

EU zu Verbrennerautos Sind E-Fuels eine echte Alternative?

Stand: 29.06.2022 17:41 Uhr

Ab 2035 sollen in Europa nur noch klimaneutrale Neuwagen verkauft werden. Pkw mit Verbrennermotor hätten nur noch eine Chance, wenn sie E-Fuels tanken. Welche Vor- und Nachteile haben die synthetischen Kraftstoffe?

Hat das Verbrenner-Auto noch eine Zukunft? Die EU-Umweltminister wollen - im Gegensatz zum EU-Parlament - dafür eine letzte kleine Hintertür auflassen. Nach den Vorstellungen der EU-Staaten sollen ab 2035 zwar nur noch Neuwagen ohne CO2-Ausstoß zugelassen werden. Die EU-Kommission soll aber einen Vorschlag erarbeiten, der dem Verbrennungsmotor eine Chance geben könnte. Denn es geht um einen Vorschlag, wie auch nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden könnten, die ausschließlich mit klimaneutralen Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden.

Da sich die EU-Staaten in den anstehenden Verhandlungen mit dem Europaparlament noch auf eine Position zur Zukunft des Verbrennermotors einigen müssen, ist die Option E-Fuels noch keineswegs beschlossene Sache. Dennoch stellt sich die Frage, ob die synthetischen Kraftstoffe in Zukunft eine echte Alternative zu den auch von den Herstellern mehrheitlich bevorzugten Elektroautos sein können.

Was sind E-Fuels?

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die meist aus Wasser und Kohlendioxid gewonnen werden. Dabei ist ein hoher Stromeinsatz nötig. Bisher sind es vor allem Chemiewerke, die E-Fuels produzieren. Diese Kraftstoffe weisen ähnliche Eigenschaften auf wie Benzin und Diesel.

Aus für Verbrennungsmotoren ab 2035 - mit Zusatzlösung

Julie Kurz, ARD Berlin, nachtmagazin 00:05 Uhr

Schützen E-Fuels das Klima?

Ob die Produktion umweltfreundlich ist, hängt davon ab, woher der Strom stammt. Wenn Ökostrom eingesetzt wird, ist die Herstellung von E-Fuels klimaneutral. Im Vergleich zu Benzin oder Diesel belastet die E-Fuel-Herstellung nicht den Rohstoffkreislauf und setzt kein neues CO2 frei. Denn der Sprit wird nicht aus Rohöl gewonnen.

Der europäische Thinktank "Transport and Environment" (T&E) bezweifelt aber den Klimaschutz-Effekt. In einer Studie haben die Forscher berechnet, dass Autos, die zu hundert Prozent mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden, über die gesamte Lebensdauer hinweg deutlich mehr CO2 emittieren als reine Elektroautos. "Ein Elektrofahrzeug wäre 53 Prozent sauberer als ein Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen, was vor allem auf Verluste in der E-Fuel Herstellung und den ineffizienten Verbrennungsmotor zurückzuführen ist", so die T&E-Studie.

Die Interessengemeinschaft eFuel Alliance argumentiert ihrerseits: "Wer einen Verbrennungsmotor statt mit Benzin, Diesel oder Kerosin mit eFuels antreibt, stößt nicht mehr CO2 aus, als der Atmosphäre zur Herstellung der Kraftstoffe entnommen wurde." Daher könnten die synthetischen Kraftstoffe "überall dort einen Beitrag zur Reduzierung von CO2 leisten, wo bislang konventionelle Kraft- und Brennstoffe zum Einsatz kommen". Weil der für die Herstellung genutzte Strom aus erneuerbaren Energiequellen stamme, seien E-Fuels klimaneutral.

Was sagen Kritiker der E-Fuels?

Umweltschützer und auch manche Mobilitätsexperten kritisieren die E-Fuels-Option als unnötig teuren und ineffizienten Irrweg zur klimaneutralen Mobilität. "E-Fuels sind eine Scheinlösung, sie sind ineffizient, nicht automatisch klimaneutral und werden auf absehbare Zeit teuer sowie begrenzt verfügbar bleiben", meint Antje von Brook, Geschäftsführerin des BUND. Auch der geschäftsführende Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser hält den EU-Kompromiss zur Zulassung von Verbrennerautos mit synthetischen Kraftstoffen für ein "Luftschloss" und einen verwässerten Verbrenner-Ausstieg.

