Hintergrund

Finanzmarktkrise Depfa - das schwarze Loch der Hypo Real Estate

Stand: 06.10.2008 09:04 Uhr

Wie kann es sein, dass ein Dax-Konzern wie die Hypo Real Estate scheinbar über Nacht am Abgrund steht? Wie kann die in der Öffentlichkeit kaum bekannte Depfa Bank einen Sog erzeugen, der den Münchner Riesen in den Schlund zieht?

Von Hans-Jürgen Maurus, ARD Berlin

Von Hans-Jürgen Maurus, SWR

Die Depfa Bank Plc gehört der Hypo Real Estate erst seit drei Jahren und ist wohl der größte Missgriff eines Managements seit Jahrzehnten. Die Hypo Real Estate ist wiederum eine Abspaltung der ehemaligen HypoVereinsbank und ging erst vor fünf Jahren an die Börse. Die Depfa-Bank ist vermutlich der Schlüssel für das drohende größte deutsche Bankendesaster aller Zeiten.

Dabei hat die Depfa eine renommierte Geschichte. Sie wurde am 20. Mai 1922 vom Preußischen Landtag durch einen Gesetzesentwurf ins Leben gerufen, um die Finanzierung des Klein-Wohnungsbaus zu ermöglichen. Das staatliche Institut überlebte den großen Bankenkrach und die anschließende Wirtschaftskrise als Rentenmarktspezialist und wurde nach dem zweiten Weltkrieg in Wiesbaden als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Aufsicht des Bundes angesiedelt. Die Bank gewährte Darlehen für Wohnungen für breite Schichten, Gewinnmaximierung war nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebs.

Aufspaltung im Jahr 1990

1951 als deutsche Pfandbriefanstalt umbenannt stieg die Bilanzsumme von 1954 bis 1993 auf 100 Milliarden DM, bedingt durch den Wachstumsschub im Kommunalkreditgeschäft. Die Bank wurde zudem zu einem der größten Emittenten von Pfandbriefen in Deutschland. 1989 kam die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, später eine Aufspaltung in zwei Spezialbanken, die Depfa-Bank und Aareal Bank.

Die irische Tochter begann spätestens in den 1990er Jahren unter Bankenchef Gerhard Bruckermann ein riesiges Rad zu drehen. Bruckermann, der seit 2000 auch sein eigener Kontrolleur war und 2004 ein Jahressalär von mindestens 7,3 Millionen Euro kassierte, ging in die Vollen. 2002 hatte das Institut bei einem Eigenkapital von nur einer Milliarde Euro ein Kreditvolumen von 73,1 Milliarden Euro, darunter allein Kommunalkredite von 47 Milliarden Euro und verbriefte Verbindlichkeiten von 66,9 Milliarden Euro. 2005 brüstete sich die Derivate-Gruppe der Bank, ein Klientenvolumen von 25 Milliarden Euro gestemmt zu haben.

Hochkomplexe Derivate-Geschäfte

Der US-Depfa-Ableger First Albany Securities mischte bei öffentlichen Finanzkontrakten von bis zu 400 Milliarden US-Dollar mit und die Depfa-Mutter bei hochkomplexen Derivate-Geschäften wie CLOs - sogenannte Collateralized Loan Obligations; auf deutsch: synthetische forderungsbesicherte Emissionen für Schulen, Hospital, Polizei und Gerichtsgebäude mit Unterstützung der Staatsbank KfW.

Die Depfa hatte Niederlassungen von Amsterdam bis Chicago, von Hongkong bis Istanbul und von Tokio bis London. Es gab andere Töchter wie Depfa ACS Bank oder Hypo Public Finance Bank. Als "non executive Chairman" fungierte Hypo-Real-Estate-Chef Georg Funke. Aber auch ex-KfW-Chef Hans Reich oder ex-EIB-Bankenchef Wolfgang Roth waren als Direktoren bei der Depfa aktiv.

Finanzierungsmodell musste scheitern

Die Bankenkrise schlug in Deutschland schon vor einem Jahr bei der Mittelstandsbank IKB ein. Das Finanzierungsmodell der Depfa, langfristige Kredite mit kurzfristigen Anleihen zu refinanzieren, musste mit dem Austrocknen der Kreditmärkte ganz zwangsläufig scheitern. Doch das erklärt nicht ein Finanzierungsloch von mehr als 50 Milliarden Euro. Die Bank muss ein derart großes Rad gedreht haben, dass der riesige Refinanzierungsbedarf nicht nur das eigene Institut, sondern die Mutter Hypo Real Estate in den Abgrund zu reißen droht. Offenbar war das niemandem aufgefallen.