Der Thinktank T&E sieht als größtes Problem den gigantischen Strombedarf der E-Fuels. Würden nur zehn Prozent aller Autos in der EU mit E-Fuels betrieben, stiege die jährliche Nachfrage nach erneuerbaren Energien um fast 40 Prozent, haben die Forscher herausgefunden. Um die nach 2030 noch herumfahrenden Verbrenner mit E-Fuels zu betanken, bräuchte man 500 Terrawattstunden Strom jährlich für die Herstellung der synthetischen Kraftstoffe, sagt Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Das entspräche in etwa der derzeitigen jährlichen gesamten Stromnachfrage in Deutschland.

Was meinen Autoexperten?

Experten halten die Debatte um die E-Fuels für unsinnig. "Synthetische Kraftstoffe werden so teuer sein dass kaum jemand bereit sein wird, dafür zu bezahlen", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Chef des CAR-Center Automotive Research. Zudem sei die Energieeffizienz von synthetischen Kraftstoffen extrem schlecht. "Weniger als 20 Prozent der Ausgangsenergie wird zum Antrieb eingesetzt." Auch Stefan Bratzel, Direktor des Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, verweist auf den geringen energetischen Wirkungsgrad von 15 bis 20 Prozent der synthetischen Kraftstoffe als wichtigen Nachteil. Bei Elektrofahrzeugen liege dieser Wirkungsgrad wesentlich höher.

Was tut die Autoindustrie?

Die meisten Autohersteller glauben nicht an die Zukunft von E-Fuels. Kurzfristig seien E-Fuels keine praktikable Option, sagt Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer. VW-Chef Herbert Diess hält gar den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen in der Massenmobilität für "Unsinn". Einzig Porsche setzt auf die synthetischen Kraftstoffe. Der Sportwagenbauer investiert 75 Millionen Dollar in die Entwicklung von Produktionsanlagen für E-Fuels. In Chile bauen die Schwaben eine Pilotanlage Haru Oni, die voraussichtlich Mitte 2022 die Produktion aufnehmen soll.

eFuels Anlage, Punta Arenas, Chile, 2022, Porsche AG

Welche Autos lassen sich mit E-Fuels tanken?

Noch keine. E-Fuels werden noch in Pilotanlagen getestet. Europas größte Versuchsanlage steht derzeit an der TU Bergakademie Freiberg. Dort werden über 46.000 Liter synthetischer Kraftstoffe hergestellt. Als erster Autobauer könnte bald Porsche E-Fuels liefern. In Chile errichtet der Sportwagenbauer eine Pilotanlage. Der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen wird im Verbundprojet "C3-Mobility" untersucht. Daran sind 32 Partner beteiligt, unter anderem Porsche, VW, BMW, Opel, Hyundai, Shell und RWE.

Könnte die Ausnahme-Reglung für die Zulassung für Verbrenner mit E-Fuels noch gekippt werden?

Das ist nicht auszuschließen. Denn noch steht eine Einigung zwischen dem Europaparlament, das mehrheitlich ein komplettes Verbots von Neuwagen mit Verbrennermotoren ab 2035 fordert, und den EU-Staaten aus. Und noch gibt es das von den EU-Mitgliedsländern geforderte konkrete Konzept der EU-Kommission nicht. Diese muss erst einen Vorschlag machen, wie nach 2035 noch Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließlich mit klimaneutralen E-Fuels betrieben werden. EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans zeigt sich skeptisch. "Derzeit erscheinen E-Treibstoffe nicht wie eine realistische Lösung", sagte er. "Wenn die Hersteller in der Zukunft aber das Gegenteil beweisen können, werden wir offen sein." Bislang sollten nach den Plänen der EU-Kommission E-Fuels nur dort eingesetzt werden, wo Batterien keinen Sinn machen, zum Beispiel in Flugzeugen oder Schiffen. Ungewiss ist auch, ob das EU-Parlament dem Kompromiss der EU-Umweltminister zustimmt.

Wie sind die Perspektiven für E-Fuels?

Momentan lassen sich die Marktperspektiven für E-Fuels noch nicht genau abschätzen, solange die EU-Kommission kein klares Konzept für die Neuzulassung von Verbrennern mit synthetischen Kraftstoffen entwickelt hat. Viele Experten sind aber überzeugt, dass E-Fuels nötig sind, um die Klimaziele zu erreichen. Denn nach 2035 werden noch viele Millionen Autos mit Verbrennungsmotoren auf den Straßen unterwegs sein. Mit E-Fuels fahren sie etwas weniger klimaschädlich als mit Benzin oder Diesel. E-Fuels und Elektromobilität könnten sich ideal ergänzen, sagt Stefano Innocenzi, Bereichsleiter "New Energy Business" bei Siemens Energy. Ohne die synthetischen Kraftstoffe sei eine Dekarbonisierung bestehender Fahrzeugflotten "kaum möglich".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 29. Juni 2022 um 18:00 Uhr.